Ulf Hohmuth tritt beim Sommerwettbewerb "Mein größter Gewinn" an. Der Bickenbacher hat 140 Jahre Familiengeschichte erforscht und niedergeschrieben.
SommerwettbewerbSieben Jahre hat Ulf Hohmuth aus Engelskirchen nach einer Antwort gesucht

Ulf Hohmuth mit seinem größten Gewinn, seinem Buch „Gebrochenes Schweigen“.
Copyright: Michael Lenzen
Er hat gegraben, tief und lange gegraben in der Vergangenheit und dabei bewusst und unbewusst Verschüttetes ans Licht geholt. Das war teils verstörend und schmerzhaft, aber letztlich befreiend – und damit sein größter Gewinn. Mit seinem im Selbstverlag herausgebrachten Buch „Gebrochenes Schweigen – Grabungen hinter verschlossenen Türen“ beteiligt sich der Bickenbacher Ulf Hohmuth an unserem Sommerwettbewerb zum Thema „Mein größter Gewinn“.
Er ist Jahrgang 1951 und was er da auf mehr als 600 Seiten in mehr als sieben Jahren akribischer Arbeit in den unterschiedlichsten Archiven, in Militärakten, Kirchenbüchern Urkunden und Gesprächen zusammengetragen hat, ist mehr als eine sehr persönliche Familienchronik über 140 Jahre. Es ist ein Stück deutscher Geschichte.
Burn-out und Depression – Der persönliche Anstoß zur Spurensuche
Dass das Ergebnis dieser langen Suche, Aufarbeitung und des Schreibens für Hohmuth sein größter Gewinn ist, liegt an seiner ganz persönlichen Geschichte, an den Ursachen dafür, dass es dieses Buch überhaupt gibt. Sehr offen berichtet der ehemalige Soldat, erfolgreiche Fußballtrainer, Kreispokalsieger und Kaufmann über seine Suche nach Anerkennung, über seinen Burn-out, seine Depression. Und die Suche nach der Ursache, für die er professionelle Hilfe benötigte. Und über seine Alpträume die anfingen, als er für seine Enkel Kindergeschichten schrieb, Erinnerungen an seine eigene Kindheit.
Generationenübergreifende Traumata – Schuld, Vererbung und Aufarbeitung
Die Angst vor seinem Vater, vor seiner Gewalt, vor der Unnahbarkeit auch der Mutter. Er sei von seinem Vater letztlich nicht wahrgenommen worden, zumindest nicht in positivem Sinn. Viele Wohnortwechsel, die der Vater, ein Melker, ohne Rücksicht auf die Familie vornahm, Missbrauchsfälle, ein Gefängnisaufenthalt. Und über allem ein großes Schweigen über die Vergangenheit, über die Erlebnisse im Krieg.
Auch später sei es ihm trotz manch guter Flasche Wein nicht gelungen, von seinem Vater etwas Wesentliches aus dieser Zeit zur erfahren. Seinem älteren Bruder habe er mehr erzählt, aber auch nicht immer die Wahrheit, wie seine Recherchen ergeben hätten. Die Beschäftigung mit der eigenen Kindheit bringt die verschlossenen negativen Erlebnisse an die Oberfläche. Mit einer Macht, die Hohmuth den Boden unter den Füßen wegzieht, nicht nur psychisch, sondern bis hin zu Bewegungsunfähigkeit durch Lähmungserscheinungen in den Beinen.
Das Buch als Befreiung – „Gebrochenes Schweigen“ als persönlicher Gewinn
Er wird berufsunfähig, sucht nach der Antwort auf das Warum und wird mit und mit fündig. Es ist ein schmerzhafter und steiniger Weg, sich den Erlebnissen der Kindheit zu stellen, aber die Grundlage für die psychische Gesundung. Über die Familie seiner Mutter weiß er einiges, hat als Kind auch die Großeltern und den Patenonkel besucht, aber über die Familie seines Vaters weiß er nichts. Und seine sieben Jahre dauernde Suche beginnt, sie führt ihn zu vielen Orten in Deutschland und in zahlreiche Archive.
Dort habe er teils sehr große Unterstützung und persönlichen Einsatz der Archivare erfahren, die ihn mit teils unerwartetem Material versorgt hätten. Das Haus seiner Kindheit hat er wieder besucht, und gesucht, nach einem Ort der Wärme. Doch sowohl in der Erinnerung wie in der Gegenwart fand er dort nur Kälte. Die heutigen Bewohner, mit denen er vor Ort sprach, berichteten davon, dass besonders in zwei Räumen deutliche Dissonanzen spürbar seien.
Kriegserfahrungen und NS-Vergangenheit – Die Entdeckung der Rolle des Vaters
Was er bei der Suche findet, geht manches Mal an die Substanz. Dass sein Vater bei der Leibstandarte Adolf Hitlers war, habe ihn tief getroffen. Nicht nur bei dieser Entdeckung hat der Familienforscher Tränen in den Augen. Auch das Schicksal einiger Familienangehöriger, von deren Existenz er vor seiner Forschung keine Ahnung hat, ist zutiefst bewegend.
Es gibt so viele Geschichten (einige sind noch zu erzählen), so viel Geschichte, so viel Trauriges und Verstörendes, aber auch Positives, das den Weg in das Buch gefunden, vieles fügte sich zusammen, und das war nicht immer nur Zufall, ist Hohmuth überzeugt. Verstehen könne er jetzt manches, aber nicht alles verzeihen. Man müsse die nachfolgende Generation schützen, indem gerade über das eigentlich Unsagbare, über die Schuld, gesprochen wird, damit eine Vererbungslinie unterbrochen wird.
„Die Last der unverarbeiteten Vergangenheit schien für die Eltern zu einer schweren Hypothek geworden zu sein. Sie haben uns Nachkriegskindern ihre Last einfach aufgebürdet und ließen uns damit alleine“, so Hohmuth. Sein Graben hinter verschlossenen Türen hat sich gelohnt, er hat die Antworten gefunden, die er gesucht hat. Auch wenn das für ihn und seine Familie teilweise sehr schmerzhaft war.
Mit dem Buch bricht er das Schweigen, es ist eine Befreiung und sein größter Gewinn. Das Buch hat er für sich und seine Familie geschrieben und im Selbstverlag in wenigen Exemplaren herausgegeben. Jetzt sucht er einen Verlag. Und das Werk, das nicht nur eine sehr persönliche Familiengeschichte, sondern ein Stück deutscher Geschichte ist, hat eine größere Leserschaft verdient.