Interview mit Wirtschaftsförderin„Wir sollten eine eigene Marke für Odenthal entwickeln“

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Claudia Kruse, Wirtschaftsförderin in Odenthal, sitzt an ihrem Schreibtisch.

Claudia Kruse, Wirtschaftsförderin in Odenthal.

Die Odenthaler Wirtschaftsförderin im Gespräch über die wirtschaftliche Lage der Gemeinde.

Wie ist die wirtschaftliche Situation in Odenthal? Welche Entwicklungsmöglichkeiten und welche Hemmnisse existieren? Ein Gespräch mit Wirtschaftsförderin Claudia Kruse.

Wie könnte der Satz: „Odenthal als Gewerbe- und Wirtschaftsstandort ist ….“ enden?

Claudia Kruse: ... ausbaufähig

Inwiefern?

Wir haben hier Start-ups mit kreativen Nischenprodukten für Menschen mit großer Kaufkraft. Tolle regionale Produkte von Tee aus Odenthaler Plantage, über den bergischen Gin bis zur Pralinenherstellung oder zum Beispiel der Entwicklung von mobilen Hundetreppen (siehe Bericht oben, d. Red.). Das ist das Pfund, mit dem wir wuchern können. Aber wo kann man die Produkte erwerben? Hier im Ort fehlt die Belebung der Laden-Landschaft.

Wie sieht der typische Odenthaler Gewerbebetrieb aus?

Es gibt hier viele Einzelunternehmer, Freiberufler. Die Gewerbeanmeldungen der letzten Jahre zeigen, dass die Gründer sehr kreativ sind. Es sind vor allem kleinere Betriebe, die wenig krisenanfällig sind, das hat die Coronazeit bewiesen. Ab 2021 hat hier eine unheimlich schnelle wirtschaftliche Erholung eingesetzt.

Was ist das größte Standortproblem?

Das sind die mangelnden Flächen. Firmen, die neue oder größere Lager-, oder Produktionsflächen benötigen, können diese in Odenthal nicht finden und verlagern ihre Betriebe in Nachbarkommunen. Das ist schade und wirkt sich auf die Gewerbesteuereinnahmen aus. Als Wirtschaftsförderin würde ich mir Flächen wünschen, die es Betrieben ermöglichen, sich hier niederzulassen, sich zu entwickeln. Ich kenne einige Odenthaler Unternehmer, die ihren Standort gerne wieder nach Odenthal verlegen würden, wenn es entsprechende Gewerbeflächen gäbe.

Odenthal: Claudia Kruse fordert Mut für Investitionen

Jüngst hat die Politik Flächenausweisungen, etwa in Osenau, verweigert. Ein Eigentor?

Ja, denn Wirtschaftsprozesse laufen langfristig. Da kann man nicht nur die nächsten fünf Jahre im Auge haben. Wenn man alle Flächen ausschließt, kann ich nichts mehr entwickeln. Das setzt den Willen zu Investitionen voraus und braucht Mut, die Entscheidungen auch langfristig zu vertreten.

Man hat oft das Gefühl, Odenthal möchte gar kein Gewerbe. Kann sich ein Ort das leisten?

Wer möchte schon Gewerbe „vor der Haustür“? Da wir keine Fläche für ein klassisches Industriegebiet haben, an dem sich die Betriebe konzentrieren, kann man nur in den Sondergebieten Betriebe ansiedeln, die bestimmte Vorgaben erfüllen. Diese Sondernutzungsflächen befinden sich in Privatbesitz. Da müsste der Besitzer schon sehr offen sein und die kommunalen Belange vor die eigenen stellen. Das ist schon viel verlangt. Im besten Fall passen die Bedürfnisse von Grundstücksbesitzer und Betrieb überein und die Politik stimmt auch zu. Dann brauchen alle Beteiligten nur noch Geduld, denn solche Abstimmungen dauern in der Regel. Das ist leider oft Zeit, die die Betriebe nicht haben. An Nachfragen von diversen Unternehmen mangelt es jedenfalls nicht.

Auch in Kürten oder Burscheid sind die Industriegebiete endlich.
Claudia Kruse, Wirtschaftsförderin in Odenthal

Machen die Nachbarkommunen es besser?

Die haben andere Voraussetzungen. Auch in Kürten oder Burscheid sind die Industriegebiete endlich. Aber sie haben welche, mit teilweise auch großen Firmen. Odenthal ist das klassische Agrar- und Handwerkerdorf. Hier gibt es keine Tradition als Produktionsstandort. Deswegen wäre es wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, innovativ und kreativ zu sein.

Ein Öko-Tech-Campus wie in Rösrath hätte aber in Odenthal doch gar keinen Platz?

Osenau wäre das klassische Gewerbegelände: am Ortsausgang gelegen, mit großer Fläche und guter Verkehrsanbindung zur Autobahn. Das, was Rösrath mit 30 Handwerksbetrieben auf 68000 Quadratmeter Fläche macht, hätte man in Osenau für weniger Betriebe, aber nicht weniger durchdacht, machen können. Und da kann man auch mal weiterdenken. Warum nicht eine Ansiedelung von Gewerbetreibenden, Handwerk, Kunsthandwerk mit genossenschaftlichem Ansatz? Warum nicht eine Mischbebauung mit den so dringend benötigten Mietwohnungen oben und unten Ladenflächen für hochwertige Odenthaler Produkte, mit Kita, einem zentralen Platz und mit Freizeit-angeboten, die den Ort auch am Wochenende beleben?

Es gab Angebote, Stichwort Lidl. Woran ist es gescheitert?

In Odenthal hatte das Unternehmen vor einiger Zeit eine Anfrage gestellt. Das Angebot war, im Obergeschoss eine Kita oder eine Seniorenbetreuung einzurichten oder alternativ an anderer Stelle einen Dorfplatz zu gestalten. Aber die Flächen dafür waren in Privatbesitz und wurden nicht verkauft.

Was kann Wirtschaftsförderung ohne Flächen leisten?

Ich arbeite viel mit der RBW (Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft, d. Red.) zusammen, auch mit der IHK, bin dann Multiplikator z.B. für Existenzgründer. Ich berate Unternehmer. Gerne sorge ich für „kurze Wege“ in der Verwaltung. Ich bearbeite Anfragen von Firmen, die sich hier niederlassen möchten und bringe sie, wenn es sich um passende Betriebsgrößen und Gewerbe handelt, mit den Grundstücksbesitzern zusammen. Mit einem größerem Flächenangebot wäre deutlich mehr möglich.

Was wäre für Sie eine gute wirtschaftliche Entwicklung?

Wir sollten uns besser vermarkten. Eine „Marke Odenthal“ entwickeln, die auf Hochwertiges, Regionales setzt. Es ist alles schon da, aber wir präsentieren es nicht. Mit unseren Gastronomiebetrieben und den Odenthaler Produkten zeichnen wir uns als Genuss-Region aus. Die Alte Kaplanei ist dafür ein Beispiel. Allererste Ortslage. Aber die Pläne sind gescheitert: Ein Bist-ro mit Außengelände, Verarbeitung und Verkauf von Produkten aus der Region, ein Co-Working Space und im Kellergewölbe hätte man die Odenthaler Gin-Produktion präsentieren können... In Odenthal ist die Kaufkraft. Hier leben interessierte und engagierte Menschen, der Ort ist eine Schönheit. Mir als Wirtschaftsförderin fehlt ein wenig der Mut der Unternehmer, sich zu präsentieren.

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