Meister der SchraubenschüsselKürtener Radpool gibt 700. Fahrrad an Bedürftige

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Auf dem Foto sind vier Ehrenamtler vom Radpool Kürten zu sehen.

Die Männer vom Radpool in Kürten-Bechen: (v.l.) Eckehard Voss, Hans-Peter Gudella, Hans - Dieter Unterbörsch und Franz-Peter Taubner.

Fünf Ehrenamtlichen des Radpools in Kürten bereiten Fahrräder auf, um sie an Menschen zu geben, die sie sich sonst nicht leisten könnten. 

Es riecht nach Kettenfett und Gummi. Fahrradklingeln, Pedale und Pneus stapeln sich bis unter die Decke. Der Sommerregen prasselt an diesem Vormittag aufs Dach der alten Bechener Feuerwache, das Tor ist halb geöffnet, und wer hineinschaut bemerkt vier Herren, die schweißtreibend mit Rädern beschäftigt sind.

Wenn donnerstags der „Radpool“ geöffnet ist, schlägt die Stunde für Eckehard Voss, Hans-Dieter Unterbörsch, Franz-Peter Taubner, Norbert Kramm und Hans-Peter Gudella. „Alles ehrenamtlich“, sagt Eckehard Voss und zieht sein rotes Käppi zurecht. Filterkaffee steht auf dem Tisch und dampft, es ist nur eine kleine Pause zwischen der Reparatur.

Die Kürtener haben viel Arbeit

Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es eigentlich nie. Jetzt auch nicht. Ein Vater mit seiner Tochter steht in der Halle und beide schauen interessiert auf die zur Ausgabe bereitstehenden Räder. Die beiden gehören zur Gruppe der Geflüchteten, die in Kürten wohnen, vom Radpool haben sie von der Gemeinde gehört. Die Tochter braucht ein Fahrrad, und beim Radpool gibt es normalerweise einen passenden fahrbaren Untersatz. 

„Wir geben nur an Bedürftige raus“, sagt Taubner, Geflüchtete, Vertriebene aus der Ukraine, Menschen aus Kürten, die zu wenig Geld in der Tasche haben. Ein Dokument muss vorgelegt werden, das ist die Voraussetzung. Um sich in Kürten fortzubewegen, bräuchten viele Menschen ein Rad, meint der Ehrenamtler.

Kürzlich gaben die Helfer das 700. instandgesetzte Fahrrad aus. Nein, gefeiert worden sei nicht, sagt Taubner Er führt Buch und registriert alles, vom Ausgabedatum bis zur aufgeklebten Radnummer. Mittlerweile sei man schon bei Rad Nummer 716.

Glücksfälle für die Helfer in Kürten

Seit achteinhalb Jahren gibt es den Radpool, zunächst in Biesfeld in einem Lagerraum am Schützenplatz, seit 2018 in der alten Feuerwache nahe der Katholischen Grundschule. Umgerechnet sind das knapp 100 Räder, die pro Jahr ausgegeben wurden, etwa zwei an jedem Öffnungstag. Neulich sei eine Familie mit fünf alten Rädern gekommen, erinnern sich die Herren. Alle noch fahrbereit, sie seien daheim nicht mehr benötigt worden. Das sind Glücksfälle für die Ehrenamtler.

In einem Fach liegen Radsätteln nebeneinander.

Gesammelte Fahrradsättel.

Dass sie die Räder verkehrssicher aufbereiten, ist der Kern ihrer Aufgabe. „Jeder hat ein anderes Spezialgebiet“, erklärt Hans-Peter Gudella, der ganz frisch dabei ist. Nachdem er ein Rad abgegeben hatte, kam die Idee auf, selber zu helfen. Und jetzt schleppt er ein halbes Dutzend Fahrradschläuche. „Der ist hier nichts mehr“, zeigt er auf einen Schlauch mit großem Riss.

Kleine Reparaturen

Wunder können die Leute vom Radpool auch nicht bewirken, und was Schrott ist, kommt auch weg. Meistens sei aber immer noch etwas dabei, was zu gebrauchen sei, sagt Franz-Peter Taubner, der über die Kürtener Freiwilligenbörse zum Radpool gefunden hat. „Kleine Reparaturen und der Austausch von defekten Teilen können durch Spenden finanziert werden“, erzählt er.

Das Foto zeigt Kettenschaltungen von ausgemusterten Rädern.

Ausgemustertes von alten Rädern.

Falls die Kosten für eine Reparatur zu hoch seien, werde das Rad „ausgeschlachtet“: Alles Brauchbare wandert in den Lagerraum. Man weiß ja nie: Bei Sattelstangen gebe es fast ein Dutzend an unterschiedlichen Größen, sagt der Experte. Manche putzten die Räder auch, bevor sie an den Radpool gingen. Markenräder seien immer besser als Günstigprodukte, das merke man an der Qualität des Zubehörs.

Fachmann unterstützt die Ehrenamlichen

Dass mit Ehrenamtler Norbert Kramm auch jemand zur Stelle ist, der beruflich in der Radbranche tätig ist, kommt dabei allen zugute. Gerade bei der Gangschaltung oder den Klick-Pedalen werde es immer komplizierter. Schnell wird gefachsimpelt, einer weiß von der bei der Tour de France, da habe der Kölner Nils Politt nach einem Defekt schnell ein neues Rad benötigt. Auf dem Servicewagen sei aber kein Rad mit passendem Pedal dabei gewesen.

Dass die Nachfrage nach den reparierten Rädern steigt, bestätigen die Ehrenamtler. Die Halle steht voll mit Fahrrädern, kleine Räder für Kinder, Damenräder, Herrenräder. Mountainbikes seien gerade im Trend, sagen die Helfer.

Nur bei Pedelecs und Elektrorädern, da lassen die Herren die Finger von. „Die sind zu kompliziert“, sagt Franz-Peter Taubner und greift zum Schraubenschlüssel. Das nächste Rad ist an der Reihe.


Radpool, St. Antonius-Weg, Kürten-Bechen. Annahme von Radspenden und Zubehör, Ausgabe und Reparatur. Geöffnet Donnerstags 10 bis 12 und jeden ersten Donnerstag im Monat 16 bis 18 Uhr. 15. Dezember bis 31. März zu.

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