Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Lebendiges OberbergDer Löwenzahn ist eine hartnäckige Pflanze mit Herz

Lesezeit 3 Minuten
Eine Löwenzahnpflanze blüht zwischen Pflastersteinen.

Löwenzahn ist essbar und zigmal mineralstoffreicher als ein Kopfsalat aus dem Supermarkt.

Mit Unterstützung der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind.

Ob Bäume, Sträucher und Stauden – alle Samenpflanzen bestehen aus den drei Grundorganen Wurzel, Sprossachse und Blatt. Das ist erst einmal alles, was eine komplette Pflanze auszeichnet. Was noch dazukommen kann, sind die Blüte – und damit auch die heranreifende Frucht – die der Sprossachse zugeordnet ist, Stacheln, die lediglich umgewandelte Blätter sind, und Knollen als Teile der Wurzel oder der Sprossachse.

Im Übergang zwischen Spross und Wurzel befindet sich sozusagen das Herz der Pflanze, das Hypokotyl. Dieser erstaunlich unterbewertete Abschnitt ist der erste Teil einer Pflanze, der aus dem Samen sprießt und später den untersten Teil der Sprossachse bildet, der in den Wurzelhals übergeht. Wenn eine Pflanze durchtrennt wird, überlebt in der Regel nur der Teil mit dem Hypokotyl (obwohl einige Pflanzen aus anderen Sprossteilen ebenfalls wieder Wurzeln treiben können).

Radieschen sind meist fester Bestandteil von Gemüsekisten

Generell kann jedoch bis zu einem gewissen Grad an der Wurzel jeder Samenpflanze herumgeknabbert werden oder Spross und Blätter abgeschnitten werden, zum Teil sogar sehr radikal. Sind Hypokotyl und Wurzelhals noch verbunden, schafft die Pflanze in den meisten Fällen mit Glück oder ein bisschen Pflege einen Neuanfang. Ein kultivierter Vertreter aus dem Reich der Botanik, der ein besonders ausgeprägtes und schmackhaftes Hypokotyl trägt, nämlich eine Hypokotylknolle, ist übrigens das Radieschen (Raphanus sativus var. sativus).

Diese senfölglucosidhaltige Varietät des Garten-Rettichs ist eine der ersten frisch geernteten Gemüsesorten, die das Prädikat regional und saisonal tragen dürfen. Und Radieschen sind meist fester Bestandteil der Gemüsekisten von Direktvermarktern aus dem Bergischen Land, wie dem Hofkollektiv Gut Kremershof (Wipperfürth/Hückeswagen), dem Hof Hörnen (Kürten) oder der Solawi Oberberg (Wiehl/Waldbröl).

Eine heimische Wildpflanze, die im Kontext der heimischen Vegetation vielleicht genauso unterschätzt wird wie das Hypokotyl als Teil der Pflanze, ist der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia; früher Taraxacum officinale). Auch bei dieser Pflanze lässt sich das Hypokotyl zwischen der Pfahlwurzel und dem hohlen Stängel beziehungsweise Spross, um den sich die Blattrosette reiht, sehr gut identifizieren.

Löwenzahn ist essbar und zigmal mineralstoffreicher als ein Kopfsalat

Die Art aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae) kommt wahrscheinlich auf jeder Fettwiese und Fettweide des Bergischen Landes vor. Sie ist so ordinär, dass die Biologischen Stationen Oberberg und Rhein-Berg sie in der 2018 erschienenen und immer noch erhältlichen Broschüre „Wiesen und Weiden im Bergischen Land“ gar nicht erst gesondert aufgeführt haben.

Aber, wo wir gerade noch beim Radieschen waren: Auch Löwenzahn ist essbar und natürlich zigmal mineralstoffreicher als ein Kopfsalat aus dem Supermarkt. Die Salat-Spezialität „Gebleichter Löwenzahn“ ist zudem nicht so bitter wie wildwachsende Exemplare. Und wie bei der verwandten Wegwarte (Cichorium intybus), die gebleicht als Chicorée auf den Markt kommt, kann auch die getrocknete Löwenzahnwurzel als Kaffee-Ersatz herhalten. Aus den gelben Blüten kann man veganen Honigersatz herstellen.

Nach der Blüte bildet der Löwenzahn eine sogenannte Pusteblume. Die haarigen Flugschirme (Pappusse) trägt der Wind oder ein kräftiger Atemstoß davon. Dann landen die Samen irgendwo und versuchen im nächsten Jahr ihr Glück, in der Regel im Grünland zwischen Gras und Ampfer. Manchmal aber auch an den unmöglichsten Orten. Landet sie zufällig beim Bau einer Verkehrsfläche in der Frostschutzschicht, versucht sie hartnäckig, mit dem Hypokotyl durch die Fahrbahn hindurchzubrechen.

Man kann den Samen dieser stoisch wachsenden Pflanze mit Teer überdecken. Man kann den gesamten oberirdischen Teil also Spross und Blattrosette abscheiden oder den Großteil der nahrhaften Pfahlwurzel entfernen – den Löwenzahn wird das allein nicht umbringen. Dieses bemerkenswert beharrliche Wachstum ist uns aus dem ehemaligen Vorspann der gleichnamigen Kindersendung bekannt. Ein beliebter Glückwunsch besagt nicht denn auch: „Wenn es ein Löwenzahn durch den Asphalt schafft, dann wirst Du ganz sicher auch deinen Weg finden.“