Paare aus ganz Oberberg sind nach Wiehl gekommen. Beim Tanzkurs stehen mitnichten die allseits bekannten Standardschritte auf dem Programm.
Zurück ins MittelalterBei einem Tanzkurs in Wiehl wurden alte Reigentänze vermittelt

Gar nicht so einfach: Zu Livemusik wurden die Kursteilnehmer in Schritten geschult, wie sie schon im Mittelalter und in der Renaissance getanzt wurden.
Copyright: Dennis Börsch
Während die Trommel den Takt vorgibt und die Flöte eine beschwingte Melodie spielt, bricht auf der Tanzfläche fast unbemerkt das Chaos aus. Ein Mann verliert bei der Schrittfolge den Überblick, dreht sich selbst um seine Nebenfrau statt diese um sich. In einer Kettenreaktion setzt sich der Fehler im Tänzerkreis fort und nach wenigen weiteren Trommelschlägen ist die ganze Choreographie dahin. Die 22 Frauen und Männer brechen in Lachen aus – und diese Übung ab. „Quickstep ist doch einfacher“, murmelt ein Tänzer seiner Partnerin zu.
Es ist 10.37 Uhr am Samstag, und in dieser Tanzschule stehen mitnichten die allseits bekannten Standardschritte auf dem Programm. Paare aus ganz Oberberg haben sich im katholischen Pfarrsaal in Wiehl versammelt, um sich in historischen Reigentänzen aus dem Mittelalter und der Renaissance zu probieren. Man kennt das aus Märchenfilmen oder auch von Volksfesten, bei denen Gruppen die jahrhundertealte Tradition pflegen: Die Tänzer bewegen sich in einem Kreis statt paarweise übers Parkett zu schwofen.
Tanzkurs in Wiehl: Die ältesten Schritte stammen aus dem 16. Jahrhundert
Die ältesten Schritte hat der Franzose Thoinot Arbeau vom Ende des 16. Jahrhunderts überliefert, weiß Barbara Degener. Sie ist mit ihrem Partner Jürgen Körber in der Interessengemeinschaft Lebendiges Oberholzen engagiert, die zum Kurs eingeladen hat. Weil es mehr Interessenten gibt, als die Dorfscheune in der Wiehler Ortschaft Platz bietet, wurde ins Pfarrheim ausgewichen.

Begleitet werden die Tänze von live gespielter Musik.
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Bekannter sind Degener und Körber als „Duo Kurtzweyl“, das sich alter Musik verschrieben hat und zum Macher-Kreis des Nümbrechter Mittelaltermarkts gehört. Dass am Wochenende gleich mehrere Teilnehmer des Tanzkurses auch Fans von Live-Rollenspielen sind, bei denen sie sich auf Treffen in Charaktere längst vergangener Zeiten verwandeln, ist kein Zufall – so wie Kerstin und Florian Weiß aus Velbert bei Wuppertal. Sie führen am Samstag und Sonntag durch den Tanzkurs, nachdem sie sich in jahrelanger Rollenspiel-Praxis in die Schrittfolgen reingefuchst haben. Was für Außenstehende gar nicht so kompliziert wirkt, entfaltet seine ganze Komplexität erst im Kreis der Tänzer.

Viele Tänzerinnen und Tänzer sind dem Nümbrechter Mittelaltermarkt verbunden, wo sie das Erlernte auch aufführen wollen.
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Die Frauen und Männer haben sich wieder abwechselnd und die Hände haltend aufgestellt, Jürgen Körber setzt erneut zur Flötenmelodie an. Florian Weiß ruft seinen Schülern mit kurzen Kommandos die Schritte in Erinnerung: „Links – zusammen – rechts – zusammen – und nach vorne …“ Die Tänzer wiederholen diese Folge viermal, dann geht’s rund: Die Frauen drehen sich um den jeweiligen Mann links von ihnen, das ganze ebenfalls viermal, bevor nach der anfänglichen Schrittfolge die Männer mit dem Drehen in die rechte Richtung an der Reihe sind. Und nach und nach läuft’s zunehmend unfallfreier.
Auch Marcus Lauterbach und Kathi Gödecke haben den Dreh raus. Sie kennen den Tanzlehrer und sind aus Siegen zum Kurs angereist. Nicht so weit haben es Maxx und Margit Hoenow, die in der Feste Neustadt wohnen und ebenfalls regelmäßig auf dem Mittelaltermarkt am Schloss Homburg auftreten. Den Kreis der Reigentänzer zu erweitern, sei Ziel der Tanzstunde, erklärt Jürgen Körber: „Wir wollen dem Publikum auf dem Markt etwas bieten und das Treiben noch lebendiger gestalten.“ Deswegen erhalten alle, die am Tanzkurs teilnehmen, beim Mittelaltermarkt auch kostenfreien Eintritt.
Bis es so weit ist, können die Tänzerinnen und Tänzer ihre Schritte noch perfektionieren: Rund um den 1. Mai 2026 soll das Mittelalter wieder in Nümbrecht einziehen – und bis dahin wahrscheinlich noch ein weiterer Reigentanzkurs stattfinden.