KläranlageViren-Suche im Waldbröler Abwasser

In der Kläranlage in Waldbröl wird nun geforscht.
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Waldbröl – Kann man die Ausbreitung einer Viren-Erkrankung frühzeitig feststellen, wenn man gezielt im Abwasser nach Viren sucht? Dieser Frage geht man jetzt in Form eines Forschungsprojektes auf den Grund – bundesweit in 40 Kläranlagen. Eine davon ist die Kläranlage, die der Aggerverband in Waldbröl-Brenzingen betreibt.
Das Prinzip ähnele dem der Pool-Tests, wie sie während der Corona-Pandemie in Grundschulen oder Kindergärten gemacht worden seien, erklärt Dr. Uwe Moshage, Leiter der Abteilung Abwasser beim Aggerverband. „Nur dass der Pool hier eben nicht eine Kindergarten-Gruppe oder eine Grundschulklasse ist, sondern die gesamte Bevölkerung im Einzugsgebiet der Kläranlage.“

Abwasserproben von je 500 Millilitern gehen zweimal wöchentlichen ins Labor nach Tübingen.
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Viren ließen sich unter Umständen im Abwasser sehr gut nachweisen, sagte Martin Weber, Betriebsleiter Abwasserbetrieb beim Aggerverband. Auf diese Weise könnte sich bei der Bekämpfung von Virenerkrankungen ein Zeitvorteil ergeben. Aber dafür sei eben noch viel Grundlagenforschung notwendig, sagte er beim Ortstermin .
Auch Kreisgesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach verspricht sich durch diese Art des Abwasser-Monitorings einen Zeitvorsprung. Der ergäbe sich daraus, dass das landläufig als „Coronavirus“ bekannte SARS-CoV-2 im Abwasser bereits detektierbar sein könnte, bevor die Viruserkrankung symptomatisch ist. Schmallenbach: „Ich persönlich schätze, es geht um einen Zeitvorsprung von einigen Tage bis zu einer Woche.“ Er hofft auch darauf, dass sich die Vermutung, dass Oberberg zwar eine hohe Corona-Inzidenz hatte, aber zugleich eine niedrigere Dunkelziffer, evaluieren lässt.
Das Projekt
40 Pilotstandorte machen in Deutschland bei dem Forschungsprojekt mit. 20 werden vom Bund gefördert; 20 weitere fördern die Länder, vier davon Nordrhein-Westfalen: neben Waldbröl sind das Düsseldorf, Borken und Gütersloh. Das Land fördert das Projekt in Brenzingen mit 60 000 Euro.
Jeder Pilotstandort ist eine organisatorische Einheit, und besteht aus Wasserwirtschaftsverband (Aggerverband), zuständigem Gesundheitsamt (Oberbergischer Kreis) und dem beauftragten Analyselabor. (sül)
Die Viren, die zu finden man hofft, gelangen durch die Ausscheidungen der infizierten Menschen ins Abwasser und somit in die Kläranlagen. Dort werden über die gezogenen Proben die Ausscheidungen vieler Menschen gleichzeitig untersucht. „Da jeder auf die Toilette geht, erlaubt das Abwassermonitoring die Viren nachzuweisen, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Personen testen lassen und auch unabhängig davon, ob es z.B. über Feiertage zu Testunterbrechungen kommt“, heißt es in einer Mitteilung des Aggerverbandes.
Durch Ausscheidungen ins Abwasser
Und so funktioniert das in der Praxis: Bei einem Ortstermin öffnet Abwassermeister Jürgen Runkel die Tür eines 24-Stunden-Probenahmegerätes. Es zieht automatisiert Proben im Umfang von je 100 Millilitern aus dem Ablauf hinter dem Sandfang, also dort, wo das Abwasser bereits mit einem Rechen mechanisch von Rückständen befreit ist. In diesem Kasten wird das Wasser nach bestimmten programmierten Vorgaben und in bestimmten Abständen angesaugt und in einen Behälter geleitet. Zweimal in der Woche gehen Proben im Umfang von einem halben Liter auf die Reise in ein spezialisiertes Labor in Tübingen. Die erste Brenzinger Probe kam dort am Dienstag an, gestern wurden die Ergebnisse zurückerwartet.
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Um zu belastbaren Ergebnissen zu kommen, müssen weiterer Parameter in die Endrechnung fließen. So schwankt die Abwassermenge in Brenzingen erheblich. Nach starken Niederschlägen kann die Menge fast auf das Achtfache dessen anschwellen, was in trockenen Zeiten ankommt – somit hat auch die Wetterlage Einfluss auf die Virenkonzentration im Abwasser. Die, so Martin Weber, lasse sich außerdem ableiten aus dem Verhältnis zu bestimmten anderen Viren, die stets in fast gleicher Konzentration ausgeschieden würden und somit in der Rechnung quasi als feste Größe eingerechnet werden kann.
Das Forschungsprojekt dauert vorerst bis nächstes Frühjahr.