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ZwangsversteigerungenSind in Oberbergs Norden noch Immobilienschnäppchen möglich?

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Pfandsiegel. (Archivbild) 

Wipperfürth/Lindlar – Wer zwischen Wupper und Lennefe ein Baugrundstück oder ein Haus sucht, braucht Geduld. Das Angebot ist knapp. Eine Alternative für Suchende könnten Immobilien aus der gerichtlichen Zwangsversteigerung sein. Doch lässt sich dort wirklich ein Schnäppchen machen?

„Wir haben zuletzt einiges über dem Verkehrswert versteigert – momentan ist tatsächlich alles gefragt“, berichtet Michelle Koschwitz, Rechtspflegerin und Geschäftsleiterin am Amtsgericht Wipperfürth und für Versteigerungen in beiden Kommunen verantwortlich.

In der Pandemie eine Versteigerung unter freiem Himmel

Im vergangenen Jahr – mitten in der Pandemie ging es damals um attraktiven Baugrund in der Hansestadt – baute Koschwitz ihren Schreibtisch kurzerhand vor dem Gerichtsgebäude auf und dirigierte die Versteigerung unter freiem Himmel per Mikrofon „Es waren um die 60 Leute da, manche mit Klappstuhl“, erinnert sich die Rechtspflegerin schmunzelnd.

Immobilien können dann in die Zwangsversteigerung rutschen, wenn ihre Eigentümer die Kredite für Haus und Grund nicht mehr bedienen können und der Gläubiger einen Titel erwirkt hat – zum Beispiel eine Bank gegen einen säumigen Zahler aufgrund einer im Grundbuch eingetragenen Grundschuld. 

Teilversteigerungen sind bei Erbengemeinschaften häufig

In etwa genauso häufig seien allerdings auch sogenannte Teilungsversteigerungen, erklärt Koschwitz. Verfahren, die nötig werden, wenn sich etwa Ehepaare oder Erbengemeinschaften nicht über den Verkauf einigen können.

Liegen die Voraussetzungen vor, beauftragt die Rechtspflegerin einen Gutachter, der sich das Objekt vor Ort ansieht. Zwar muss der Fachmann nicht hereingelassen werden.

Der Verkehrswert wird von einem Gutachter bestimmt

Dafür muss der Schuldner dann allerdings mit einem pauschalen Abschlag beim Verkehrswert rechnen. „Es gibt auch Gutachter, die durch ein Fenster schauen und manchmal wissen auch die Nachbarn, wie es in einem Haus aussieht“, verrät Koschwitz.

So oder so: Die Teilnehmer einer Zwangsversteigerung müssen sich in solchen Fällen auf den Bericht über den äußeren Eindruck verlassen. Ansprüche gegen das Gericht – für den Fall, dass es drinnen nicht so aussieht, wie vorgestellt – hat man nach erteiltem Zuschlag nicht. „Mitunter kauft man ein großes Überraschungs-Ei“, betont Michelle Koschwitz. Darauf weise sie die Interessenten auch stets hin.

Garantien gibt es nicht

Kommen Haus oder Grundstück tatsächlich unter den Hammer, darf für Gebote, die unterhalb der Hälfte des Verkehrswertes liegen, kein Zuschlag erteilt werden. „Ohnehin kann der Gläubiger die abgegebenen Gebote genau beobachten und zu jeder Zeit den Antrag stellen, die Zwangsversteigerung einzustellen“, so Koschwitz.

In der Praxis würden Interessenten meist im Vorfeld das Gespräch mit dem Gläubiger suchen, um dessen Vorstellung vom Preis auszuloten.

Tricks von Ebay nützen bei Zwangsversteigerungen nichts

Die Mindestbietzeit beträgt 30 Minuten, aber auch danach wird so lange versteigert, wie es Gebote gibt. „Wir haben keinen Ebay-Countdown, deshalb macht es auch keinen Sinn, erst im letzten Moment zu bieten“, erklärt Michelle Koschwitz.

Wer den Zuschlag erhält, muss an Ort und Stelle zehn Prozent des Kaufpreises als Sicherheit leisten, zum Beispiel durch einen Verrechnungsscheck, auf keinen Fall aber in bar. Sechs bis acht Wochen nach dem Termin verteilt Koschwitz den Gesamterlös, spätestens dann muss der restliche Betrag eingegangen sein.

Auch Waldgrundstücke werden zwangsversteigert

Zwischen dem Antrag des Gläubigers, dem Bericht des Gutachters und schließlich dem Versteigerungstermin können durchaus neun Monate vergehen, sagt Koschwitz. Für das Gericht sei es wichtig, in dieser Zeit auf dem Laufenden zu sein. „Wir hatten auch schon den Fall, dass ein Wald eine Woche vor seiner Versteigerung abgeholzt wurde“, erinnert sich die Rechtspflegerin.

Drei Versteigerungen hat Michelle Koschwitz in diesem Jahr bereits durchgeführt. Einmal erteilte sie den Zuschlag bei 65 Prozent des Verkehrswertes, die beiden anderen Objekte wechselten für 110 und 150 Prozent des angesetzten Betrages den Eigentümer. Im September stehen die nächsten Versteigerungen an.

In Oberberg erzielen Häuser meist 95 Prozent des Verkehrswerts

Für ganz Oberberg nennt der Grundstücksmarktbericht 2022 weitere Zahlen. Danach erteilten die oberbergischen Rechtspfleger in den Jahren 2020 und 2021 für Baugrundstücke oder Häuser im Schnitt bei 95 Prozent des Verkehrswertes den Zuschlag.

Besonders begehrte Objekte brachten allerdings auch das Doppelte bis Dreifache ihres Wertes ein. Bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken lagen die erfolgreichen Gebote mindestens zehn Prozent über dem Verkehrswert.

So viele Immobilien kommen in Oberberg im Schnitt unter den Hammer

17 Immobilien kamen 2021 in Oberberg unter den Hammer, davon fünf am Amtsgericht Wipperfürth. 2015 hatte die Zahl kreisweit noch bei 100 gelegen.

Für die Zukunft rechnet Michelle Koschwitz vom Amtsgericht Wipperfürth jedenfalls wieder mit einem Anstieg der Zahlen.

Erhöhte Zinsen und explodierende Energiekosten könnten dazu führen, dass sich bald mehr Menschen die eigenen vier Wände nicht mehr leisten können.

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