BetreuungTräger starten erneut Protestaktion in Bergisch Gladbach gegen Kita-Notstand

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Teilnehmer der Aktion zeigen die Protest-Plakate.

Das Bündnis der Wohlfahrtsverbände in Rhein-Berg fordert bei einer erneuten Aktion in der Fußgängerzone in Bergisch Gladbach eine ausreichende Finanzierung der Kitas.

Wohlfahrtverbände sind in Bergisch Gladbach wieder auf die Straße gegangen, um mehr Betreuungsqualität in Kitas zu fordern.

Das Bündnis der Wohlfahrtsverbände im Rheinisch-Bergischen Kreis ist wieder auf die Straße gegangen. Am Mittwoch haben sich Erzieher und Kita-Träger auf dem Wochenmarkt in der Fußgängerzone in Bergisch Gladbach versammelt, um erneut mehr Betreuungsqualität zu fordern. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, warnt Sabine Schöngen, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste beim Deutschen Roten Kreuz. Die finanzielle Ausstattung der Einrichtungen sei derzeit alles andere als ausreichend.

Am Stand weisen Plakate auf das leise Sterben sozialer Einrichtungen hin: „Verkürzte Öffnungszeiten, geschlossene Einrichtungen und drohende Insolvenzen“. Für Aufmerksamkeit bei den Passanten sorgt aber vor allem ein blaues Rettungsboot, an das sich Stoffpuppen festklammern, um nicht unterzugehen. Die Botschaft lautet: „Wir sitzen alle in einem Boot, Eltern, Kinder und Kommunen“, sagt Sabine Schöngen, „aber dem Schlauchboot, sprich den Trägern, geht die Luft aus.“

Träger könnten vor der Pleite stehen

Die Bildungsarbeit in den Kitas sei wegen des Personalmangels nicht mehr möglich. Und das Land NRW habe sich immer noch nicht verbindlich zur Finanzierung geäußert. Wenn das so weiter gehe, könnten Träger vor der Pleite stehen, lautet die Befürchtung der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände im Kreis, zu der sich Awo, Diakonie, Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Deutsches Rotes Kreuz zusammengetan haben.

„Es braucht Ausdauer, sonst ändert sich nichts“, begründet Raphaela Hänsch, Sprecherin für den Caritas-Verband Rhein-Berg, die erneute Aktion im Rahmen der Aktionswochen „NRW – bleib sozial“. Das Grundproblem ist die dauerhafte Unterfinanzierung der Kindertagesstätten, unter anderem, weil das Land die durch höhere Tariflöhne gestiegenen Kosten nicht erstattet.

Eine Erzieherin verteilt einen Flyer an eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm.

Am Infostand führten die Kita-Träger Gespräche mit Bergisch Gladbachern. Darunter waren viele Eltern und Großeltern.

Diese Unsicherheit habe zur Folge, dass die Attraktivität des Erzieherberufs leide und nur noch schwer dringend benötigte Fachkräfte gewonnen werden könnten, sagt Hänsch. Beim DRK besteht aufgrund der unsicheren finanziellen Situation zurzeit ein Einstellungsstopp für Auszubildende und Interessenten des Bundesfreiwilligendienstes, berichtet Schöngen. „Menschen, die wir unbedingt in unseren Einrichtungen brauchen würden.“

„Die Situation ist ernst. Deshalb ist alles besser, als nichts zu tun“, betont Birgit Schmitz, Sonderpädagogin in der Caritas-Kita Ferrenberg in Bergisch Gladbach. Welche große Bedeutung die Kita Ferrenberg für Eltern, Beschäftigte und Kinder hat, kann man auf Zetteln an einer Pinnwand nachlesen. „Ein Ort zum Spielen, Wachsen, Leben und Wohlführen“, schreibt eine Mutter. „Ich mag die Turnhalle und die Ausflüge“, lautet das Statement eines Sechsjährigen. „Ich schätze die Unterschiedlichkeit, alle und jeder darf so sein, wie er ist“, schreibt eine Erzieherin.

Passanten unterschreiben Protest-Postkarten

„Kitas unterstützen die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, in der Entwicklung von Sprach-, von emotional-sozialen sowie motorischen Fähigkeiten“, sagt Schmitz. Sie habe Angst, dass diese pädagogischen Ziele verloren gehen würden, weil die pädagogische Arbeit aufgrund des Personalmangels auf der Strecke bliebe. „Es ist ja jetzt schon oft so, dass wir nur noch Löcher stopfen“, berichtet Schmitz.

Immer wieder unterschreiben Passanten Protest-Postkarten an den Landtag. Auch der Gladbacher Alfons Schön (69) greift zum Kuli: „Dass das System versagt, ist ein Debakel. Es geht ums Geld, aber viel schlimmer ist, dass wir gerade in diesen Zeiten wichtige gesellschaftliche Werte verlieren.“

Valerie Höller, Mutter von zwei kleinen Kindern, sagt: „Die Politik muss endlich aufwachen. In unserem Kindergarten gibt es inzwischen einen Aufnahmestopp. Das bedeutet, berufstätige Eltern bekommen keinen Kita-Platz.“

„Bildungsarbeit ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag“, betont Sarah Gebauer von der Awo-Fachberatung Rhein-Berg. Sie bewundere die Erzieherinnen und Erzieher, die trotz der schlechten Arbeitsbedingungen, die Kraft fänden, durchzuhalten. Deshalb sei es auch ein wichtiges Ziel der Aktion gewesen, „sichtbar zu werden“ und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Alle müssen sich bewusst sein, was auf dem Spiel steht“, meint Gebauer.


Bundespräsident hat geantwortet

Ralf Gebhardt aus Bergisch Gladbach hat außer vom NRW-Familienministerin jetzt auch eine Antwort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhalten. Als siebenfacher Vater macht er sich große Sorgen um die mangelnde Betreuung der Kinder in der Stadt und die dadurch entstehenden gesellschaftlichen Probleme.

Deshalb hatte er, wie berichtet, außer Familienministerin Josefine Pauls auch Bundespräsident Steinmeier angeschrieben. Zudem hat Steinmeier für Gebhardts Zwillinge die Ehrenpatenschaft übernommen. Im Auftrag des Staatsoberhaupts teilt eine Mitarbeiterin des Bundespräsidialamtes mit: Steinmeier habe Gebhardts Schilderungen aufmerksam gelesen. Er teile die Besorgnis, „dass die Engpässe und Probleme bei der Versorgung mit Kitaplätzen eine große Belastung für die Eltern darstellen“.

Steinmeier hoffe, dass Gebhardts Gedanken „bei den Zuständigen im Bundesland Gehör finden“. Gebhardt freut sich riesig „über die deutliche Unterstützung für unsere Sache “. Dass Steinmeier moralisch aufseiten der Eltern, Erzieher und Kinder stehe, wertet Gebhardt als starkes Signal an diejenigen, die unter der Kita-Krise litten. Per Mail hat Gebhardt Steinmeiers Antwort an das NRW-Familienministerium weitergeleitet. Für Gebhardt sehe es so aus, dass die Landesregierung mit ihrer Sicht der Dinge zunehmend isoliert dastünde. (ub)

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