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Nach UnfallVerunglückter Kutscher aus Overath äußert sich zu Verbots-Forderung

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Günter Löffelsender aus Overath, der jüngst bei einem Kutschunfall leicht verletzt wurde, mit Judith und Claus Ihm von der Gammersbacher Mühle.

Leben für ihre Pferde und bilden sie über Jahre aus: (v.l.) Günter Löffelsender aus Overath, der jüngst bei einem Kutschunfall leicht verletzt wurde, mit Judith und Claus Ihm von der Gammersbacher Mühle.

Auch der Rheinisch-Bergische Kreis nimmt Stellung zu den Forderungen einiger radikaler Tierschützer.

Die blauen Flecken sind kräftig, die sich Günter Löffelsender zugezogen hat, als seine Planwagenpferde vor zehn Tagen auf dem Overather Steinhofplatz durchgingen. Viel mehr allerdings als seine Blessuren schmerzen den 54-Jährigen die Anfeindungen und Forderungen radikaler Tierschützer, Kutschen nach dem Unfall vom Weißen Sonntag komplett zu verbieten. Eine Diskussion, die von großer Unwissenheit geprägt sei, wie nicht nur der Overather Installateur findet, der im Nebenerwerb Planwagen- und Kutschfahrten anbietet.

„Diejenigen, die jetzt teils sehr aggressiv das Aus für Kutschen fordern, machen sich wohl gar keine Gedanken darüber, was das für die Tiere bedeuten würde und was da alles an Arbeit hinter steht“, sagt Claus Ihm von der Gammersbacher Mühle, der in seinem Betrieb neben Backwaren und Gastronomie als ein weiteres Standbein auch Kutsch- und Planwagenfahrten anbietet. „Bevor wir Pferde vor eine Kutsche spannen, arbeiten wir mehrere Jahre mit ihnen“, sagt er.

Kutschen-Unfall in Overath: Diskussionen um Planwagen- und Kutschfahrten

Was das bedeutet, weiß seine Frau Judith nur zu genau. Sie bildet Kutscher aus, gibt Fahrkurse und kennt auch die schweren Kaltblüterrassen aus dem Effeff. „Pferde brauchen Arbeit, Bewegung und Auslastung“, sagt sie. „Das ist nicht anders als bei uns Menschen: Wenn wir Sport gemacht haben, fühlen wir uns auch gut, und es tut uns körperlich gut.“

Einem älteren Pferd habe der Tierarzt sogar nochmal mehrere Stunden „Arbeit“ am Tag verschrieben, als nichts anderes mehr geholfen habe. „Und es ging ihm besser“, erzählt Judith Ihm. Ganz langsam führt sie die Tiere an den Einsatz vor einer Kutsche heran: „Erst ans Gebiss im Maul gewöhnen, dann an die Longe, später das Geschirr und die Zugstränge.“ Das Lerntempo bestimme jedes Tier selbst. „Wichtig ist, dass sie dabei Freude haben, nur so kann auch der Fahrer Freude haben.“ Und: „Das Wichtigste ist Vertrauen.“

Viele alte Rassen vor allem bei den Kaltblütern gäbe es nicht mehr, wenn es keine Gespanne mehr gäbe.
Claus Ihm, Kutscher

Mit einem Reifen, den die Tiere ziehen, werden sie allmählich an ihre Arbeit herangeführt. „Bis man sie irgendwann – zunächst im Gespann mit einem erfahrenen Pferd – an den Wagen nimmt“, so Judith Ihm. Dabei sei die Arbeit vor einer Kutsche für die Tiere deutlich einfacher als geritten zu werden. „Das kennen wir ja auch von uns: Es ist leichter, eine Schubkarre zu ziehen, als etwas Schweres zu tragen“, vergleicht die geprüfte Fahrtrainerin.

Sie habe ein gutes Verhältnis zu Tier- und Umweltschutzorganisationen. Allein wenige radikale gingen sie bisweilen an. Und Menschen, die sonst keinen Kontakt zu Pferden hätten, die Tiere dann aber „vermenschlichten“: Wer das entspannt angewinkelte Bein eines stehenden Pferdes nicht als Ausdruck der Ruhe, sondern als „Oh, das hat ein wehes Bein“ deute, halte auch leicht das Ziehen einer Kutsche für „Tierquälerei“.

„Viele alte Rassen vor allem bei den Kaltblütern gäbe es nicht mehr, wenn es keine Gespanne mehr gäbe“, sagt Claus Ihm, der mit seinen Tieren regelmäßig auch für Film- und Fernsehaufnahmen angefragt wird: vom Historienstück über den Bau des Gotthard-Tunnels bis hin zum TV-Großprojekt „Babylon Berlin“ auf Basis der Bestseller Reihe von Volker Kutscher um Kommissar Rath im Berlin der 20er und 30er Jahre. „Wo wären wir Menschen, wenn wir nicht mit Pferden gearbeitet hätten“, sagt er. „Sie sind Teil unserer Kultur.“

Unfall in Overath: Kutscher weiß nicht, wieso Pferde durchgingen

Dabei werden Tiere und Halter heute engmaschiger denn je von Veterinären kontrolliert, werden regelmäßig Gelassenheitsprüfungen gefordert, um zu zeigen, dass die Vierbeiner auch mit unerwarteten Lauten oder Bewegungen etwa in einem Erntezug souverän umgehen. Natürlich gebe es immer ein gewisses Restrisiko bei der Arbeit mit Tieren, so Ihm. Aber das sei bei Menschen ja auch kaum anders.

Warum seine beiden sechs Jahre alten Kaltblüter am Sonntag vor zwei Wochen plötzlich Gas gaben, während er noch auf seine Fahrgäste einer Kommuniongesellschaft wartete, weiß Günter Löffelsender bis heute nicht, wie er sagt. Er selbst hatte die Tiere noch versucht aufzuhalten, als sie in Richtung Hauptstraße liefen und unterwegs unter anderem zwei Autos beschädigten. „Manchmal nehmen die Tiere auch Dinge war, die wir Menschen noch gar nicht bemerkt haben“, sagt er.

„Wenn das von Peta geforderte Kutschverbot durchkäme, würden noch weniger Menschen solche Pferde halten“, ist Löffelsender überzeugt. „Dann würden viele Pferde am Haken enden.“ Judith Ihm streicht ihrem Kaltblüter über die Stirn: „Das sind doch keine Maschinen“, sagt sie. „Wir leben mit unseren Tieren – und auch für sie.“


Rheinisch-Bergischer Kreis: Kein Kutschverbot

Ein Kutschverbot im Rheinisch-Bergischen Kreis, wie es die Tierschutzorganisation Peta nach dem Overather Kutschunfall vom Weißen Sonntag (16. April) gefordert hatte, wird es nicht geben. Das teilte Kreissprecherin Birgit Bär am Mittwoch auf Nachfrage der Redaktion mit. „Wir haben die Sache juristisch sehr sorgfältig geprüft“, so Bär: Die Straßenverkehrsordnung erlaube grundsätzlich die Verwendung von Kutschen und laut Tierschutzgesetz müssen die Fahrer einen Sachkundenachweis erbringen, was ebenfalls bei allen Anbietern überprüft werde, so Bär. „Wir können gar kein Kutschverbot allein für den Rheinisch-Bergischen Kreis aussprechen.“ Auch im konkreten Fall bestehe kein Anlass zu zweifeln, dass alle Vorschriften eingehalten worden seien, so die Kreissprecherin.

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