BetrugsversuchToter Mann soll für Internetkauf zahlen

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Post von einem Inkasso-Unternehmen bekam die Witwe eines Mannes, der vor fast sechs Jahren gestorben ist.

Post von einem Inkasso-Unternehmen bekam die Witwe eines Mannes, der vor fast sechs Jahren gestorben ist.

Bergneustadt – Als der erste Brief kam, glaubte eine 79 Jahre alte Bergneustädterin noch an ein Missverständnis. Als dann aber ein zweites Schreiben im Briefkasten landete und eine ausstehende Zahlung anmahnte, Fristen setzte und Gebühren forderte, war klar: Da stimmt etwas nicht. Denn die Post war nicht an sie gerichtet, sondern an ihren Ehemann. Und der ist im November 2015 verstorben. „Da bekam ich es dann ordentlich mit der Angst zu tun“, bekennt die Seniorin, die nicht genannt werden möchte. „Und es war klar: Ich brauche sofort Hilfe.“

Geschickt hat die Briefe der in Gütersloh ansässige Inkasso-Dienstleister Paigo. Dessen Schreiben sind indes nicht nur an den Toten gerichtet, sondern sie mahnen zudem eine fehlende Zahlung nach einem Internetgeschäft an, getätigt am 15. Mai dieses Jahres. „Wir haben aber noch nie einen Computer besessen, haben kein E-Mail oder so“, schildert die Frau. „Also haben weder mein Mann zu Lebzeiten, noch ich etwas im Internet bestellt. Und Schulden haben wir niemals gemacht.“ Tatsächlich ist aber eine Mailadresse angegeben, über die der Handel getätigt worden sein soll.

Ein Online-Geschäft hat tatsächlich stattgefunden

Dessen Wert wird auf 89,19 Euro beziffert, zahlen soll die Bergneustädterin – inklusive aller Gebühren und Inkasso-Kosten – nun 143,57 Euro. Inzwischen hat das Unternehmen, mit den eigenen Schreiben konfrontiert – das Verfahren eingestellt. Denn: „Es liegt offenbar ein Betrugsversuch vor“, erklärt Paigo-Gründer und Sprecher Dario Artico, der den Fall auf Anfrage dieser Zeitung recherchiert hat. So sei ein Online-Kauf getätigt worden – unter Angabe eines Kontos beim Bezahldienst PayPal, das eben den Toten als Inhaber ausweise. „Dabei konnten wir keine betrügerischen Aktivitäten erahnen, da alles regulär angegeben und getätigt wurde.“ Mandant sei eine in Singapur beheimatete Tochtergesellschaft von PayPal, die solche Forderungen übernehme und eintreiben lasse.

Bei der Polizei geht Sprecher Michael Tietze ebenfalls davon aus, dass ein Geschäft tatsächlich stattgefunden hat. „Jemand kauft etwas, nennt aber falsche Personalien und denkt nicht daran, die Rechnung zu begleichen“, führt Tietze aus. Natürlich versuche der geprellte Verkäufer dann, ans fehlende Geld zu kommen. „Das eigentliche Problem ist also der vorausgegangene Diebstahl einer Identität“, fasst der Sprecher das Vorgehen zusammen. „Dann die Ware, zum Beispiel an einer Station abzuholen, ist kein großes Problem für den Betrüger.“ Dem auf die Schliche zu kommen, ist für die Ermittler dagegen harte Arbeit. „Dabei müssen viele, viele Nachweise geführt und etwa die entsprechenden IP-Adressen festgestellt werden“, erklärt Tietze. Denn die Mehrzahl dieser Geschäfte werde eben auf digitalem Weg ausgeführt. Und das nicht gerade selten: „Inzwischen gehen fast täglich Anzeigen ein“, sagt der Polizeisprecher und rät der Bergneustädterin, unbedingt Anzeige zu erstatten. Dass ein Krimineller für den Betrug die Daten eines Verstorbenen benutzt habe, das sei aber eher ungewöhnlich, urteilt Tietze. Aussicht auf Aufklärung gebe es übrigens kaum. „Wir müssen leider oft darauf setzen, dass der Täter Fehler macht.“

„In Einzelfällen kommt so etwas sicherlich vor"

Hilfe bekam die verängstigte Seniorin von einer juristisch versierten Nachbarin, die einen Widerspruch formulierte und diesen nach dem jüngsten Mahnbescheid sofort an Paigo schickte. Dort bedauert Gründer Dario Artico das Geschehene und versichert, dass die Bergneustädterin keine weitere Post von seinem Unternehmen bekomme.

Statistiken zu solchen Betrugsfällen führe sein Unternehmen nicht, aber: „In Einzelfällen kommt so etwas sicherlich vor, auch wenn sowohl unsere Kunden als auch wir selbst komplexe Mechanismen und Prozesse implementiert haben und ständig weiterentwickeln, um das bestmöglich zu erkennen und zu verhindern.“ Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Transaktionen sei die Zahl falscher Geschäfte aber eher als gering einzuschätzen.

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