Tierischer UntermieterImmer häufiger werden Waschbären im Oberbergischen gesichtet

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Das putzige Raubtier mit der Zorromaske ist eine invasive Art, seine Bejagung aber nicht einfach.

Das putzige Raubtier mit der Zorromaske ist eine invasive Art, seine Bejagung aber nicht einfach.

Oberberg – Der Anruf kam aus Dieringhausen: „Hier sitzen drei junge Waschbären rund um unsere Mülltonne und gehen einfach nicht weg!“ In letzter Zeit häufen sich solche und ähnliche Hilferufe bei Uwe Hoffmann in der Nabu-Geschäftsstelle in Wiehl. „Früher ging es meistens um Marder auf dem Dachboden oder im Carport, wenn Leute Rat suchten, inzwischen ist es häufig der Waschbär, der sich bei ihnen einquartiert hat.“

Der hübsche Kerl mit dem dreifarbigen Fell und der Zorromaske im Gesicht kann nämlich als Untermieter in Haus und Garten ganz schön lästig werden. „Als Kulturfolger und Allesfresser plündert er gern Mülltonnen. Manche Leute füttern ihn auch. Dann müssen die Tiere am Ende das Fehlverhalten der Menschen ausbaden.“ Denn so putzig er ist – an dem Einwanderer aus Nordamerika mit den geschickten Pfoten, der kleine Wassertiere, aber auch Nüsse, Obst und Essensreste frisst, scheiden sich die Geister. Fest steht, dass er sich in Oberberg mit den vielen großen und kleinen Wasserläufen ausgesprochen wohl zu fühlen scheint und dass er hier keine natürlichen Feinde hat. Und dass er sich vermehrt.

Der Bestand wächst

Ein Indiz dafür ist die sogenannte „Strecke“, die Anzahl der in einem Jahr getöteten Wildtiere, sei es durch Jäger, aber beispielsweise auch durch einen Autounfall. Die Kreisjägerschaft führt darüber Listen, so der Vorsitzende Manfred Kind. „Im Jahr 2005 wurde kein Waschbär verzeichnet, im Jahr 2011 waren es schon zehn, drei Jahre später 20, und in diesem Jahr bisher 95.“ Ein rasanter Anstieg, wobei „100 getötete Tiere absolut gesehen noch nicht viel ist verglichen mit anderem Wild“, schränkt Kind ein.

Jäger Nils Felder weiß, dass sich der Waschbär im Oberbergischen mit seinen vielen kleinen und großen Wasserläufen wohl fühlt und vermehrt.

Jäger Nils Felder weiß, dass sich der Waschbär im Oberbergischen mit seinen vielen kleinen und großen Wasserläufen wohl fühlt und vermehrt.

Schwer zu sagen, wie groß die Population tatsächlich ist, denn Waschbären sind nachts unterwegs, schlafen tagsüber und sind im Winter weniger aktiv. Kreisjagdberater Baldur Neubauer hat sie an der Wiehltalsperre und im Steinaggertal entdeckt, Christine Meyer-Cords vom Nabu-Vorstand weiß von Beobachtungen an der Bröl und an den Ellinger Teichen in Morsbach. Am Wasser fühlen sie sich wohl, erklärt Nils Felder.

Deutsche Jagdverband fordert stärkere Bejagung

Der Jäger aus Wipperfürth hat sein Revier an der Nordgrenze des Kreises. Dreimal habe die Wildkamera dort aufgezeichnet, wie ein Waschbär das Nest der seltenen Schwarzstörche geplündert habe, erzählt der Marderbeauftragte, bis schließlich eine Manschette rund um den Baum den Eierdieb am Aufstieg hinderte. Seine Vorliebe für Vogelnester ist ein Grund, warum der Deutsche Jagdverband eine stärkere Bejagung der Waschbären fordert. Außerdem stehen sie zusammen mit Marderhund und Mink auf der EU-Liste der invasiven und damit einzudämmenden Arten.

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Das ist aber nicht so einfach, erklärt Kreisjagdberater Neubauer. Die Ausnahmegenehmigung der Unteren Jagdbehörde in sogenannten befriedeten Gebieten wie etwa Siedlungen gelte nur für Marder, nicht für Waschbären. Die dürfen dort nur innerhalb der Jagdzeit mit Lebendfallen gefangen werden, und die muss der Jäger zweimal täglich kontrollieren oder mit einem Handyalarm koppeln. „Das können eigentlich nur Rentner leisten, die den ganzen Tag zu Hause sind.“ Die Fangjagd spiele in Oberberg keine große Rolle, bestätigt der Kreisjägerschaftsvorsitzende Kind. Eher würden Waschbären mal im Wald an den Futterplätzen von Wildschweinen geschossen.

„Man kann die Entwicklung nicht zurückdrehen“

Christine Meyer-Cord vom Nabu steht der verstärkten Jagd auf Waschbären, die in den 1930er Jahren in Hessen ausgesetzt wurden und sich von dort aus verbreiteten, eher skeptisch gegenüber. „Man kann die Entwicklung nicht zurückdrehen und muss die gesamten ökologischen Zusammenhänge betrachten.“ Sinnvoll sei es, für Vögel sichere Brutplätze etwa durch die Anpflanzung von Dornenhecken zu schaffen. Für den Rückgang der Singvogelarten sei vor allem der Insektenmangel und nicht die Waschbären verantwortlich.

„Wir sollten die Entwicklung beobachten und lernen mit ihnen zu leben.“ Dazu gehöre, Mülltonnen so zu sichern, dass der nächtliche Besucher keine Nahrung findet. Vergrämungsmaßnahmen zum Beispiel durch Ultraschall oder eine Elektroanlage an der Dachrinne können nicht nur Marder, sondern auch Waschbären in die Flucht schlagen, informiert der Marderbeauftragte Felder. Im Fall der drei jungen Waschbären in Dieringhausen tat es eine kräftige Dusche aus den Gartenschlauch.

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