Im Gummersbacher Brauhaus von Andreas Linneboden und in der benachbarten Glühweinbunde von Timo Bay hielt sich beim ersten Spiel der DFB-Auswahl die Zahl der Zuschauer absolut in Grenzen. Und die Skepsis war auch nicht zu überhören.
Fußball-WMStart der deutschen Mannschaft läuft in Gummersbach mit angezogener Handbremse

Zu früh gefreut: Das Tor war Abseits und das Spiel am Ende verloren – obwohl Uli Lorenzen (l.) und Thomas Friedrich im Trikot angetreten waren.
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Sein japanischer Kollege habe viel mehr Ahnung von Fußball, versichert Götz Ander (49). Für den Geschäftsführer der Firma MSSC Ahle ist die Mittagspause im Brauhaus ein Team-Building im ganz kleinen Kreis. Das Auftaktspiel der Deutschen gegen Japan verfolgt er zusammen mit Teruhisa Hanamura (59), der wie er selbst bei der Tochter des japanischen Mitsubishi-Konzerns in Lindlar-Oberleppe beschäftigt ist – und am Ende mehr Grund zur Fußballeuphorie haben wird. Doch unter den deutschen Fans in den Gummersbacher Kneipen, die das Spiel übertragen, ist schon zu Beginn des Spiels wenig Begeisterung zu verspüren.
Ganze zwei Gäste in der VfL-Sportsbar
In der VfL-Sportsbar „1861“ ist alles für die WM geschmückt, Wirt Norman Becker hat aber nur zwei Gäste. Einer der beiden heißt Thomas Menzel (67) und sagt, was man an diesem Nachmittag immer wieder hören wird: „Katar hätte von den großen Fußballnationen früher verhindert werden müssen.“ Nun, da die WM nun mal stattfindet, will er sie sich auch anschauen. Der Derschlager Stefan Witt (56) war als Spieler und Trainer selbst eine lokale Größe, seine Fußballleidenschaft hat ihn in der Mittagspause in die Gummersbacher Glühweinhütte geführt.
Aber auch Witt guckt diese WM nur „mit angezogener Handbremse“, schon wegen der Jahreszeit. „Das ist eine Katastrophe, vor Weihnachten hat man andere Dinge im Kopf.“ Er hätte es befürwortet, wenn die europäischen Mannschaften spätestens dann nach Hause gefahren wären, als das Bindenverbot kam. Auch diese Meinung hört man öfter. Den Spielern macht Witt keinen Vorwurf. „Wer im Fernsehsessel sitzt, hat leicht reden.“ Johannes Auweiler (36) sitzt gegenüber und nickt: „Die Profis können nichts dafür.“ Auch ihn nervt vor allem die unpassende Witterung: „Ich habe kein Trikot, das groß genug wäre, das man es über der Winterjacke tragen kann.“
Begeisterung will keine aufkommen
Kurt Dreschmann (62) verfolgt das Spiel ein paar Reihen weiter und kann sich in der ersten Halbzeit noch vorstellen, dass die Stimmung an Fahrt aufnimmt, wenn die deutsche Elf in der Hauptrunde kommen sollte. „Es gibt genug Fußballfans in Deutschland.“ Einige von diesen sitzen im gut geheizten Brauhaus und trinken Bier statt Glühwein.
Der Marienheider Karl-Heinz Bliem (67) blendet die Politik aus: „Warum soll ich mir als Rentner das einzige Vergnügen nehmen lassen, das ich noch habe?“ Aber auch bei ihm ist die Begeisterung arg gebremst und die Empörung groß. „Wenn die WM vorbei ist, würde ich eine Petition unterschreiben, dass die europäischen Verbände aus der korrupten Fifa austreten.“
Reichlich freie Plätze im Gummersbacher Brauhaus
Auch im Brauhaus gibt es noch reichlich freie Plätze und kaum Zuschauer unter 65 Jahren. Der Oberbantenberger Uli Lorenzen (56) und Freund Thomas Friedrich (54) aus Rospe aber haben sich einen Tag Urlaub genommen und ihre Nationaltrikots angelegt. „Wenn WM ist, muss man auch gucken“, ist Lorenzens Überzeugung. „Die Fehlentscheidungen sind früher gefallen. Ich halte nichts davon, dass Spieler und Fans jetzt unter einem Boykott leiden sollen.“ Er würde sich freuen, wenn die europäischen Verbände nach der WM ihren Einfluss gelten machen und ein weiteres Winterdebakel verhindern. „Damit die nächste WM nicht in China oder in Alaska ausgetragen wird.“