Nach LvivHelfer aus Rhein-Berg fahren Inventar einer insolventen Klinik in die Ukraine

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Helfer der Humanitären Hilfe Overath und Bergisch Gladbach verladen für einen Hilfskonvoi ins westukrainische Lviv Kartons, Krankenhausbetten und weiteres medizinisches Material.

Tonnenweise medizinisches Material aus der geschlossenen St. Lukas Klinik in Solingen haben Helfer der Humanitären Hilfe Overath und Bergisch Gladbach für einen Hilfskonvoi ins westukrainische Lviv verladen.

Wie in einem „Lost Place“ kamen sich die Humanitäre Hilfe Overath und Bergisch Gladbach bei einem Einsatz in Solingen vor.

„Krankenhausbetrieb eingestellt“ steht auf dem Schild im Eingang der Klinik. Seit 1. Dezember ist die St. Lukas Klinik in Solingen-Ohligs geschlossen. Wie ausgestorben wirkt das Krankenhaus mit einst mehr als 300 Betten, als Norbert Kuhl von der Humanitären Hilfe Overath und Uli Gürster   von der Humanitären Hilfe Bergisch Gladbach durch die aufgegebenen Zimmer, leeren Flure und erst wenige Jahre alten Operationssäle gehen.

Nach einer Insolvenz des Trägers hatte das Krankenhaus mit mehr als 300 Betten offenbar keine Zukunft mehr. Das, was nach dem Insolvenzverfahren aber noch an medizinischem Material und Gerät vorhanden ist, sich nicht noch verkaufen ließ, soll Zukunft ermöglichen. Genauer: den unter dem Krieg in ihrem Land leidenden Menschen in der Ukraine helfen.

Durch Vermittlung der Alexianer dürfen bergische Helfer in geschlossene Klinik

Dazu sind die Vertreter der Humanitären Hilfe aus Bergisch Gladbach und Overath an diesem Morgen nach Solingen gekommen, dürfen sich das noch vorhandene Material anschauen und zusehen, was sie davon mit ihrem nächsten Hilfskonvoi in die Ukraine bringen können, wo sie unter anderem seit dem russischen Angriff auf die Ukraine das Kinderkrankenhaus in Lviv unterstützen.

Ermöglicht hat das der Rösrather Norbert Lenke. Der Vorsitzende der dortigen Bürgerstiftung ist unter anderem Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stiftung der Alexianerbrüder, einer der größten Gesundheits- und Sozialwirtschaftsträger in Deutschland.

Bei einem Vortrag von Norbert Kuhl und weiteren Mitgliedern der Humanitären Hilfe beim Rotary Club Overath-Rösrath/Bergisches Land hatte Lenke die Ukraine-Hilfe der bergischen Hilfstransporteure näher kennengelernt. Als die Alexianer GmbH dann zum 1. Februar dieses Jahres mehrere Kliniken eines insolventen Trägers übernahm, erinnerte sich Lenke daran und stellte den Kontakt her (siehe „Möglichmacher Alexianer“).


Möglichmacher Alexianer

Seit mehr als 800 Jahren ist die Brüdergemeinschaft der Alexianer in der Gesundheit und Pflege tätig. Die Alexianer Gruppe ist heute eins der größten konfessionellen Gesundheits- und Sozialwirtschafts-Unternehmen mit derzeit 30.000 Mitarbeitenden. Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stiftung der Alexianerbrüder ist der Rösrather Norbert Lenke. Als der Steuerberater und vielseitig engagierte Macher von der Übernahme der Solinger St. Lukas Klinik durch die Alexianer erfuhr, stellte er spontan den Kontakt zur Humanitären Hilfe Overath her, deren Arbeit er bei einem Vortrag des Vorsitzenden Norbert Kuhl und seiner Mitstreiter bei einem Rotary-Abend näher kennengelernt hatte. Schließlich war in der St. Lukas Klinik noch einiges medizinisches Material und Gerät übrig, das sich nicht mehr veräußern oder in anderen Kliniken verwenden ließ.

In einer konzertierten Aktion packten die Hilfstransporteure zwei Lastzüge, einen Möbelwagen und Pkw-Anhänger unter anderem mit 373 Kartons Krankenhausartikel vom Verband bis zur Infusion, 106 elektrischen Klinikbetten sowie Rollstühlen und Infusionsständern. Insgesamt mehr als 27 Tonnen Hilfsgüter, die in der Ukraine dringend benötigt wurden. (wg) Webseite: alexianer.de


Eine Mitarbeiterin, die sich um die Auflösung der Klinik kümmert, führt die Hilfstransporteure durch die leere St. Lukas Klinik. Ganz ungewohnt wirkt es auf Kuhl und Gürster, als sie – ganz ohne Schutzkleidung – selbst in die OP-Räume dürfen.

Was sie in den angrenzenden Räumen daneben sehen, lässt ihr Helferherz höher schlagen: Von Verbandsmaterial bis hin zu OP-Geräten lagern hier noch große Mengen von medizinischem Equipment, das in der Ukraine dringend gebraucht wird, wie Kuhl und Gürster aus Telefonaten mit der stellvertretenden Direktorin des Kinderkrankenhauses in Lviv, das sie seit dem russischen Angriff im Februar 2022 unterstützen, wissen.

Handy-Fotos der Hilfsgüter gleich an die Kinderklinik in der Ukraine geschickt

Via Handy schicken die bergischen Helfer noch aus der Solinger Klinik Fotos der verbliebenen Einrichtungsgegenstände an Dr. Zoryana Ivanyuk. Die kann es kaum fassen: „Können wir alles sehr, sehr gut gebrauchen“, antwortet die Vize-Leiterin der Kinderklinik in Lviv (siehe „Empfänger Kinderklinik Lviv“).


Empfänger Kinderklinik in Lviv

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Frühjahr 2022 unterstützt die Humanitäre Hilfe Overath in Kooperation mit der Humanitären Hilfe Bergisch Gladbach das Kinderkrankenhaus in Lviv.

In der Klinik mit rund 600 Betten und einem improvisierten Luftschutzraum im Keller werden Kinder aus dem gesamten Land behandelt, seitdem viele Krankenhäuser im Osten der Ukraine zerstört wurden. Häufig wird das medizinische Material knapp, können dringend nötige Operationen nicht durchgeführt werden. Neben medizinischem Gerät bringen die bergischen Helfer regelmäßig auch Medikamente. (wg) www.hhov.de www.hh-gl.de


Doch wie sollen Betten, Rollstühle, Infusionsständer und jede Menge medizinisches Gerät und Material die mehr als 1200 Kilometer bis in die westukrainische Stadt verfrachtet werden? Nicht umsonst haben die beiden Vereine, die jeweils seit mehr als 30 Jahren Hilfskonvois in Kriegs- und Krisengebiete bringen, eine Menge Erfahrung. Nach einem Aufruf in den Vereinsnetzwerken rücken an einem Samstag mehr als 35 Helferinnen und Helfer mit zwei 40-Tonner-Lastzügen, einem Möbelwagen sowie weiteren Pkw mit Anhängern an.

Der Hausmeister öffnet den Helfern die Klinikräume. Er ist eng mit dem Krankenhaus verbunden, erblickte selbst hier das Licht der Welt, ebenso wie seine Tochter. „Doch die Geburtsabteilung ist schon ein paar Jahre geschlossen“, sagt er und führt die Helfer in den Teil des Krankenhauses, der zuletzt vor allem als Lager genutzt wurde.

Humanitäre Hilfe rückt mit eigener Ärztin zum Sichten der Hilfsgüter an

Ärztin Julia Markgraf ist mit dabei, hilft mitzuentscheiden, welches medizinische Material die ukrainischen Ärzte in Lviv wirklich brauchen können. Die Mitarbeiterin vom Abwicklungsteam der St. Lukas Klinik ist angetan, wie versiert und professionell die Hilfstransporteure aus Overath und Bergisch Gladbach vorgehen. Noch auf den Stationen werden Verbandsmaterial, Infusionslösungen und Co. in Bananenkartons verpackt und gewogen. „Die lassen sich nachher am besten verladen und auf den Aufliegern stapeln“, erklärt Norbert Kuhl. „Und das Gewicht brauchen wir für die Frachtpapiere“, ergänzt Uli Gürster.

Anne Sauer wuchtet einen fertig gepackten Karton auf eins der Pflegebetten, das Rainer Steinbach zum Aufzug bringt. Von dort geht’s in den Keller zur Laderampe am Versorgungseingang der Klinik, wo weitere Helferinnen und Helfer, Betten, Pflegewagen und Co. möglichst platzsparend auf den Aufliegern verstauen. Allein 106 elektrisch verstellbare Krankenhausbetten sind bis zum Nachmittag hochkant verladen. „Wir haben da eine eigene Technik entwickelt“, sagt Bernd Rhein und wuchtet mit Severin Wagner noch ein weiteres Bett in die Vertikale. Noch ein paar Kartons dazwischen, dann ist auch der letzte Lkw proppenvoll.

Ihr helft unseren Ärzten, aber vor allem auch unseren kleinen Patienten so sehr. Manchmal fehlt selbst das einfachste Material wie Pflaster, um zu operieren.
Dr. Zoryana Ivanyuk , Internistin und stellvertretende Direktorin der Kinderklinik in Lviv/Ukraine

Einige Tage später starten Sabine Schmitz, Stefan Malczewski, Norbert Kuhl und Thomas Migenda dann mit den Sattelzügen in Richtung Ukraine. An der für Hilfskonvois immer noch nur zeitaufwendig zu überwindenden polnisch-ukrainischen Grenze übernimmt eine Spedition aus Lviv den Weitertransport aus dem polnischen Caritas-Transitlager.

An diesem Donnerstag (11. April) hat auch der letzte Lastzug das Kinderkrankenhaus in der westukrainischen Stadt erreicht. Und nicht nur Vize-Klinikleiterin Dr. Zoryana Ivanyuk ist erleichtert.

Während Betten und medizinisches Gerät noch abgeladen werden, schreibt sie eine Nachricht an die Helfer aus dem Bergischen: „Ich finde nicht die richtigen Worte, um unsere aufrichtige Dankbarkeit für eure Unterstützung und die Arbeit auszudrücken! Ihr seid einfach perfekt! Dankeschön!“

Bereits nächste Woche startet der nächste Hilfskonvoi der Humanitären Hilfe nach Lviv und in den Süden der Ukraine, um unter anderem Medikamente und Stromgeneratoren dorthin zu bringen.

Ein Benefiz-Open-Air-Konzert zugunsten der Humanitären Hilfe Overath findet an diesem Samstag, 13. April, ab 18 Uhr auf dem Overather Bahnhofplatz statt. Es singen die Kultchöre „Laut aber schief“ sowie der „Overather Kneipenchor“. Die Humanitäre Hilfe informiert über ihre Arbeit.

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