Behörde ertrinkt in AnträgenFührerschein-Umtausch in Rhein-Berg läuft nicht rund

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Der Umtausch alter deutscher Führerscheine in neue EU-Lizenzen stellt die zuständigen Stellen vor große Herausforderungen.

Der Umtausch alter deutscher Führerscheine in neue EU-Lizenzen stellt die zuständigen Stellen vor große Herausforderungen.

Rhein-Berg – Auf die Kreisverwaltung ist Gudrun P. im Moment nicht gut zu sprechen. Denn als die 63-Jährige versuchte, pflichtgemäß ihren alten Führerschein umzutauschen, ging beim Kreis keiner ans Telefon, und auch via Homepage hatte sie keine Chance, einen Termin zu ergattern.

So wie Gudrun P. (Namen der Bürger geändert), dürfte es aktuell vielen gehen – das aber nicht nur zwischen Leichlingen und Overath, sondern auch zwischen Flensburg und Berchtesgaden. Denn die republikweite Großaktion zum Austausch alter west- und ostdeutscher Führerscheine in neue EU-Fahrlizenzen läuft wohl überall nicht rund.

Innenminister ziehen Notbremse

Zum Stichtag am Mittwoch dieser Woche, 19. Januar, hätte eigentlich der erste große Umtausch-Schwung durch sein müssen: Das sind all die über 60-Jährigen, die einen alten Papierlappen besitzen und zu den Geburtsjahrgängen 1953 bis 1958 gehören.

Führerschein-Umtausch

Komplizierte Fristenregelung

Gut gemeint heißt nicht gut gemacht: Die Fristenregelung für den Führerscheinumtausch ist reichlich kompliziert.

„Fahrerlaubnisinhaber, die vor 1953 geboren sind, (...) müssen ihren Führerschein erst bis zum 19. Januar 2033 umtauschen“, schreibt das Bundesverkehrministerium. Erst für die Jahrgänge 1953 und jünger stelle sich die Frage „Papier- oder Kartenführerschein“.

Bei den Papierführerscheinen richtet sich die Umtauschfrist nach dem Geburtsdatum der Besitzer, die Jahrgänge 1953 bis 1958 sind aktuell dran und bekommen nach dem Willen der Innenminister eine Verlängerung bis Juli eingeräumt.

Bei den Kartenführerscheinen entscheidet das Ausstellungsdatum, die ersten, die 2026 fällig werden, sind die Karten von 1999 bis 2001. (sb)

In letzter Sekunde hat die Innenministerkonferenz (IMK) die Notbremse gezogen: Verstöße gegen die Umtauschpflicht sollen wegen Corona vorerst nicht sanktioniert und die Umtauschfrist ausnahmsweise in den Juli verschoben werden. Und bis das auch formal so abgesegnet ist, soll die Polizei bei Kontrollen auf das eigentlich fällige Zehn-Euro-Knöllchen verzichten, heißt es in einer Mitteilung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von Montag weiter. Der Bayer darf in diesem Fall ausnahmsweise auch für NRW reden, denn er ist aktuell IMK-Vorsitzender.

4000 Anträge in sechs Monaten

Die Führerschein-Verwalter im Kreishaus am Rübezahlwald können jetzt erst einmal durchatmen. Insgesamt haben sie laut Nina Eckardt, Sprecherin der Kreisverwaltung, bis 2033 einen Berg von 150 000 Papier- und Plastik-Führerscheinen umzutauschen. Wie viele es beim ersten Schwung sind, wissen sie mangels eigener Statistik gar nicht.

Was sie aber wissen, ist der aktuelle Ansturm. Nina Eckardt: „Im März 2019 wurde die Umtauschpflicht offiziell bekanntgegeben. Seitdem wurden mehr als 8000 Anträge auf Umstellung gestellt, rund 4000 davon im vergangenen halben Jahr.“ Die zusätzliche Aufgabe bringe natürlich ein erhöhtes Arbeitsaufkommen mit sich.

Pflichtbewusste Bürger melden sich zu früh

Zwar sei die Umtauschaktion ganz bewusst gestaffelt worden. Aber: „Viele pflichtbewusste Bürgerinnen und Bürger im Kreis tauschen ihre Führerscheine jedoch bereits um, obwohl sie es noch gar nicht müssten. Hierdurch hat sich das Aufkommen zusätzlich erhöht.“ Die Vorschriften zum Gesundheitsschutz täten ihr Übriges, um Abläufe komplizierter zu machen. Darum würden mittlerweile einige Dienstleistungen auf dem Postweg angeboten, was aber arbeitsintensiver sei.

Dass jemand, der mehr arbeitet, auch mehr Fehler macht, hat unterdessen ein anderer älterer Rhein-Berger erfahren. Der Mann, Besitzer eines Kartenführerscheins von 1999, bat um Bestätigung, dass er, weil vor 1953 geboren, erst 2033 umtauschen muss. Nach zehn Tagen bekam er von der Fahrerlaubnisbehörde zur Antwort, er sei schon 2026 mit Umtauschen dran – womit sich die Behörde aber in Widerspruch zu den Ausführungen sowohl des Bundesverkehrsministeriums als auch des ADAC und der Pressestelle der Kreisverwaltung setzt.

Langes Warten auf Betreutes Fahren mit 17

Behördenprobleme haben in diesen Monaten aber auch Jüngere: Kevin P. aus Bergisch Gladbach wurde im Mai 17 Jahre alt. Im September reichte er die Unterlagen für den Führerscheinantrag für das betreute Fahren mit 17 Jahren ein und zahlte hundert Euro Gebühren. Dann blieb sein Antrag ewig im Kreishaus liegen, bis seine Eltern am Montag endlich jemanden aus der Behördenleitung an die Strippe bekamen und es jetzt endlich weitergehen kann. Kevins Vater nennt das Procedere „absolut unzumutbar“.

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Kreissprecherin Nina Eckardt räumt ein, dass es derzeit auch hier tatsächlich länger dauere. Aber: „Das Team der Fahrerlaubnisbehörde arbeitet intensiv daran, die Antragsbearbeitungszeit so gering wie möglich zu halten.“

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