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80 Prozent der Fichten verschwundenEin Blick in die Zukunft von Oberbergs Wäldern

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Der Borkenkäfer und die Trockenheit haben hier ordentlich was angerichtet.

Der Borkenkäfer und die Trockenheit haben hier ordentlich was angerichtet.

Loope – Förster Klaus Lange steht da, wo mal ein riesiger schattiger Wald war, ehe die Trockenheit und mit ihr der Borkenkäfer den Fichten den Tod brachte. Das habe er sich in den über drei Jahrzehnten im Beruf nicht vorstellen können, dass einmal so gigantische Flächen frei würden, erzählt er. Über 80 Prozent der Fichtenwälder in Oberberg sind weg. Auf 1500 Hektar betreibt die Stiftung Schloss Ehreshoven bei Loope und Engelskirchen Holzwirtschaft – jetzt glühen die weitläufigen Hänge so weit das Auge reicht in der Sonne. Doch tot sind sie nicht.

Während die letzten trockenen Käferholzstämme am Wegrand auf ihren Abtransport warten, feiern die Weidenröschen dahinter eine flimmernde Farborgie in Magentarot, setzt der Gundermann blaue Akzente, reckt sich zartviolett der Fingerhut, mit kräftigem Lila schmückt sich die Distel. „Das sind die ausgleichenden Kräfte der Natur“, sagt der Förster begeistert und umfasst mit weit ausholender Geste das ganze unwegsame blühende Dickicht, das in den vergangenen drei Jahren aus der traurigen Wüstenei der abgestorbenen Fichten gewachsen ist.

Überall summt, flattert und brummt es. „Vor einigen Jahren hat die Gemeinde Engelskirchen ein Programm zur Förderung blühender Wegränder aufgelegt, um dem Insektensterben entgegen zu wirken. Wer hätte da gedacht, dass den Insekten mal in dieser Dimension der Tisch bereitet würde“, so Lange.

Paradies für Wildbienen und Schmetterlinge

Bienen, Wildbienen, Hummeln, vor allem auch Schmetterlinge seien angewiesen auf den gesamten Blühzyklus der Pflanzen. „Hier wird ja nichts abgemäht“, meint Klaus Lange, Brombeer- und Himbeersträucher wuchern wie sie wollen, umflattert von Pfauenauge und Kleinem Fuchs, während die Disteln schon ihre Samenschirmchen für das nächste Jahr in den Wind schicken.

Was den Waldbauern schmerzliche Verluste bescherte, bietet den Bienen ein überraschendes Schlaraffenland. „Unsere Mädels haben in diesem Jahr enorm eingetragen“, schwärmt Johannes Schuster, Vorsitzender des Engelskirchener Imkervereins, der selbst in der Nähe einer abgeholzten Parzelle wohnt. „Die üppige Honigernte lässt in diesem Jahr die Imkerherzen höher schlagen“, berichtet er. Einige Vereinskollegen hätten bereits dreimal geschleudert anstatt wie sonst üblich zweimal. „Das günstige Klima, die Kleeblüte, vor allem aber die blühenden Brachflächen sorgen für außergewöhnlich viel Ertrag, umso mehr, je länger die Flächen brach liegen.“

Künftiger Wald: Birken und Lärchen

Das Bienen- und Schmetterlingsparadies bleibt allerdings nicht für immer bestehen. Denn im Interesse der Waldbauern liegt es, Bäume zu pflanzen und Holz zu produzieren. Schon wächst um Loope zwischen alten Rindenstücken, Astgewirr, Dost und Himbeersträuchern versteckt der künftige Wald heran, mit Birken als Pionierpflanzen und kleinen Lärchen aus den Samen, die im Boden schlummern. „Das Klima wird sich verändern. Daher wollten wir uns schon vor dem Borkenkäferbefall von der Fichte trennen“, informiert Förster Lange.

Über mannshoch steht daher schon ein Wäldchen aus Edelkastanien, erprobt in trockenen Regionen, und erinnert an die Kastanienhaine am Mittelmeer. „Die Bäume werden sich mit zunehmender Trockenheit verändern und tiefere Wurzeln bilden. Aber das braucht Zeit“, gibt Lange zu bedenken. Deshalb sollen nach und nach robuste Arten wie Traubeneichen und Schiffsmastakazien gepflanzt werden, Weißtannen, Küstentannen, Eiben, Vogelkirschen und Kiefern, immer in Hundertergruppen. Auch einige Fichten, die aus den Samen im Boden wachsen, dürfen in dieser gemischten Gesellschaft groß und stark werden. Die anspruchsvolle Rotbuche kommt dann erst in zehn Jahren dazu.

Was zur Zeit wuchert und wächst, bereite den Boden für den neuen Wald, erläutert der Förster. Und was wird dann aus dem blühenden Insektenparadies? Aus Weidenröschen und Gundermann? „Der Waldbauer denkt in sehr langen Zeiträumen. Wir werden hier für viele Jahre ein buntes Miteinander ganz unterschiedlicher Pflanzen haben und der neue Wald wird dann wiederum ein Lebensraum für viele andere Arten sein.“

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