Rösraths scheidende Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne) blickt im Interview auf ihre fünfjährige Amtszeit zurück.
Interview mit Bondina SchulzeAbschied mit "Stolz und ein bisschen Wehmut"

Rösraths Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne) verabschiedet sich nach fünf Jahren von ihrem Büro und Ihren Akten.
Copyright: Christopher Arlinghaus
Sie wurden 2020 als erste Frau und erstes Grünen-Mitglied ins Rösrather Bürgermeisteramt gewählt. Nun endet Ihre fünfjährige Amtszeit mit Ablauf des Monats Oktober. Wie sehen Sie diese fünf Jahre im Rückblick?
Bondina Schulze: Mit Stolz und auch ein bisschen Wehmut. Wir haben große Fortschritte gemacht bei der Modernisierung der Stadtverwaltung. Auch im Schulbau ist viel passiert. Die multiplen Krisen der zurückliegenden Jahre haben wir ebenfalls ganz gut gemeistert. Da waren nicht nur die schwierige personelle Situation in der Verwaltung, sondern auch die Corona-Pandemie, das Hochwasser, der Ukrainekrieg und die Energieknappheit sowie der Cyber-Angriff auf die Südwestfalen-IT.
Aber Sie haben auch von Wehmut gesprochen.
Wehmütig bin ich, weil verschiedene Themen blockiert wurden, insbesondere die Nachhaltigkeitsstrategie, aber auch der von der Verwaltung eingebrachte Vorschlag zur Kita-Beitragssatzung.
Bei der Kita-Beitragssatzung ist aber absehbar, dass der Stadtrat sie auf den Weg bringt...
...aber es wurden dafür längst Leitlinien von der Politik entwickelt, die die Verwaltung in ihrem Vorschlag berücksichtigt hat. Das Vorgehen der Beteiligten im Stadtrat war in Teilen daher nicht ehrlich. Was ich aber wirklich vermissen werde, sind die Menschen in der Verwaltung, die haben irre viel geleistet.
Sie haben die für die Stadt erreichten Fortschritte schon kurz angesprochen, was ist außerdem in Rösrath vorangekommen?
Wir haben eine fast hundertprozentige Versorgung in Kita und offenem Ganztag, das ist zusammen mit den Trägern gelungen. Etwa 99 Prozent der Haushalte im Stadtgebiet können einen Breitband-Anschluss erhalten. Das werden nicht alle nutzen, aber es besteht die Möglichkeit. Mit der Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft zwischen der Rheinenergie AG und der Stadtwerke Rösrath - Energie GmbH ist es im vergangenen Jahr außerdem gelungen, einen Rechtsstreit im Vergabeverfahren um die Gaskonzession beizulegen. Durch die Gründung der Netzgesellschaft erfolgt der Betrieb der Rösrather Strom- und Gasnetze in Zukunft aus einer Hand.
Wie sieht es bei der Gewerbeansiedlung und der Haushaltssituation aus?
Rösrath wird in der schwierigen Haushaltssituation durch das Infrastruktur-Investitionsprogramm des Landes profitieren und in den nächsten Jahren 11,7 Millionen Euro erhalten. Diese Mittel kommen aus dem Sondervermögen des Bundes. Auf Dauer ist es aber ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die finanzielle Schieflage der Stadt ist strukturell bedingt. Wir haben Pflichtaufgaben, für die wir eine unzureichende Deckung von Land und Bund haben, von der Unterbringung von Geflüchteten bis zur Kinderbetreuung.
Bei den gewünschten neuen Gewerbeflächen gibt es wenig Fortschritt.
Die Entwicklung der Fläche in Rambrücken steht weiterhin aus. Ich halte das Konzept des Investors nach wie vor für zielführend. Ich bedauere aber, dass es nicht gelungen ist, es umzusetzen.
Über eine Lösung müssen Sie sich nun nicht mehr den Kopf zerbrechen.
Ich werde das aber weiter beobachten. Das Interesse für Rösrath endet nicht mit meiner Amtszeit.
Sie haben für eine zweite Amtszeit kandidiert, aber ohne Erfolg. Wie gehen Sie damit um?
Ich finde es ein Stück weit bedauerlich, dass ich die Wähler nicht überzeugen konnte. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe – je nachdem, wen man fragt. Der eine hat befürchtet, ich könnte als Unabhängige keine Mehrheiten im Rat gewinnen, der andere hat Probleme damit, dass ich Grüne und Frau bin.
Welche Gefühle löst das bei Ihnen aus?
Ich bin ein grundoptimistischer Mensch und freue mich auf meine neue Aufgabe. Ich steige als Beraterin und Coach ein bei einer Manufaktur für Training, Beratung und Coaching in Bensberg. Ab November starte ich mit Deeskalationstraining für Filialleitungen einer großen Einzelhandelskette, das machen wir deutschlandweit.
Da können Sie auch Ihre Erfahrungen in Sachen Personal einbringen.
Da spielt alles, was ich bisher gemacht habe, mit rein – seien es meine Erfahrungen bei einem Logistik-Dienstleister, meine Erfahrung in der kommunalen Verwaltung oder eben auch meine persönlichen Erfahrungen.
Bleiben Sie im städtischen Leben in Rösrath aktiv?
Selbstverständlich. Rösrath ist seit 1975 meine Heimat, ich habe hier meinen Schulabschluss gemacht, gelebt und geliebt, das werde ich weiterhin tun. Ich werde die Vielzahl von Kulturveranstaltungen besuchen, auch dem Karneval werde ich verbunden bleiben.
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger?
Die Aufgaben eines Bürgermeisters sind vielfältig und anspruchsvoll. Ich wünsche ihm kompetente Unterstützung für den Start und auch den Mut zu Klima- und Nachhaltigkeitspolitik. Und natürlich auch, dass die Verwaltung und der Rat gemeinsam die Stadt weiterentwickeln.
Was nehmen Sie von Ihrer Amtszeit mit?
Ich habe so unterschiedliche Erfahrungen gemacht, ich habe tolle Menschen kennengelernt. Ich habe große Resilienz und einen souveränen Umgang mit Krisen entwickelt, vertrauensvolle Zusammenarbeit kann ich ganz anders schätzen. Und ich habe mich auch persönlich weiterentwickelt. Ich möchte nicht einen Tag missen, auch wenn manche schwierig waren.
