„Wir geben ihn nicht auf“Koch des Bensberger „Vendôme“ verliert dritten Stern

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Joachim Wissler (Archiv)

Bergisch Gladbach – Damit hatte niemand wirklich gerechnet: Joachim Wissler hat seinen dritten Stern verloren, im neuen Guide Michelin 2022 ist er mit zwei Sternen gelistet. Bei der Verleihung der kulinarischen Auszeichnungen am Mittwoch war das die große Irritation. 18 Jahre lang war der Küchenchef des Restaurants Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg einer der ganz Großen in der deutschen Gastronomie, mehrfach zum „Koch der Köche“ von den Sternekollegen gewählt, Trendsetter und Vorbild für eine ganze Generation junger Köche.

Die Idee, jedes Produkt eines Gerichts einzeln zu benennen, „das haben wir als erste gemacht, jetzt machen es alle“. Die Präsentation der Gerichte auf den ungewöhnlichsten Gründen, vom dicken Wackerstein bis zur Glasscheibe, gehört ebenso dazu. Und natürlich die Idee, Produkte und Aromen aus ihren traditionellen Kontexten zu lösen und die Karten neu zu mischen.

Joachim Wissler

In Zahlen

22 Jahre ist Joachim Wissler im Bergischen Land wohnhaft. Über 200 000 Gäste hatte das Restaurant in 20 Jahren. 18 Jahre lang hat das Restaurant 3 Sterne im Guide Michelin (November 2004 bis heute). 19,5 von insgesamt 20 Punkten sind im Restaurantführer Gault Millau verzeichnet. 12 Mitarbeiter sind in der Küche beschäftigt, 10 Mitarbeiter sind im Service, plus 3 Spül- und Reinigungskräfte. 15 bis 20 Mal wird ein Gericht ausprobiert, bevor es auf die Speisekarte kommt. 72 Euro kostete das viergängige Mittagsmenü im Jahr 2002. 240 Euro kostet das fünfgängige Gourmet-Menü heute, 285 Euro acht Gänge.

Wissler richtet den Blick nach vorn

Zwei Sterne, das ist natürlich nicht nichts. Aber für den erfolgsverwöhnten Küchenvirtuosen ist die Herabstufung doch eine bittere Pille.  „Für mich ist eine Auszeichnung des Guide Michelin etwas ganz Besonderes. Auch nach so vielen Jahren sorgt dieser Tag bei mir immer wieder für Herzklopfen. Die heutige Wertung ist selbstverständlich zunächst enttäuschend“ sagt Joachim Wissler. Dennoch bedankt er sich bei seinem Team „für das zu jeder Zeit außerordentliche Engagement. Und auch bei allen Gästen, die uns täglich ihre Wertschätzung entgegenbringen. Doch nun ist es mir wichtig, den Blick nach vorne zu richten. Unser Ehrgeiz ist ungebrochen, mit gemeinsamen Höchstleistungen den dritten Stern zurückzuerobern.“

Auch Frank Marrenbach, CEO der Althoff Hotels, schaut voller Zuversicht voraus: „Joachim Wissler gehört seit über 20 Jahren zu unserer Althoff-Familie und kocht auf einem absoluten Weltklasseniveau. Das Vendôme gehört mit zwei Sternen zu den besten Restaurants Deutschlands und diese Leistung von Herrn Wissler und seinem Team verdient unseren höchsten Respekt. Die Spitzenküche ist vergleichbar mit dem Spitzensport: Die besten Mannschaften erleben einmal eine Niederlage und verlieren dennoch niemals die Motivation, um den Titel zu kämpfen.“ Die Althoff Collection bekennt sich auch weiterhin klar zur Spitzengastronomie. „Marrenbach: „Die Spitzenküche ist ein wesentlicher Teil unserer DNA und wir werden von unserer Seite alles tun, um Joachim Wissler und das Team des Vendôme in jeder nur denkbaren Art und Weise zu unterstützen.“

Keine leichte Entscheidung

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Maira Zöller vom Guide Michelin. „Unsere Inspektoren haben das Restaurant Vendome mehrere Jahre lang intensiv beobachtet und auch internationale Inspektoren hinzugezogen. Leider konnte sich das Niveau nicht bestätigen.“ Die Entscheidung sei im Vorfeld mit Joachim Wissler besprochen worden. Man werde die Entwicklung aber weiter genau im Auge behalten, so Zöller. „Wir kennen das Potenzial von Joachim Wissler, und wir geben ihn nicht auf.“

Sehr enttäuscht zeigte sich Andreas Schmitt, Geschäftsführer des Grandhotels Schloss Bensberg und COO der Althoff-Gruppe. „Das ist schmerzhaft, für Herrn Wissler, aber natürlich auch für unsere Gruppe“, sagte er auf Anfrage. „Es gab zwar Signale, aber wir haben damit nicht gerechnet“ Im Januar sei Wissler von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung noch zum Koch des Jahres gekürt worden. Schmitt: „Für mich ist er nach wie vor einer des besten Köche der Welt. Und wir sind uns einig mit dem Chefredakteur des Guide Michelin: Wenn einer den dritten Stern wieder holen kann, dann Joachim Wissler.“ An eine Änderung des Konzepts sei nicht gedacht, erklärte Schmitt. „Er muss das erst einmal sacken lassen.“ Das Restaurant sei auf jeden Fall nach wie vor „supererfolgreich und top besucht“.

2001 Restaurant des Jahres in „Der Feinschmecker“

Joachim Wissler war noch keine 30 Jahre alt, als er in Schloss Reinartshausen im Rheingau den ersten Stern erkochte, bald den zweiten. Der Wechsel nach Bensberg im Jahr 2000 wird zum Abenteuer. Hotelier Thomas H. Althoff hat gerade das Grandhotel im Schloss nobelst renoviert, und die Ambitionen sind groß. Wenige Kilometer entfernt in Schloss Lerbach - ebenfalls ein Luxushotel der Althoff-Gruppe - wirkt Dieter Müller, mit drei Michelin-Sternen der unumstrittene Platzhirsch. In dessen Dunstkreis wagt sich Joachim Wissler, dann geht alles ganz schnell: 2001 ist das Vendôme in der Gourmetzeitschrift „Der Feinschmecker“ bereits Restaurant des Jahres, es gibt den ersten Michelin-Stern, ein Jahr darauf den zweiten, 2004 den dritten.

Weitere Michelin-Sterne

Guide Michelin 2022

Das Restaurant Zur Post in Odenthal hat einen Stern bestätigt, ebenso die Mühlenhelle in Gummersbach. Zwei Sterne trägt weiterhin Le Moissonnier in Köln und das Restaurant zur alten Post in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Ein Stern in Düsseldorf: Phoenix, 1876 Daniel Dal-Ben, Agatas, Berens am Kai, Dr. Kosch, Im Schiffchen, Le Flair, Nagaya, Setzkasten, Yoshi by Nagaya .

Ein Stern in Köln: Alfredo, Astrein, La cusine Rademacher, La Societe, Maibeck, Maitre im Landhaus Kuckuck, Maximilian Lorenz, Neobiota, Pottkind, Taku, Zur Tant. Einen bib gourmand, die Auszeichnung für ein besonders gutes Preis-Leistungsverhältnis, gibt es für den Gasthof Zur Mühle in Kürten, für das Mühlenhelle Bistro in Gummersbach und die Trattoria in Wuppertal. (eck)

Tatsächlich geht die Hoffnung Althoffs auf: In den 2000er Jahren wird Bergisch Gladbach die absolute Hochburg der nordrhein-westfälischen Sternegastronomie mit zwei sehr unterschiedlichen Handschriften, hier die große Oper, dort der moderne Minimalismus. Die beiden Starköche treffen auch bei diversen Kochevents aufeinander, beim Festival der Meisterköche in Schloss Bensberg beispielsweise, einem Mega-Event des Althoff-Imperiums, bei dem bis zu 18 Köche mit insgesamt 29 Sternen ihre Muskeln spielen lassen. Hausherr ist Joachim Wissler. Aus ganz Europa kommen die Gäste nach Bensberg und stehen Schlange.

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2007 hört Dieter Müller in Lerbach auf und übergibt das Restaurant an seinen langjährigen Souschef Nils Henkel. Dieser behält zwar zunächst die drei Sterne, doch der Zauber bröckelt. Zu sehr ist das Landgut im Wald mit Müller verbunden, der noch heute nicht weit entfernt in Odenthal lebt. Henkels Küche hat nicht den gewünschten Erfolg. 2011 verliert Henkel den dritten Stern. 2014 schließt Althoff überraschend das Hotel Schloss Lerbach.

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