Der Zirkus Alexis zeigt Akrobatik und Clownerie in der achten Generation. Das Gastspiel in Nümbrecht war ein Reinfall.
Tradition in der KriseFamilienzirkus fand in Nümbrecht kein Publikum

Vor dem Zirkuszelt auf einer Wiese in Nümbrecht stehen Cindy Mayer (l.) und Sarah Alexis.
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Das Vier-Masten-Zelt ist schon von weitem zu erkennen. Im Halbkreis darum stehen Lastwagen, Wohnmobile und Wohnanhänger. Hinter dem Zelt grasen ein Pony, Lama und Vierhornschafe. Derweil ist die Familie Alexis mit ihrem gleichnamigen Zirkus aus dem Westerwald dabei, sich noch knapp 45 Minuten vor Beginn der 16-Uhr-Vorstellung bereitzumachen, um das Publikum mit Akrobatik, Clownerie, Jonglage und feuerspuckend zum Staunen zu bringen.
Doch von diesem Publikum ist noch nichts zu sehen. Stellvertretend für die neunköpfige Zirkusfamilie berichtet Schwiegertochter Cindy Meyer, dass dies nicht das erste Wochenende in Nümbrecht ist, an dem die Gäste ausbleiben. „Wir haben mit dem hiesigen Bauern besprochen, dass wir am vergangenen und diesem Wochenende unser Zelt auf seiner Wiese aufschlagen dürfen. Am vergangenen Wochenende war unsere Arbeit leider völlig umsonst. Kein einziger Besucher kam in unsere Vorstellung.“
Vier Reservierungen für den Sonntag in Nümbrecht
Zum Bedauern der Familie, die den Zirkus in achter Generation führt, sollte sich daran auch am vergangenen Wochenende kaum etwas ändern. „Freitag hatten wir eine Mutter mit ihrem Kind hier, für den heutigen Samstag stehen die Zahlen noch in den Sternen, und für Sonntag haben wir bislang eine Reservierung von vier Karten“, sagt die 32-jährige Mutter von vier Kindern. „Aber noch wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben.“
Es kommt heute so gut wie nicht mehr vor, dass wirklich die ganze Familie, also Eltern, Großeltern und Kinder, gemeinsam den Zirkus besucht.
Am Montag geht es weiter zum nächsten Standort. Zwar sei ein Teil des Teams bereits mit ihren Wagen vorgefahren, um schon mal alles vorzubereiten, doch auch mit den verbleibenden Familienmitgliedern würden sie gerne das Publikum in Nümbrecht begeistern. Um besonders die neun bis 13 Jahre alten Zuschauer anzulocken, haben sich die Zirkusleute riesige Verstärkung geholt. Drei Meter große, aufgepumpte Figuren wie Schneemann Olaf, die Disney-Figur Stitch und ein Transformer sind aktuell die Highlights im Zirkus Alexis. „Wir haben überall Plakate verteilt, auf denen wir die Figuren abgedruckt haben. Aber leider zeigt das keine Wirkung.“
„Wir haben in der Hinsicht alles versucht“, klagt Cindy Meyer. Auch die Idee eines Zuschauers, diejenigen mit Gutscheinen zu belohnen, die mit dem Fahrrad statt dem Auto anreisen, trug keine Früchte.
Limburg ist eine sichere Bank
Wie ein Zirkus bei der Bevölkerung ankommt, sei völlig unterschiedlich, sagt die 32-Jährige. Auch andernorts mussten sie ihre Zelte schon mangels Besucher abbrechen. An anderen Tagen benötigten sie neben den Stühlen die Tribünen, damit rund 300 große und kleine Zirkusfans Platz finden. „Wir sind nicht der einzige Zirkus, der Probleme hat. Aber es gibt auch Zirkusse, da braucht es nicht mal großartig Werbung, um die Tickets loszuwerden“, weiß Meyer.
„Wir können definitiv nicht für andere Zirkusse sprechen, aber allein in diesem Jahr hatten wir schon viele Tage, an denen wir quasi für umsonst gearbeitet haben. Die laufenden Kosten müssen ja getragen werden, wie Versicherungen, das Tierfutter, die Tierarztkosten, die Pacht für die Stellplätze, dann noch Werbung durch Flyer und einiges mehr“, zählt sie auf. Daher sei es ein Glücksgriff, dass die Familie seit einigen Jahren in Limburg eine Weihnachtsschau auf die Beine stellt. „Ohne diese Einnahmequelle sähe es tatsächlich schlecht aus. Damit können wir viele Dinge für das laufende Jahr im Voraus zahlen.“
Auf die Frage, warum es immer weniger Menschen in den Zirkus lockt, sagt Cindy Meyer, dass vor allem die Kinder durch die Sozialen Medien so viel Ablenkung in ihrem Alltag haben, dass sie gar nicht mehr die eigenen vier Wände verlassen wollen. Aber nicht nur die Kinder: „Es kommt heute so gut wie nicht mehr vor, dass wirklich die ganze Familie, also Eltern, Großeltern und Kinder, gemeinsam den Zirkus besucht“, sagt Cindy Meyer. „Entweder es ist nur ein Elternteil mit den Sprösslingen oder auch nur die Oma oder Opa mit den Enkelkindern.“ Der Rest der Familie hat anderes vor. „Das ist wirklich schade. Früher war es eben ein richtiges Familienevent.“
Cindy Meyer will nicht den Kopf in den Sand stecken. Sie und ihr Mann hoffen, dass ihre Kinder den Zirkus in der neunten Generation fortführen. Es ist eben nicht irgendein Beruf. „Was in zehn oder 15 Jahren ist, wissen wir natürlich nicht. Aber es steckt hier so viel Herzblut drin. Wir leben alle für das, was wir tun.“