Gladbacher Richterin verurteilt RandaliererVier Monate Haft und Buße ans Frauenhaus

Handfesseln der NRW-Polizei.
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Bergisch Gladbach – Es war sechs Tage vor Heiligabend 2020, als ein Polizeieinsatz in einem Mehrfamilienhaus in Paffrath übel eskalierte, weil ein geschiedener Familienvater trotz Aufforderung nicht das Feld räumen wollte. Neben dem Randalierer wurden auch zwei Polizisten leicht verletzt. Jetzt musste der 36-jährige Ali G. (Namen geändert) vor Gericht.
In seinem Prozess sieht sich der Angeklagte einer Richterin, einer Staatsanwältin und, als Zeugin, einer Polizistin gegenüber, die alle drei noch etwas jünger sein dürften als er, und er lässt dabei jeden Respekt vermissen. Vor allem gegenüber Polizeioberkommissarin Tamara P. (30).
Mit freundlicher Ansprache kein Erfolg
Die Beamtin hatte in der unheilig verlaufenen Nacht den mit 1,7 Promille alkoholisierten Mann um kurz vor Mitternacht in einem Überraschungsangriff im Treppenhaus zu Boden gebracht und ihn zusammen mit ihrem Kollegen gefesselt und fixiert, was sich wegen der Intervention eines Nachbarn als besonders schwierig erwies.
Ali G. hatte zuvor an der Wohnungstür seiner Ex-Frau im ersten Obergeschoss viel Krach veranstaltet und wollte nicht gehen. Nach Aussage der Beamten reagierte er nicht auf freundliche Ansprache und auch nicht, als Oberkommissar Fabian H. (30) seinen Arm auf den von Ali G. legte. Da habe er eine abwehrende Bewegung gemacht, und im nächsten Moment sah es für die Beamten so aus, als wolle er wieder in die Wohnung der Ex rein.
Polizistin bringt Betrunkenen unangekündigt zu Boden
„Aus taktischen Gründen habe ich beschlossen, ihn auf den Boden bringen und zu fixieren“, berichtet Polizistin Tamara P. als Zeugin vor Gericht. Ebenfalls aus „taktischen und zeitlichen“ Gründen habe sie auf die vorherige „Androhung von unmittelbarem Zwang“ verzichtet.
Während die an diesem Tag in Zivil vor Gericht auftretende Ordnungshüterin ihre Aussage macht, fällt ihr Ali G. permanent ins Wort. Er sagt, sie lüge, er stellt in schneidendem Ton Fragen, wer wann wo im Treppenhaus gestanden und wer die Polizei gerufen habe.
Angeklagter fällt Zeugin ins Wort
Antworten wartet er nicht ab, sondern redet direkt weiter, so lange, bis die Beamtin in ruhigem Ton sagt, dass sie nicht mehr antworten werde. Daraufhin Richterin Lisa Halm: „Antworten Sie bitte. Für mich. So, also ob ich gefragt hätte.“ Daraufhin die Polizistin: „Ja natürlich, sehr gerne.“In der Sache bringen die Fragen des anwaltlich nicht vertretenen Angeklagten übrigens gar nichts.
Denn der männliche Ordnungshüter schildert als zweiter Zeuge den Vorgang im Treppenhaus im Wesentlichen genauso wie die Kollegin, doch mit dem Oberkommissar scheint sich Ali G. am liebsten verbrüdern zu wollen. „Ja, das stimmt“, bescheinigt Ali G. dem Beamten. „Danke, dass du nicht lügst.“
Richterin bleibt die Ruhe in Person
Die Richterin bleibt bei allem die Ruhe in Person, lässt Ali G. auch durchgehen, dass er als Einziger im Raum keine Corona-Maske trägt. Doch sie lässt den Protokollführer festhalten, dass der Angeklagte die Schilderung des Beamten (und damit die Anklage) bestätigt. Am Morgen bereits hat sie den wohnsitzlosen Angeklagten von der Polizei ins Gericht bringen lassen.
Und schon vor Monaten hat sie festgehalten, dass statt des zunächst angeklagten „Widerstandes“ auch der mit höherer Strafe bedrohte „tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ in Frage komme.
Nachbar wollte Störer aus dem Haus zerren
Doch vor dem Urteil sagt noch ein dritter Zeuge aus, und das ist nicht die Ex des Angeklagten und angebliche Rabenmutter seines Kindes. Die hat sich vielmehr mit einem Attest entschuldigt. Nein, der dritte Zeuge ist ein Nachbar der Ex-Frau, der ein Stockwerk tiefer wohnt.
Mahmoud D. ist 49 Jahre alt und Familienvater und wirkt von seiner Statur wie ein Bär. Während in der fraglichen Nacht die beiden Ordnungshüter damit beschäftigt waren, den Randalierer zu überwältigen und mit Handschellen zu verschnüren, betrat der aus dem Schlaf gerissene Mahmoud D. die Szene. Er hatte die Nase voll von dem Lärm, eilte nach oben und schnappte sich den Fuß von Ali G., um ihn aus dem Haus zu zerren. Doch hörte er auf Geheiß der Beamten auch wieder auf.
Angeklagter dankt dem Nachbarn überschwänglich
Das berichtet Mahmoud D. auch vor Gericht. Und er sagt über den Randalierer und dessen Ex: „Er ist ja eigentlich ganz nett, aber die Frau ist verrückt.“ Darauf der Angeklagte Ali G.: „Ich küss’ dein Herz!“ Mahmoud D. verwahrt sich: „Du brauchst mich nicht zu küssen. Ich will nur meine Ruhe!“
Am Ende verurteilt Richterin Halm den wegen Bedrohung, Körperverletzung und Schwarzfahrens vorbestraften Ali G. wegen tätlichen Angriffs zu vier Monaten Haft auf Bewährung.
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Als Bewährungsauflage muss Ali G. 300 Euro zahlen. Geldempfänger ist der Bergisch Gladbacher Verein „Frauen helfen Frauen“.