Für die Übertragung, die einen Tag vor Heiligabend aufgezeichnet wird, wurden die Akteure gecoacht, denn vor der Kamera gelten andere Regeln.
Weihnachten im TVWie sich Altenberg auf die bundesweite Sendung aus dem Dom vorbereitet

Esel und ehemaliges Kloster Altenberg verbindet eine Geschichte.
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Sie sind Profis. Sie sind die freie Rede, die Predigt vor vielen Menschen gewöhnt. Sie kennen sich aus mit dem großen Kirchenraum, den es jeden Sonntag aufs Neue mit Ton und Inhalt zu füllen gilt. Und doch wird bei der diesjährigen ökumenischen Christvesper im Altenberger Dom für Claudia Posche, Pfarrerin der Evangelischen Domgemeinde, ihren katholischen Kollegen Pfarrer Thomas Taxacher, Lektorin Elke Picht und das ganze Team, das den Gottesdienst gestaltet, alles ganz anders sein.
Denn dieses Mal ist man nicht unter sich in Altenberg mit rund 300 bis 400 Gottesdienstbesuchern, sondern spricht direkt hinein in die Wohnzimmer von vielen Tausend Menschen in ganz Deutschland. Der Weihnachtsgottesdienst, den die ARD an Heiligabend, 16 Uhr, bundesweit ausstrahlt, kommt in diesem Jahr aus Altenberg. Das macht den Unterschied.
Beim Sprechtraining müssen Routinen über Bord geworfen werden
Was in der Weite des Kirchenraums jeden Sonntag Sinn macht, kann im erbarmungslosen Auge der Kamera bei dieser besonderen ökumenischen Christvesper die falschen Effekte erzielen. Also heißt es für Posche, Picht und Taxacher schon Tage zuvor bei den Proben, liebgewonnene Routinen über Bord zu werfen. Dies ist nicht einfach. Das weiß auch Stephan Born, der als Präsentationstrainer im Auftrag des WDR an diesem Vormittag die Aufgabe hat, das Trio auf den Fernsehauftritt vorzubereiten.

Coach Stephan Born und Landespfarrerin Petra Schulze beim Training für den Fernsehauftritt im Altenberger Dom.
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„Sie sind den Schwenkblick gewohnt“, sagt Born schon zur Einleitung und man ahnt, dass es das Ende des vertrauten Seitenblicks sein wird – mal nach links, mal nach rechts in die Bankreihen –, mit dem sonst alle Gottesdienstbesucher angesprochen werden sollen. Denn die Mehrheit sitzt an Heiligabend nicht zwischen den hoch aufragenden Säulen des gotischen Doms, sondern daheim im Sessel am Fernsehgerät.
„Ablesen ist der Tod vor der Kamera“
Deshalb gilt nun: Starrer Blick geradeaus in den Mittelgang, wo die Kamera steht. „Sonst fühle ich mich zu Hause nicht angesprochen“, erklärt Born. Das heimische Wohnzimmer ist für diese besondere Christvesper ohnehin das Maß aller Dinge: „Sie stehen in einer riesigen Kirche, aber Sie sprechen in ein Wohnzimmer“, verdeutlicht der Coach immer wieder. „Brüllen Sie bitte keine Gebete ins Mikro hinein“, warnt der Experte, eine Befürchtung, die Claudia Posche mit Verweis auf die „hervorragende Mikrofonanlage im Dom“ direkt ausräumen kann.
Moduliert sollen sie sprechen, in verschiedenen Tonlagen und Geschwindigkeiten, je nach Anlass: ansprechend bei der Begrüßung, engagiert bei der Predigt, innig beim Gebet. „Menschen, die viel in der Liturgie arbeiten, haben die Tendenz, dass alles wie eine Sauce klingt“, redet Born nicht lange um den heißen Brei herum und rät daher auch zur freien Rede: „Ablesen ist der Tod“, weiß er aus Erfahrung.
Wie ein roter Faden zieht sich der Esel durch die Geschichte
In diesem Punkt hat er es leicht mit seinen Schülern: Claudia Posche, Elke Picht und Thomas Taxacher sind textsicher und kleben nicht am Manuskript – obwohl das natürlich existiert. Schon lange im Vorfeld haben sie mit Landespfarrerin Petra Schulze, der evangelischen Rundfunkbeauftragten des WDR, die groben Abläufe besprochen, die Inhalte von Begrüßung, Predigt und Lesungen. Nun geht es mit ihr gemeinsam um die praktische Umsetzung und die Feinabstimmung.
Wie ein roter Faden zieht er sich dabei durch die Texte: der Esel, der nicht nur in der Bibel, sondern auch für Altenberg eine wichtige Rolle spielt. Er begegnet uns schon bei der Herbergssuche von Maria und Josef in der Weihnachtsgeschichte, später auch beim Einzug nach Jerusalem am Palmsonntag. Auch für Altenberg steht er der Legende nach am Anfang, daran wird Pfarrerin Posche in ihrer Begrüßung erinnern. Ein Esel soll im Mittelalter den besten Platz für die Gründung des ehemaligen Zisterzienserklosters Altenberg gefunden haben.
Für das Fernsehen müssen zahlreiche Sonderregeln beachtet werden
Dort wo jetzt die Christvesper stattfindet und Elke Picht mit ihrer wunderbar melodischen Stimme in die Rolle des Tieres schlüpft. Die langjährige Lektorin der evangelischen Domgemeinde ist gelassen. Sie hat bereits früher bei Radioaufnahmen mitgemacht und selbst der Fernsehgottesdienst aus dem Dom ist für sie keine Premiere: „Ich war schon mal vor 50 Jahren dabei. Ich bin ein Fossil“, sagt sie und lacht ihr jugendliches Lachen. „Aber ich tue es, weil man so vielen Menschen damit Freude macht“, erklärt Picht, bevor sie wieder zur Probe gerufen wird.

Die Kameras bestimmen die Abläufe bei der ökumenischen Christvesper im Altenberger Dom, die von der ARD bundesweit ausgestrahlt wird.
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Die Knigge-Regeln des Fernsehens sind zahllos: Zügig gehen, aber nicht hetzen. Würdevoll die richtigen Positionen einnehmen (die am Tag der Aufzeichnung mit kleinen Märkchen gekennzeichnet sein werden, beruhigt Schulze). Lebendig sprechen, dabei die Zeit einhalten. Niemals ins Manuskript schauen, wenn der andere gerade spricht und… ja, sogar auf die geliebten silbrig glitzernden Sneakers verzichten, die bei Pfarrerin Claudia Posche unter dem Talar hervorblitzen. Denn alles, was ablenken könnte, ist unerwünscht: „Ihre Hauptkommunikationsfläche ist Ihr Gesicht“, erklärt Born, und so werden es Heiligabend wohl dunkle Schuhe werden.
Noch haben die Akteure kein Lampenfieber
Lampenfieber hätten sie trotzdem noch nicht, sagt Pfarrer Thomas Taxacher wenige Tage später, als die Übertragungswagen in Altenberg anrücken und Kabel, Scheinwerfer, Kameras und Mikrofone die gotische Kirche mit der Technik des 21. Jahrhunderts füllen. Und noch ein Akteur hat weder Lampenfieber noch schert er sich um Schuhe oder irgendwelche Verhaltensregeln, weil ihm die Kameras herzlich egal sind. Esel Flip von der Tierwerkstatt Altenberg wird Heiligabend auch auf Sendung gehen, in kurzen Filmsequenzen als Vertreter seiner biblischen und auch seiner mittelalterlichen Vorfahren.
„Hauptberuflich“ eigentlich im Bethanien Kinderdorf in Refrath tätig und an Heiligabend traditionell mit Kindern auf dem Krippenweg in Altenberg unterwegs, stellt er für die Christvesper seine schauspielerischen Talente unter Beweis. In der Gewissheit, dass ohne ihn weder die Bibel noch Altenberg das wären, was sie sind.

