Odyssee mit ElektroautoVon Gladbach nach Bad Wildungen in sieben Stunden – Ein Test

Erlebte einiges in Sachen Stromtanken: Martin Linden unternahm mit dem E-Auto eine längere Spritztour.
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- Martin Linden und seine Frau Andrea planten eigentlich keinen siebenstündigen Trip.
- Die 140 Kilometer, die sie mit dem E-Auto zurückgelegt haben, entpuppten sich als viel anstrengender, als gedacht.
- „Ich lass’ mir ein Survival-Pack für Elektroautos patentieren“, sagt Martin Linden im Rückblick sarkastisch.
Bergisch Gladbach – Wenn der Bergisch Gladbacher Tischlermeister Martin Linden und seine Frau Andrea von ihrem privaten Trip nach Bad Wildungen berichten, wirken sie immer noch reichlich desillusioniert.
Das nordhessische Heilbäderzentrum liegt zwar Luftlinie nur 140 Kilometer von Bergisch Gladbach entfernt, zwischen Marburg und Kassel, und zwischen Start und Ziel liegen blühende Mittelgebirgs-Landschaften und keine Sandwüsten. Aber für ihre 200 Straßenkilometer lange Tour nutzten die Eheleute Andreas akkumäßig recht knapp bemessenes Elektroauto, und dann begegneten sie lauter falschen, defekten oder gar nicht vorhandenen Elektrotankstellen in der „Wildnis“.
Probleme schon beim ersten Tankstopp
„Ich lass’ mir ein Survival-Pack für Elektroautos patentieren“, sagt Martin Linden im Rückblick sarkastisch. Trinkwasser sollte man im Sommer dabei haben, ein vollgeladenes Smartphone und am besten auch noch ein Riesensortiment von RFID-Tankkarten.
Möglichkeiten für „Punktuelles aufladen“
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von E-Tankstellen-Anbietern und damit eine Vielzahl von Bezahlsystemen. Verbraucher wünschen sich einen „diskriminierungsfreien“ Zugang. Gibt es eine Pflicht, Ortsfremden auf der Durchreise Strom zu verkaufen? Die Bundesnetzagentur in Bonn antwortet:
„Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten, die ab dem 14. Dezember 2017 in Betrieb genommen worden sind, sind nach der Ladesäulenverordnung verpflichtet, den Nutzern von Elektromobilen das sogenannte „punktuelle Aufladen“ zu ermöglichen. Das heißt, der Nutzer eines Elektromobils hat bei einem öffentlich zugänglichen Ladepunkt einen Anspruch darauf, sein Fahrzeug laden zu können, ohne dass dazu ein auf längere Zeit angelegter Stromliefervertrag mit einem bestimmten Elektrizitätsversorgungsunternehmen oder dem Betreiber der Ladesäule selbst geschlossen werden muss. Diese Regelung gilt nicht ausnahmslos für alle Ladesäulen, sondern richtet sich ausschließlich an Betreiber „öffentlich zugänglicher Ladepunkte“ im Sinne der Ladesäulenverordnung.“
Ein praktisches Problem gibt es zudem: An einer Stromtanke kann man sich oftmals per Handy-App anmelden, die man aber vorher herunterladen muss. Anderswo wird eine Anmeldung per SMS angeboten – aber nur, wenn das jeweilige Telefonunternehmen mitspielt. Eine weitere Zugangsmöglichkeit sind so genannte „RFID-Karten“ von Unternehmen, also Plastikkarten in der Größe von Scheckkarten, die in ihrem Inneren mit einer Radiofrequenz-Antenne (RFID) ausgestattet sind. Roaming-Verträge sollen dabei ermöglichen, dass Kunden der Firma A später auch bei der Firma B tanken können. Gut, wenn es sie gibt und wenn alles funktioniert. (sb)
Um 17.30 Uhr starteten die Eheleute ihre Tour, Ziel war eine Unterkunft in Bad Wildungen, und der über Nacht aufgeladene Akku zeigt 190 Kilometer Reichweite. Beim ersten Tankstopp im Siegerland gab es schon das erste Problem: Die Bezahlung mit EC- oder Kreditkarte funktionierte nicht.
E-Tankstellenfinder-App funktioniert nicht
„Wir haben uns dann die App des Anbieters aufs Handy heruntergeladen“, sagt Linden. Das eigentliche Tanken dauerte noch einmal 50 Minuten. Kurz vor Marburg war Nachtanken fällig. „Aber an der ersten Ladesäule war nichts zu machen. Wir hätten über Internet erst eine Tankkarte anfordern müssen.“ Drei oder vier Tage auf ihren Schlüssel zum Sprit warten wollten die Lindens aber nicht.
Die zweite angesteuerte Ladesäule war gerade eingerüstet und darum nicht zugänglich. Ein auf dem Smartphone installierter E-Tankstellenfinder verhieß die Rettung: die kostenlose E-Tankstelle eines Discounters – doch die gab es vor Ort dann gar nicht. Und an der vierten E-Tankmöglichkeit mit gleich vier Säulen scheiterten die Lindens daran, dass das Tanken nur für Kunden des Unternehmens freigegeben war. Ein anderer E-Tanker hatte dort Mitleid und stellte den Eheleuten seine Kundenkarte zur Verfügung.
Am Ziel mit mehr als vier Stunden Verspätung
Um 0.15 Uhr statt wie geplant um 20 Uhr erreichten die beiden Gladbacher ihr Ziel – zum Glück hatten die Vermieter noch auf sie gewartet. Als die Eheleute tags drauf noch einmal nachtanken wollten, hatten sie erneut Glück im Unglück: Wieder hatten sie keine passende Karte, wieder fand sich ein Gönner.
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„Ich lad euch ein“, sagte der Mann mit der passenden RFID-Karte. Ein dritter Gönner fand sich nach ihrer Schilderung in der Störungszentrale einer bundesweiten E-Tanke-Kette, der ihnen die Ladesäule für kostenloses Tanken freigeschaltet habe, als es mit der App nicht funktionierte.
Martin Linden: „Wir hatten drei Gönner auf der Tour, sonst wären wir völlig untergegangen.“ Während Ehefrau Andrea weiterhin betont, dass ihr E-Auto für kurze Strecken doch perfekt sei, und hofft, dass sie es noch gegen ein Modell mit größeren Akku umtauschen kann, geht Handwerksmeister Martin Linden härter mit dem aktuellen Angebot an E-Mobilität in Deutschland ins Gericht: „High tech – geh weg!“ sei wohl das Motto.
Angesichts einer Reisezeit von fast sieben Stunden für 200 Kilometer „hätte ich auch mit meinem E-Bike fahren können“.



