WeiberfastnachtJecke Wiever stürmen die oberbergischen Rathäuser – Einige Impressionen

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Eine Frau mit einer großen Schere wartet vor einem Rathaus auf Einlass.

Zahlreiche jecke Frauen hatten es an Weiberfastnacht auf die Rathäuser und deren Chefs abgesehen.

An Weiberfastnacht sind auch im Oberbergischen Kreis viele Jecke unterwegs und feiern Karneval. Los ging es am Morgen mit den Rathaustürmen.

Widerstand ist zwecklos, zu guter Letzt haben allerorts im Oberbergischen die jecken Wiever die Regentschaft mit aller närrischen Macht an sich gerissen – wir waren dabei.

Wipperfürth: Schneewittchen rückt den Schlüssel raus

„Sieben Dörfer, eine Stadt — gemeinsam jeck“, so lautet dies jährige Sessionsmotto in Wipperfürth. Passend dazu haben sich sieben Mitarbeiter der Verwaltung zum Rathaussturm an Altweiber als putzige Zwerge verkleidet, mit roten Zipfelmützen und Schürzen. Sie wollen ihrer Chefin Schneewittchen – Bürgermeisterin Anne Loth – beim Kampf ums Rathaus zur Seite stehen. „Sieben Zwerge für Schneewittchen“ lautet ihr Schlachtruf. Verstärkung gibt es aus der Nachbarstadt Hückeswagen in Gestalt des Amtskollegen Dietmar Persian.

Punkt 10.11 Uhr kommt über die Hochstraße ein jecker Lindwurm anmarschiert. Angeführt vom Musikverein Linde, rücken das Tanzkorps Blau-Weiß-Neye, die KG Baulemann, die Hansehusaren und die Narrenzunft Neye mit dem Dreigestirn Prinz Uli I., Bauer Lars und Jungfrau Lisbeth an. Vor dem Rathausbalkon mit den Verteidigern beziehen sie Stellung. Narrenzunft-Präsident René Löhr ergreift das Wort und spottet über das „städtische Schlaflabor im Rathaus“.

Rathaussturm in Wipperfürth: Verkleidete Frauen und Karnevals-Tollitäten stehen mit gelben Wipperfürther Ortsschildern vor dem Rathaus.

Rathaussturm in Wipperfürth samt Tollitäten.

Doch Schneewittchen sammelt Punkte bei den Karnevalisten: Erst lässt sie vom Balkon einen Beutel mit Schnapsfläschchen herab, die dann gemeinsam geleert werden, dann kommt sie herunter und verleiht Löhr und dem Dreigestirn den Karnevalsorden der Stadt. Doch bestechen lassen sich die Jecken nicht, sie wollen ins Rathaus. Ein erster Ansturm des Prinzen wird von der mutigen Zwergengarde abgewehrt.

Jetzt wird es kniffelig: Mit einem Quiz zu den sieben Kirchdörfern soll der Prinz sein Heimatwissen beweisen. Für jede richtige Antwort darf er eine Stufe nach oben. Mit viel Hilfe und ein bisschen Schummeln gelangt er schließlich oben an. Freudig überreicht ihm Schneewittchen den Schlüssel zum „Schloss Wipperfürth“.

Am Wipperfürther Rathaus hängt ein großes Banner. Auf diesem steht: „Kein Kölsch für Nazis“.

Klare Botschaft am Wipperfürther Rathaus.

Schon von weitem zu sehen, prangt am Wipperfürther Rathaus ein großes Banner mit einer klaren Botschaft: „Kein Kölsch für Nazis“. Die Narrenzunft Neye hatte die Aktion für Vielfalt und gegen Rassismus und Rechtspopulismus ins Leben gerufen und viel Unterstützung erfahren. Auch das Wipperfürther Rathaus steht dahinter. Am Sonntag, beim großen Karnevalszug durch die Innenstadt, wird ein eigener Wagen das Motto „Kein Kölsch für Nazis“ unter das jecke Volk bringen. (cor)


Gummersbach: Wo das Haus des Geldes steht

Die leeren Kassen der Stadt wurden von den Weibern in Gummersbach zum Anlass genommen, das Rathaus in das „Haus des Geldes“ umzutaufen. Dort flatterten jede Menge falsche Scheine vom Himmel und die zierte Bürgermeister Frank Helmenstein.

Mehrere verkleidete Frauen und Männer ziehen lachend an einem großen Schlüssel-Chip.

Bürgermeister Frank Helmenstein (M.) rückte den Schlüssel-Chip zu seinen Amtsstuben ohne viel Gegenwehr heraus.

Vor der eigentlichen Schlüsselübergabe hatte Sandra Kaufmann aus dem Sozialamt als Putzfrau verkleidet den Flurfunk zum Besten gegeben. Natürlich sehr zur Freude ihrer Kolleginnen und Kollegen. Da ging es unter anderem um die Büros, die auch gerne mal geteilt würden und so den engen Austausch im Team möglich machten. „Das spart Heizkosten und ist schön kuschelig“, fand Kaufmann. Und man komme von der Freilandhaltung zur Käfighaltung im Gummersbacher Rathaus.

Auch die neuen Aufzüge waren ein Thema ihrer Büttenrede. Kaum seien die nach einem langen Umbau fertig gewesen, habe man sie auch schon wieder außer Betrieb genommen. Der Bürgermeister, dessen Anzug viele bunte Smileys zierten, überließ am Ende den Weibern Schlüssel und Rathaus. (ar)


Bergneustadt: Stephinchen auf erfolgreicher Schlüsselsuche

Auch in Bergneustadt ist das Rathaus pünktlich um 11.11 Uhr gefallen - und das, obwohl Bürgermeister und Kapitän Matthias Thul seine Bediensteten in eine furchterregende Piratenbande verwandelt hatte. Gegen die wilde Horde waren die braven „Stephinchen“ um Antje Schnellenbach und Helga Sterling-Schmuck, verkleidet als Narzissen, auf den ersten Blick natürlich chancenlos. Genauso, wie die Frauen der Sparkasse, die als Schneefrauen angerückt waren.

Obendrein hatte der Bürgermeister eine besonders sichere Taktik ausgetüftelt, um den Rathausschlüssel zu schützen. Den Schlüssel zur Amtsstube trug Thul um den Hals, gesichert mit einem Schloss, für das ein zweiter Schlüssel nötig war. Und den hatte Bergneustadts erster Bürger in einer Pappnase versteckt, die sich seine Piratinnen und Piraten siegessicher zuwarfen. Die Narzissen ließen bereits die Köpfe hängen. Zum Glück zog ein kräftiger Regenschauer über dem Rathausplatz auf, der ihnen neue Energie gab.

Rathaussturm in Bergneustadt. Antje Schnellenbach hält den Schlüssel in der Hand.

Rathaussturm in Bergneustadt. Antje Schnellenbach hält den Schlüssel in der Hand.

Mit vollem Körpereinsatz und viel weiblichem Charme gelang es den „Stephinchen“ schließlich doch noch, das begehrte Schlüsselchen zu erobern und den Bürgermeister zu stellen. In einer launigen Rede ließen Antje Schnellenbach und Helga Sterling-Schmuck das vergangene Jahr in Bergneustadt noch einmal Revue passieren, bevor sie verkündeten, das Rathaus stehe bis Aschermittwoch unter jeckem Kommando. Die Piratenbande wurde flugs in den Talpark verbannt, dort sei schließlich der Bau eines großen Holzschiffes geplant, so Schnellenbach. 

Bergneustadt, Rathaussturm an Weiberfastnacht 2024
Antje Schnellenbach knackt das Vorhängeschloss, mit dem Bürgermeister Matthias Thul den Rathausschlüssel gesichert hat.

Mit weiblichem Charme gelang es Antje Schnellenbach doch noch, das Vorhängeschloss zu knacken, mit dem Bürgermeister Matthias Thul den Rathausschlüssel gesichert hatte.

Zwar kündigte der entmachtete Bürgermeister in einem letzten Akt der Verzweiflung noch an, Zusatzsteuern auf schiefen Gesang im Kirchenchor erheben zu wollen. Ziemlich schnell schob Matthias Thul dieses Ansinnen aber doch beiseite, hakte sich lieber bei den Weibern unter und zog mit ihnen singend zur Feier ins Foyer des Bergneustädter Rathauses. (sfl)


Denklingen: Buntes gegen den braunen Sumpf

Holla, die Waldfeen kommen. Mit Blüten und reichlich Efeu geschmückt konnten es die Wiever von der Wildberger Damengarde gar nicht erwarten, den Rathausschlüssel an sich zu reißen. Bereits um elf Sekunden vor 11.11 Uhr stürmten sie die Treppe zum Regierungszentrum hinauf, um den Türöffner zu ergattern.

Mehrere verkleidete Frauen umzingeln einen in einem Robin-Hood-Kostüm verkleideten Bürgermeister.

Im Denklinger Rathaus wehrte sich Bürgermeister Rüdiger Gennies im Robin-Hood-Kostüm verzweifelt.

Rathauschef Rüdiger Gennies im Robin-Hood-Kostüm wehrte sich verzweifelt, doch trotz der Schützenhilfe durch die Mitarbeiter vom Bauhof, die Pfeil und Bogen mitgebracht hatten, konnte er nicht lange Widerstand leisten.

Nachdem Georg Freund, Präsident der KG Tolle Elf Wildberg, die Reichshofer Karnevalsvereine mit ihren Tollitäten begrüßt und Dennis Spexard, Vorsitzender der KG Rot-Weiß Denklingen, den Gemeindemitarbeitern 100 Liter Bier für die gute Kooperation gespendet hatte, schilderte Gennies seine Empörung, dass es bei Karnevalsveranstaltungen rechte Parolen gegeben habe: „Karneval steht für Vielfalt und ist bunt, nicht braun. Der braune Sumpf muss ausgetrocknet werden.“ (kup)


Engelskirchen: Möhnen entern die Baustelle

Das Flatterband hatte Obermöhn Elisabeth Crombach mit der Schere schnell durchtrennt: Mit dem Sturm der Möhnen auf den Platz hinter dem Rathaus wurde in Engelskirchen der Straßenkarneval offiziell eingeläutet, für Neu-Möhne Tina Boxberg übrigens eine gelungene Premiere. Die Verteidiger um Bürgermeister Gero Karthaus waren als Bauarbeiter gekommen und räumten trotz ihres Mottos „auf uns können Sie bauen“ schnell das Feld. Das mochte der Tatsache geschuldet sein, dass nach den vielen Baustellen im Ortskern niemand mehr Lust auf Warnbaken und Umleitungen hatte.

Vor dem Engelskirchener Rathaus ist Flatterband gespannt. Die Mitarbeitenden stehen als Arbeiter auf der einen Seite. Viele verkleidete Frauen auf der anderen.

Flatterband hatten Engelskirchens Bauarbeiter um Polier Gero Karthaus gespannt, Obermöhn Elisabeth Crombach war aber vorbereitet.

Karthaus übergab den Rathausschlüssel, mahnte jedoch, gut darauf achtzugeben. 2023 war der nämlich an Weiberfastnacht abhandengekommen. „Wir mussten alle Schlösser tauschen“, so Karthaus. Darauf waren die Möhnen vorberietet: Sie legten den Schlüssel kurzerhand an eine Kette. Gefeiert wurde in kaltem Nieselregen. Daher waren die vielen Alaafs und Kall Dus willkommen, mit denen Senatspräsident Reinhold Müller von den Närrischen Oberbergern einheizte, immer im Wechsel mit Daniel Technow, der dieses Jahr das Amt des Sitzungspräsidenten übernommen hatte.

Auf der Bühne ging es dann Schlag auf Schlag. Mit den Dreigestirnen groß und klein der Närrischen Oberberger, dem frostig-jecken Trifolium vom RKV Ründeroth und dem aus Oesinghausen. Schlossgarde, Torwache und Aggerperlen enterten die Bühne ebenfalls, die Aufzählung ist nicht abschließend. Die Närrischen Oberberger verteilten dazu Buttons mit dem Motto „Karneval ist bunt statt braun“. „Ein Zeichen, dass wir hier in Engelskirchen zusammen feiern, niemanden ausgrenzen“, freute sich Gero Karthaus über die Aktion. (lb)


Wiehl: Von Herzen joot drop in Wiehl

Ehrlich gesagt, besonders lange hat Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker seinen Widerstand nicht aufrechterhalten. Es bedurfte nur eines charmanten Auftritts, einiger Reime und eines Griffs in die Trickkiste, und schon übergab der Verwaltungschef den Rathausschlüssel an die raderdolle Weiberschar.

Bürgermeister Uli Stücker und zahlreiche verkleidete Frauen stehen auf einer Bühne. Stücker ist als Herzkönig verkleidet.

Bürgermeister Uli Stücker, der Herz-König, gibt die Macht aus der Hand. Jetzt regieren auch an der Wiehl fürs Erste die raderdollen Weiber.

Die hatte ihn unter anderem mit der Aussicht auf Kuchen gelockt – unfair, aber wirkungsvoll. Und so konnte das Programm auf der Rathausvorplatz-Bühne schnell beginnen. Es stand unter dem Sessionsmotto „Wiehler Herzjeföhl – von Herzen joot drop“. Stückers Appell an die bunte Narrenschar: „Wenn alle dieses Herzjeföhl haben, dann bleibt es auch friedlich!“

Mit großem Gefolge war wieder der Karnevalsvereins Bielstein am Start, mit Prinzenpaar Volker I. und Prinzessin Jana und den verschiedenen Gruppen. Bei Nieselregen und schlappen 4 Grad Celsius waren es die Bielsteiner Lollipops, die als Erste auf der Bühne ihre tollen Tänze zeigten und so den Startschuss für den Sessionsendspurt gaben. Wahrlich herzallerliebst! (sül)


Lindlar: Kinderprinz fordert Hausaufgabenfrei in der jecken Zeit

Vor allem die jecken Viewer und Narren vor dem Lindlarer Rathaus warteten ungeduldig darauf, dass um 11.11 Uhr der Countdown gezählt wurde. Und das nicht nur, weil sie dann nach dem Kampf um den Rathausschlüssel mit Bürgermeister Georg Ludwig, dem Beigeordneten Michael Eyer und Kämmerin Cordula Ahlers die Herrschaft der Jecken ausrufen konnten, sondern weil es kurz vor 11 Uhr begonnen hatte, ordentlich zu regnen.

Die Mitarbeiter des Rathauses hatten sich indes schon mit einem Frühstück gestärkt und Unterstützung von CDU-Fraktionschef Hans Schmitz erhalten. Er war als Zauberer kostümiert, konnte aber ebenso wenig wie der Verwaltungsvorstand verhindern, dass der Schlüssel nach kurzem Handgemenge von den jecken Damen erobert wurde.

Zahlreiche verkleidete Frauen stehen am Fenster des Lindlarer Rathauses. Dahinter steht der verkleidete Bürgermeister. Die Frauen halten einen großen, goldenen Schlüssel in den Händen.

In Lindlar eroberten die jecken Wiever das Rathaus und nahmen Bürgermeister Georg Ludwig den Schlüssel ab.

Die hatten sich Verstärkung besorgt. Und so zog in ihrem Gefolge das Dreigestirn mit Prinz Marcel II., Bauer Michael und Jungfrau Olga in den Rathaussaal, das Kinderprinzenpaar Timo und Jule der Grundschule Lindlar-Ost und die Bernsteingarde des TSC Lindlar. Dazu auch noch weitere Lindlarer Jecke. Der Rathaussaal war gut gefüllt, als Markus Scherer, der Präsident des Komitees Lenkelner Karneval, die Tollitäten vorstellte. Zuerst das Kinderprinzenpaar, das in der jecken Zeit Hausaufgabenfrei forderte. Das Dreigestirn sang „Pass op Prinzessin“ und auch Kinderprinz Timo zeigte sich textsicher.

Die Bernsteingarde des TSC Lindlar erfreute mit einem Tanz und nachdem die Tollitäten zum nächsten Auftritt weitergezogen waren, ging die Party im Rathaus so richtig los. Die „Rathausstürmer“ sorgten für Musik und die KG Baulemann aus Lindlar kamen ebenso zu Besuch wie das Tanzkorps der Sünger Butzen. (lz)


Waldbröl: Mit der Mistgabel das Rathaus verteidigt

Eine riesige Mauer aus Strohballen türmt sich vor der Eingangstür zum Bürgerdorf am Alsberg. Obendrauf thront Bürgermeisterin Larissa Weber in Landwirtstracht, mit einer Mistgabel in der einen, dem Rathausschlüssel in der anderen Hand. Um 13.11 Uhr rücken die Waldbröler Jecken an, allen voran die Kinderprinzessin Paula I. von der Waldbröler Karnevalsgesellschaft WKG und das Schürmicher Prinzenpaar Kevin und Jessica von den Karnevalsfreunden Schönenbach.

In Windeseile haben die drei den Wall aus Heu eingerissen und stehen dann vor einer zweiten Front: Als Pferde verkleidet beschützen die Rathausmitarbeiter an der Seite der Bürgermeisterin den Eingang. Doch auch diese Mauer haben die Tollitäten „Schürmich – ruck zuck“ genommen und recht bald halten sie den Türöffner in der Hand.

Karnevalstollitäten machen sich vor dem Waldbröler Rathaus mit Mistgabeln an mehreren Heuballen zu schaffen.

Die Tollitäten entmachten Larissa Weber (hinten r.) schnell.

In ihrer gereimten Ansprache betont Larissa Weber das Ehrenamt und den Zusammenhalt in der Marktstadt, ohne die der Karneval undenkbar wäre. Sie plädiert dafür, für seine Rechte einzustehen und dafür auch auf die Straße zu gehen. „Unsere Landwirte zeigen der ganzen Welt, dass ihnen die aktuelle Politik gar nicht gefällt. Wir unterstützen sie, wo wir es können“, sagt die Rathauschefin. Sie wirbt für Toleranz, Solidarität und Menschlichkeit – auch wenn Krisen Unsicherheit erzeugen: „Doch eins möchte ich Euch mit Gewissheit sagen, auch wenn Euch diese Themen ebenfalls sehr plagen, wir werden immer dafür Sorge tragen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger niemals verzagen.“

Mit Aufführungen der Tanzgarden genießen anschließend hunderte Gäste die Weiberfastnacht im Bürgerdorf und Weber forderte: „Lasst uns lachen und zuversichtlich sein und heute stundenlang feiern.“ (kup)

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