Aus drei Jahren wurden 15Gummersbacher baut sich ein Leben in Neuseeland auf

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Der gebürtige Gummersbacher Dr. Jörg Finsterwalder (51) bewarb sich auf eine Stelle in Neuseeland, ohne das Land richtig zu kennen – eine goldrichtige Entscheidung, wie sich herausstellte.

Der gebürtige Gummersbacher Dr. Jörg Finsterwalder (51) bewarb sich auf eine Stelle in Neuseeland, ohne das Land richtig zu kennen – eine goldrichtige Entscheidung, wie sich herausstellte.

Gummersbach/Christchurch – Wenn sich Dr. Jörg Finsterwalder per Zoom oder WhatsApp mit einem munteren „Mōrena!“ bei seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von der Sparkasse meldet, dann sitzen diese vielleicht gerade beim Frühstück, während er in den Feierabend geht. Zehn Stunden Zeitverschiebung und 20.000 Kilometer liegen zwischen Gummersbach und seiner neuen Heimat Neuseeland. Der Gruß in „Te Reo Māori“, der Sprache der indigenen Bevölkerung, gehört für den Associate Professor, der Marketing an der Canterbury University in Christchurch lehrt, zum Alltag.

Erweiterung des Horizonts

Im Jahr 2005 ist er ausgewandert in die zweitgrößte Stadt Neuseelands. „Das Reisen, die Erweiterung des Horizonts, das ist wichtig“, sagt er. Das versuche er auch seinen Studentinnen und Studenten zu vermitteln, spricht er doch aus eigener Erfahrung.

Geboren und aufgewachsen ist der 51-Jährige in Gummersbach. Nach dem Abitur und einer Ausbildung zum Bankkaufmann ging er anlässlich seines Zivildienstes für 17 Monate als persönlicher Assistent des Abts einer Benediktinerabtei nach Israel, studierte Wirtschaftswissenschaften in Bayern.

Nach seiner Promotion in der Schweiz arbeitete er einige Jahre bei der Audi AG im Marketing. Dann bewarb er sich auf die Stelle in Neuseeland, einem Land, das er bis dahin nicht kannte. „Ich wollte mich verändern, wollte nicht in Europa bleiben, es war ein Zeitpunkt, da dachte ich: Jetzt oder nie!“

Aus drei wurden 15

Drei Jahre wollte er eigentlich bleiben, inzwischen sind 15 daraus geworden. Auch die Erdbeben 2010/11 oder der Terroranschlag vor zwei Jahren haben ihn nicht zum Umdenken gebracht.

Was ihm gefällt? Der lockere Umgang miteinander, der auch dank der englischen Sprache gepflegt wird, die kein formales „Sie“ kennt . Oder die Natur mit Stränden, Gletschern, Fjorden, üppigem tropischen Regenwald: „Da glaubt man, jeden Augenblick müsste ein Dinosaurier um die Ecke kommen.“ Und all das sei innerhalb weniger Stunden erreichbar. Er mag, dass die Kollegen „aus aller Herren Länder“ kommen, von den Philippinen, aus Indien, China, Australien, Mauritius, den USA, „dazu ein paar Kiwis“. So nennen sich die Neuseeländer selbst nach dem originellen Vogel, ihrem Nationalsymbol.

Ob Jörg Finsterwalder inzwischen ein Kiwi ist? „Nein, ich bleibe Deutscher. Der deutsche Pass schlägt den neuseeländischen um Längen“, schmunzelt er. Aber das sei nicht alles. Seine Wohnungseinrichtung hat er im Container mitgenommen, als er ausgewandert ist, mit etlichen Erinnerungsstücken.

„Seit ich im Ausland lebe, pflege ich die deutsche Kultur mehr als je zuvor“, sagt er . Einmal im Monat besucht er den deutschen Klub, der jährlich ein kleines Oktoberfest organisiert. Und kürzlich erst hat er im Internet eine alte deutsche Brotschneidemaschine mit Handkurbel ersteigert, „genau so eine, wie wir früher zu Hause in Gummersbach hatten!“

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Auch der Kontakt in seine Heimatstadt ist nie abgerissen: Ein bis zwei Mal im Jahr hat er zusammen mit seiner australischen Frau seine Familie und Freunde in Gummersbach besucht, meist in Verbindung mit einer seiner vielen beruflichen Reisen. „Immerhin braucht man 35 Stunden von Haustür zu Haustür“, sagt er lächelnd.

Diese Besuche müssen zurzeit coronabedingt ausfallen. „In Neuseeland bin ich im Moment so sicher wie sonst nirgends auf der Welt“, sagt Finsterwalder, „fast keine Coronafälle, ein Leben ohne Mundschutz mit Freiheiten, von denen Menschen in Deutschland momentan nur träumen können.“ Ein Land ohne Touristen, das er mit seiner Frau in aller Ruhe bereisen kann, „mit viel Zeit zum Verwurzeln“.

Aber er bleibe Migrant, sagt er, „so wie alle hier“, und dazu zählten selbst die Māori.

„Ngā mihi nui“, verabschiedet sich Jörg Finsterwalder am Bildschirm, sicher, dass er wieder nach Oberberg zu Besuch kommen wird. Nach Corona.

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