Schon wieder kein NachfolgerGummersbach verliert in vier Jahren acht Hausarztpraxen

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Das Sterben von Hausarztpraxen ist auch in Gummersbach ein großes Thema. Für immer mehr Betriebe fehlen Nachfolger.

Das Sterben von Hausarztpraxen ist auch in Gummersbach ein großes Thema. Für immer mehr Betriebe fehlen Nachfolger.

Dieringhausen – Das Sterben der Hausarztpraxen im ländlichen Raum geht weiter. Jüngstes Beispiel ist die Praxis des Allgemeinmediziners Siegfried Krüll (67), der seinen Betrieb am 5. März endgültig geschlossen hat, wie er auf Nachfrage dieser Zeitung berichtet. Und ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin ist nicht in Sicht. Dabei gehört der Aggerraum rund um Dieringhausen neben der Gummersbacher Innenstadt, Derschlag und Bernberg zu den Siedlungsschwerpunkten der Kreisstadt.

Drei Jahre lang habe er sich um einen Nachfolger bemüht, sagt Krüll. Leider ohne Erfolg, wie er ein wenig resigniert resümiert. 18 Jahre hat er in Dieringhausen gearbeitet. Damals, so erinnert sich der Mediziner gerne, habe es insgesamt sieben Arztpraxen in Dieringhausen gegeben. Jetzt, da er aufgehört habe, seien das hausärztliche Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in der Marie-Juchacz-Straße und die Praxis Leinweber (ehemals Drechsler) in der Schulstraße geblieben.

Junge Mediziner scheuen eigene Praxis

Die Vorbehalte junger Mediziner, die aus Sorge um das wirtschaftliche Risiko den Entschluss für einen eigene Praxis scheuten, kann Krüll nicht nachvollziehen. Ja, auch er habe anfangs diese Sorge gehabt, doch sei diese, wie die letzten knapp 20 Jahre gezeigt hätten, unbegründet gewesen.

Verständnis hat er hingegen für die vor allem älteren Patienten, die nur ungern in ein MVZ gingen, weil sie dort mit ständig wechselnden Ansprechpartnern zu tun hätten. „Die Patienten wollen einen einzigen Ansprechpartner“, weiß der Arzt.

Weitere Etablierung der MVZ politischer Wille?

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV), so ist der Eindruck von Siegfried Krüll, „sieht kein Problem, wenn sie nach Oberberg schaut“. Sein langjähriger Kollege Christoph Drechsler aus der Schulstraße vermutet sogar, dass die weitere Etablierung der MVZ politischer Wille sei. Dem widerspricht Christopher Schneider, der stellvertretende Pressesprecher KV Nordrhein: „Wir hoffen, dass jeder freigewordene Sitz seinen Abnehmer findet“, betont er. Eine Förderung oder Priorisierung der MVZ gebe es nicht.

Richtig sei, dass allein in Gummersbach aktuell 3,5 Sitze vakant seien, sagt Schneider. „Junge Ärzte haben die Wahl zwischen den ländlichen Regionen und dem Speckgürtel der Großstädte Köln, Düsseldorf oder Bonn.“ Vielfach falle die Wahl auf eine Praxis in oder in der Nähe der Metropolen. Dabei gehöre auch Gummersbach zu den Förderregionen der KV. Wer sich im ländlichen Raum niederlasse, bekomme bis zu 70 000 Euro KV-Unterstützung.

Viele Patienten müssen abgewiesen werden

Mit Blick auf das Angebot der MVZ und der Skepsis der Patienten sagt er, dass diese Form der medizinischen Versorgung den Bedürfnissen vieler Ärzte, nicht selbstständig arbeiten zu wollen, entgegen komme. Und dabei gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung sicherstelle.

In Dieringhausen stünden „jetzt viele, besonders ältere Patienten der Praxis Krüll auf der Suche nach einer Arztpraxis in der näheren und weiteren Umgebung, die sie aufnimmt, vor der Tür“, sagt Drechsler. Viele müssten leider abgewiesen werden. 25 Jahre Budgetierung ärztlicher Leistungen, Arzneimittelregresse, eine strikte Mengenbegrenzung mit Fallzahlabstaffelung hätten dazu geführt, dass Arztpraxen, die ja auch betriebswirtschaftlich arbeiten müssten, schon seit langem nicht mehr die früher übliche Anzahl von Fällen hätten, sagt Drechsler. Es sei denn, man arbeite umsonst. Hinzu komme, dass die Arbeitsbedingungen in den Arztpraxen immer unattraktiver geworden seien.

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Für Dr. Ralph Krolewski, Vorsitzender des Hausärzteverbandes, war die Entwicklung im Aggerraum zwischen Dieringhausen und Derschlag „absehbar“. In den vergangenen vier Jahren hätten im Raum Gummersbach acht Kolleginnen und Kollegen ihre Praxen ohne Nachfolger aufgegeben. 10 000 Patienten seien auf die anderen Praxen verteilt worden. „Doch jetzt haben wir das Ende der Fahnenstange erreicht.“

Bereits vor zwei Jahren habe er Bürgermeister Frank Helmenstein auf das Problem aufmerksam gemacht und dort vorgetragen. Doch erkennbare Aktivitäten habe er seitdem in der Kreisstadt nicht verspürt. Dabei könnten Kommunen analog zu ihren Stadtwerken auch eigene, medizinische Versorgungszentren gründen. Ein Projekt, das beim Hausärzteverband schon länger Thema ist. Krolewski, betont, dass es jetzt darum gehe, dass alle, also Kreis, Kommunen und die Ärzteschaft, an einem Strang ziehen.

Bürgermeister Helmenstein widerspricht Krolewski

Bürgermeister Frank Helmenstein widerspricht derweil der Darstellung von Krolewski, nichts unternommen zu haben. So habe er sich um die Nachbesetzung eines vakanten Hausarztsitzes bemüht. „Doch am Ende ist es an den Abstandsforderungen des ausscheidenden Mediziners gescheitert“, sagt Frank Helmenstein. In diesem Moment sei er am Ende seiner Möglichkeiten gewesen.

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