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Zurück in MarienheideYoutube-Star filmt skurrile Ausreise aus dem Shanghai-Lockdown

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Der Marienheider Thomas Derksen am Flughafen in Shanghai 

Marienheide/Shanghai – Thomas Derksen ist zurück in Marienheide. Nach zweieinhalb Jahren, die er auch coronabedingt ununterbrochen in China verbracht hat, kann der 33 Jahre alte Video-Blogger, der mit seiner Frau in Shanghai lebt und dort vor mehr als sechs Jahren mit seinen kleinen Filmen über seine chinesische Familie bekannt geworden ist, endlich wieder seine Eltern in Oberberg besuchen.

Dabei bekam Derksen, der inzwischen auch zwei Bücher über die seltsamen Besonderheiten seiner deutsch-chinesischen Partnerschaft mit Familienanschluss geschrieben hat, fernab in China seit einem ersten kleineren Corona-Lockdown früh im Jahr 2020 von der Pandemie und ihren Folgen zunächst kaum etwas mit. „In China konnten wir uns mit nur ein paar Einschränkungen ziemlich frei bewegen und viel reisen.“

Harter Lockdown traf Shanghai im März

Doch dann kam der März 2022 – und ein richtig harter, monatelanger Lockdown, der vor allem Derksens Wahlheimat Shanghai betraf. „Wir durften nicht mehr vor die Türe gehen – außer für einen PCR-Test“, erzählt er. Den wiederum habe man drei- bis viermal die Woche machen müssen. „Die Portiers, die es in den großen Wohngebäuden in Shanghai auch sonst immer gibt, haben das streng überwacht.“ Während also in Deutschland schon Lockerung um Lockerung in Kraft trat, erlebte Derksen nun Pandemie pur. Er schmunzelt und sagt: „Da dachten wir auch: So bekommt jeder sein Stück ab.“

Das Problem: Eigentlich wollte er zurück nach Deutschland. Genauer gesagt nach Marienheide, um den 70. Geburtstag seines Vaters zu feiern. „Das Ticket hatte ich schon ein halbes Jahr vorher gebucht.“ Ursprünglich für April, wegen des Lockdowns habe er aber auf Mai umgebucht. Dann, da war Thomas Derksen sicher, werde das schon alles wieder vorbei sein in Shanghai.

Mit Erfolg Erlebnisse auf Video festgehalten

Aber nichts war vorbei. Und so bedurfte es einigen Aufwandes, um die chinesischen Millionenstadt verlassen zu können. „Zunächst musste ich zum Nachbarschaftskomitee“, berichtet Derksen. Das war für die zwei Ausnahmegenehmigungen zuständig: eine für den Tag, an dem er einen internationalen PCR-Test machen konnte, den er für die Ausreise benötigte, einen für den Tag des Fluges selbst. Und dann musste er ja auch noch zum Flughafen. Gar nicht so einfach in einer Stadt, in der keine Taxis, kaum Autos und keine U-Bahnen fahren. Derksen lacht: „Am Ende haben wir uns einen Lieferwagenfahrer organisiert, der Lebensmittel transportiert und deshalb eine Ausnahmegenehmigung hatte.“

Derksen wäre nicht Derksen, wenn das alles nicht auf einem Video festgehalten hätte – und natürlich mit Erfolg. Schon mehr als eine Million Mal wurde der Film (auf Chinesisch, aber auch mit englischen Untertiteln) allein über Youtube geklickt, mehrere Millionen Mal sogar auf Derksens chinesischen Plattformen. Skurriles ist da zu sehen ist: der Weg durch eine ausgestorbene Millionenstadt, in der sonst Verkehr und Leben pulsiert. Auch am Flughafen: „Mehrere hundert Flüge gehen dort normalerweise jeden Tag ab. An jenem Tag waren es gerade mal drei: einer nach Hongkong, einer nach Amsterdam und meiner nach Frankfurt.“

Gestrandet: Mann lebt 18 Tage lang am Flughafen

Noch skurriler ist die Geschichte eines Mannes, dem er begegnet: Weil alle innerchinesischen Flüge gestrichen worden waren, lebte der seit 18 Tagen am Airport und kam nicht mehr weg. „Weil ich wusste, dass es solche Menschen gibt, hatten meine Frau und ich extra Proviant eingepackt“, schildert Derksen. Der Mann war unendlich dankbar.

Für Derksen ging die Reise weiter: Ähnlich erfolgreich wie der Film vom Weg zum Flug ist auch der von seiner Ankunft in Marienheide, dort überrascht er seine Eltern und seine Familie – nicht nur nach zweieinhalb Jahren, sondern auch um 60 Kilogramm leichter. Derksen lacht: „Selbst Leute, die ich von früher noch gut kannte, haben mich auf der Straße zwar zurückgegrüßt. Aber ich habe es genau gesehen: Erkannt haben sie mich nicht.“

E-Commerce in Deutschland vorantreiben

Inzwischen, nachdem der Lockdown in Shanghai gelockert wurde, ist seine Frau nachgereist. „Nachdem wir so lange nicht hier waren, habe ich eine Menge zu tun“, erklärt Derksen. Im ganzen Land ist er unterwegs, vor allem bei Workshops. Ein Thema für ihn wie in dem Business-Podcast, den er mit einem Deutschen, der als Unternehmer in Shanghai arbeitet, betreibt: E-Commerce. „Da ist China viel weiter. Vieles wird herüberschwappen“, ist Derksen überzeugt. Genau dafür interessierten sich viele deutsche Firmen.

Doch ganz zu ernst will der Marienheider auch nicht werden. Ja, auch er spüre die veränderte Weltlage, die anschwellende Diskussion um die Zukunft von Taiwan, aber auch die allgemeine Wut im Netz. „Ich sehe das auf meinen chinesischen Plattformen, wie sich die Menschen in den Kommentarfeldern über alles Mögliche streiten.“ Kommentieren will er es nicht. Lieber nimmt er mit Humor, was er mit Humor nehmen kann. Damit sei er bisher gut gefahren. „Sechseinhalb Jahre im Social-Media-Geschäft ist in Deutschland schon lang. In China ist es eine Ewigkeit.“ Und Thomas Derksen möchte weitermachen.

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