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Ex-Justizminister Biesenbach blickt zurück„Ich bin eben ein bergischer Dickkopf“

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Oberberg – Peter Biesenbach macht keinen Hehl daraus: Der 74-Jährige wäre gerne NRW-Justizminister geblieben. Mit seinem Abschied endet aber auch seine lange politische Karriere. Frank Klemmer sprach mit dem Hückeswagener Rechtsanwalt über Anfänge, besondere Koalitionsgespräche und die Zeit als Minister.

Wie sind Sie eigentlich zur Politik gekommen? Und warum zur CDU?

Das ist ziemlich lange her, genauer gesagt schon 58 Jahre. Ich war ja 16, als ich in die Junge Union eingetreten bin. Das hatte damals ehrlich gesagt weniger mit politischer Programmatik zu tun als mit engagierten Persönlichkeiten. Da war zum einen der damalige Bürgermeister meiner Heimatstadt Hückeswagen, Josef Hackenbruch, und zum anderen Dr. Friedrich Weyer, ein sehr engagierter Lehrer an der Realschule. Und die waren eben alle in der CDU. Das hat mich überzeugt.

Bis Sie von diesem Start aus im Landtag im Jahr 2000 gelandet sind, vergingen fast vier Jahrzehnte. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wie kam es, dass es so lange gedauert hat?

Zunächst habe ich mich eben neben meinem beruflichen Werdegang vor allem seit 1975 in der Kommunalpolitik engagiert. Und ja, dann waren da auch die beiden Niederlagen im Kampf um das Direktmandat gegen den Sozialdemokraten Hans Kern: beim ersten Mal 1990 mit rund 8000 Stimmen Rückstand, beim zweiten Mal 1995 mit rund 2000 Stimmen. 2000 hat das dann geklappt. Und dann immer wieder, am Ende fünfmal. Dafür bin ich den Menschen im Kreisnorden und der Kreismitte sehr dankbar.

Was treibt einen an, es nach zwei Niederlagen noch einmal zu versuchen? Gab es nie einen Zweifel daran für Sie?

Ich bin eben ein bergischer Dickkopf. Man hat mich 1999 gefragt, ob ich noch mal kandidieren möchte – und ich wollte. Und ich glaube, die Oberberger haben dann auch gemerkt, dass ich das mit Herzblut mache. Jedenfalls habe ich meinen Vorsprung bei den kommenden Wahlen immer weiter ausgebaut. Das Schöne war, dass ich durch das Direktmandat auch nie abhängig war von Landeslisten. Das hat mir ein gutes Gefühl verschafft.

Zu ihrem Wahlkreis gehörte nicht nur der oberbergische Norden, sondern auch die Mitte mit der Kreisstadt Gummersbach. War das ein komplizierter Zuschnitt für den Norden und die Mitte?

Das fand ich gar nicht, für mich war es ein sehr angenehmer Zuschnitt mit sehr unterschiedlichen Menschen. Aber eben mit Menschen, die es mögen, wenn man sich für sie und ihre Sorgen interessiert. Und ich glaube, ich konnte für alle etwas erreichen mit meinem Einsatz – sei es in Radevormwald die Umgehungsstraße, in Hückeswagen die innere Umgehung und auch in Gummersbach ist viel geschehen. An manches denkt man dabei gar nicht sofort. Nehmen Sie zum Beispiel die Ansiedlung der Regionalstellen der Landesbetriebe von Wald und Holz oder Straßen.NRW: Das war keine Selbstverständlichkeit. Nicht zu vergessen das neue Amtsgericht, das ich dann später als Justizminister selbst einweihen durfte.

Wer so einen langen Weg von der Kommunalpolitik bis in die Spitzen der Landespolitik zurückgelegt hat, den darf man fragen: Für wie wahrscheinlich hätten Sie unterwegs gehalten, dass das alles mit einer schwarz-grünen Landesregierung endet?

(lacht) Na ja, viele wissen vielleicht gar nicht mehr, dass wir damals in Hückeswagen sogar ein Vorreiter dieser Entwicklung waren, mit die ersten überhaupt in ganz Deutschland. Das war schon 1989, als wir nach der Kommunalwahl mit den Grünen kooperieren und gemeinsam den Bürgermeister wählen wollten. Schlicht und einfach weil wir mit denen damals gut konnten.

Was ist passiert?

(grinst) Norbert Blüm, damals nicht nur Bundesarbeitsminister, sondern auch CDU-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, hat extra wegen uns seinen Urlaub in Tirol abgebrochen, um uns zur Räson zu bringen. Während es draußen in Strömen geregnet hat, hat er im evangelischen Gemeindezentrum drei Stunden lang auf uns eingeredet. Am Ende hieß es: „Macht doch, was Ihr wollt, aber es gibt auf keinen Fall etwas Schriftliches.“

Und? Waren Sie brav?

Klar. Manfred Vesper, der dann für uns Bürgermeister wurde, und Wolfgang Heer, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, haben es dann eben per Handschlag besiegelt – und es hat fünf Jahre lang gehalten.

Dann stellt sich eher die Frage: Warum erst jetzt im Land?

Weil es sich nicht ergeben hat. Und natürlich ist richtig, dass wir politisch eine größere Nähe zur FDP haben. Wenn es da für eine Koalition reicht, wie 2005 und 2017, dann muss man nicht über andere nachdenken. Und nach den anderen Wahlterminen lag es eben halt nicht an uns, eine Regierung zu bilden.

Sie wurden Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und standen schließlich vor allem als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zur Silvesternacht in Köln 2015 in der ersten Reihe, und damit im Fokus des öffentlichen Interesses. Wie schwer war es, sich daran zu gewöhnen?

Da wächst man im Laufe der Jahre rein. Man lernt, mit der Öffentlichkeit umzugehen.

Und wie lernt man Minister?

Ich weiß nicht, ob man das lernen kann. Ich weiß nur, was ich gemacht habe. Und wenn ich mich an dem orientiere, was ich an Rückmeldungen aus der Justiz bekommen habe – unabhängig vom Parteibuch und parteiübergreifend –, dann kann ich durchaus unbescheiden zusammenfassen: Dann muss meine Arbeit richtig gut gewesen sein.

Was war denn richtig gut?

Wenn es in NRW Erfolge bei der Kriminalitätsbekämpfung gab, dann ist das nicht nur Verdienst der Polizei, sondern auch der Justiz. Hier nur wenige Beispiele: Mit der ZAC, der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime, die wir geschaffen haben, sind wir jetzt bundesweit führend. Dazu gehört die Taskforce Kindesmissbrauch, die dort eingerichtet ist. Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir dabei ein System entwickelt haben, das computerbasiert Unmengen von Daten so schnell und so effektiv bearbeiten kann, dass es europaweit Beachtung gefunden hat. Und ohne das Engagement für die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten – kurz: ZeOS – und der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus NRW, die im Cum-Ex-Skandal aktiv ermitteln, wären weder bedeutende Clan-Verfahren noch Hawala-Banking oder die industriell betriebene Steuerhinterziehung bei Cum-Ex so weit aufgeklärt, angeklagt und teilweise bereits gerichtlich entschieden worden. Ich konnte dazu in meiner Amtszeit rund 3250 neue Stellen in der Justiz des Landes schaffen.

Ärgert es Sie, dass Ihre Amtszeit in der Öffentlichkeit trotzdem immer wieder vor allem mit dem Tod des syrischen Flüchtlings in einer Justizvollzugsanstalt in Verbindung gebracht wird?

Das kann mich nicht ärgern, denn der Bericht des Untersuchungsausschusses hat die Justiz in diesem Fall vollständig entlastet. Der Fehler, dass der falsche Mann verhaftet worden war, ist vorher passiert.

Wie fühlt es sich an, das Ende Ihrer langen politischen Karriere?

(schmunzelt) Es ist tatsächlich noch etwas schwierig, sich an die Ruhe zu gewöhnen. Vor allem, weil ich ja nicht damit gerechnet hatte. Ich durfte nach den Signalen, die ich bekommen habe, bis zuletzt hoffen, Justizminister bleiben zu können. Andererseits bin ich ja auch rechtspolitisch nicht aus der Welt. Ich bleibe als Ehrenvorsitzender des Landesarbeitskreises Christdemokratischer Juristen und als Mitglied des Bundesvorstandes aktiv. Zudem möchte ich mich gerne im Verein Finanzwende engagieren, der 2018 von einem ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Gerhard Schick, als überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby gegründet worden ist.

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