Blick nach vorneEngelskirchener Arzt will seine zerstörte Praxis wieder aufbauen

Das Flüsschen Leppe hatte sich vor vier Wochen in einen reißenden Fluss von großer Zerstörungskraft verwandelt.
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Engelskirchen – Vor vier Wochen riss die Leppe, normalerweise ein plätscherndes oberbergisches Flüsschen, einen großen Teil der Hausarztpraxis von Dr. Thomas Aßmann einfach weg. Das Wasser drang in alle Räume ein, auch die beiden benachbarten Praxen liefen voll. Viel zu retten war nicht.
Fragt man ihn, wie es ihm heute geht, überlegt er nicht lange: „Ich bin nachdenklich, aber voller Optimismus und Tatendrang. Ich möchte nicht irgendwann sagen, dass die Flut mich geschafft hat. Ich will sagen, das war ein Schicksalsschlag, aber ich bin wieder aufgestanden.“
Ein paar Jahre zuvor war das Haus komplett saniert worden
Im Bereich der Praxen hat das reißende Hochwasser großen Schaden angerichtet. Aßmanns Frau hat den Einsturz gefilmt. 15 Minuten vorher waren die beiden noch mit Architekt Ralf Rother, der das 120 Jahre alte Ensemble erst vor ein paar Jahren von Grund auf saniert hatte, drin gewesen. Wasser war eingedrungen, „aber wir hatten die Hoffnung, dass wir nach drei, vier Wochen wieder startklar sind“, sagt Aßmann. Architekt Rother hatte schon Entfeuchter bestellt. „Dann“, so Aßmann, „zeigte meine Frau nach oben an die Decke und sagte: Diese Risse sind aber neu! Der Architekt sah sich das an und sagte sofort: Wir gehen jetzt ganz schnell hier raus und kommen auch nicht wieder rein.“
Thomas Aßmann (58) hat seither viele gute Erfahrungen gemacht. Er berichtet von großer Empathie, viele Patienten hätten gefragt, wie sie helfen können. „Überraschend gut war die Ersthilfe der Gemeinde Lindlar, die als mein Wohnort zuständig ist, und die Fluthilfe vom Land. Ich hatte den Antrag am Sonntag in den Briefkasten der Gemeinde geworfen und schon mittwochs war das Geld auf dem Konto.“
Dann kamen vier Wochen des Wartens. „Ich bin gut gegen Elementarschäden versichert, aber man weiß natürlich nicht, wie die Versicherer das sehen.“ Er verfügt auch über eine sogenannte Betriebsunterbrechungsversicherung, aber auch da stellte sich die Frage, wie das bewertet wird, weil Aßmann noch eine zweite Praxis im benachbarten Lindlar hat.
Shitstorm gegen Praxis auf Facebook
In dieser Phase großer Unsicherheit berichteten ihm Mitarbeiterinnen, dass bei Facebook ein regelrechter Shitstorm gegen die Praxis im Gange sei. Der Grund? Die Praxis sei kaum zu erreichen und die Wartezeiten zu lang, echauffieren sich dort die Unzufriedenen. „Ich finde das sehr traurig, weil diese Leute unsere Umstände ja kennen“, sagt Aßmann.
„Man sieht eine zweigeteilte Gesellschaft: Auf der einen Seite die Mitfühlenden, auf der anderen Seite Leute, die in ihrer Komfortzone sitzen und denken, sie hätten einen Mobilfunkvertrag, alles muss immer funktionieren, und wenn etwas nicht funktioniert, dann trägt irgendjemand die Schuld.“
Vorübergehend in zweite Praxis umgezogen
Wer in der Hauptpraxis in Lindlar anruft, hört momentan tatsächlich oft das Besetztzeichen. „Dort müssen wir jetzt praktisch die Arbeit für zwei Praxen machen. Allerdings sind wir auch dort ein wenig eingeengt“, erklärt der Mediziner, „weil wir auch dort Hochwasserschäden haben.“ Seinen Mitarbeitern hat er bisher nicht gekündigt, weder den ärztlichen noch den nicht-ärztlichen, und das will er auch nicht.
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Nach dem Hochwasser war Thomas Aßmann noch mal vor Ort. „Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich war nochmal da, um Abschied zu nehmen. Das war eine sehr schöne Praxis, die wir mit viel Herzblut eingerichtet hatten.“ Das Kreuz, das über der Tür hing, hat der Arzt gerettet. „Das wird auch in der neuen Praxis hängen, weil ich glaube, dass wir einen gewissen göttlichen Schutz, einen Schutzengel, hatten. Die Praxis heißt ja Angelus.“
Seit Donnerstag dieser Woche hat er nun die Gewissheit, dass die Versicherung zahlt, und er blickt nach vorne: „Ich würde gerne am Standort der alten Praxis wieder aufmachen.“ Mit Architekt Rother hat er schon erste Planungsgespräche anberaumt. Am liebsten wäre es Thomas Aßmann sogar, wenn die künftige Praxis größer würde als die alte. „Ich nerve den Architekten schon mit Ideen.“ Das wäre dann sichtbarer Nachweis dafür, dass die Flut ihn nicht geschafft hat. Im Gegenteil.