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KundgebungMehr als 3500 Menschen demonstrieren gegen Rechts in Rösrath

Lesezeit 3 Minuten
Menschen stehen mit Plakaten dicht gedrängt auf dem Rösrather Sülztalplatz.

Stilles Gedenken auf dem Sülztalplatz.

Mit bis zu 1000 Teilnehmern hatten die Organisatoren gerechnet, aber es wurde mehr als dreimal so viele, die ein Zeichen gegen Rechts setzten.

Mit leuchtenden Farben und lauten Rufen füllten über 3500 Rösratherinnen und Rösrather am Samstag die Straßen ihrer Stadt. Sie starteten am Bahnhof und endeten auf dem Sülztalplatz. Ihre Hände hielten Plakate hoch, die Botschaften wie „Wehrt Euch, leistet Widerstand gegen Rechts und Hetze. Rösrath hält zusammen!“, „Rassismus ist keine Alternative“ oder das locker formulierte „Lieber kunterbunt statt kackbraun“ trugen.

Die Menge bestand nicht nur aus Demonstranten aller Altersgruppen und Hintergründen, sondern auch aus Rednern mit unterschiedlichen Geschichten. Eine Schülerin rief aus: „Unsere Freunde müssen hierbleiben.“ Scherbas Kulttekin, ein Flüchtling aus Syrien, erzählte seine Geschichte: „Vor zehn Jahren floh ich vor dem Bürgerkrieg in Syrien.“ Heute hat er Freunde gefunden, für die er alles tun würde. Dank der Unterstützung, die er erfahren hat, studiert er nun nach seinem Abitur.

Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie unser Land immer weiter nach rechts driftet.
Lena Müllhäuser und Johannes Bebensee, Organisatoren der Kundgebung am Rösrather Bahnhof

„Was wäre Deutschland ohne Farben?“ Mit dieser Frage eröffneten Lena Müllhäuser und Johannes Bebensee die Kundgebung am Bahnhof, die sie selbst organisiert hatten. Ihr Appell, der auf großen Applaus stieß, war klar: Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie unser Land immer weiter nach rechts driftet.

Die Folgen von Rassismus wurden durch die bewegenden Worte von Xenia Eschbach deutlich. Sie erzählte die Geschichte ihrer Eltern, Deutsche der zweiten Generation in Russland, die während des Nazi-Einmarsches zur Flucht gezwungen wurden. Als Deutschstämmige waren sie plötzlich unerwünscht, wurden vertrieben und suchten Zuflucht in Deutschland.

Wer heute rechte Ideologien leichtfertig toleriert, kann morgen nicht behaupten, er hätte von nichts gewusst.
Xenia Eschbach, Rednerin bei der Demonstration

Eschbachs Befürchtung ist, dass sich diese Geschichte wiederholen könnte. Sie warnte eindringlich: „Wer heute rechte Ideologien leichtfertig toleriert, kann morgen nicht behaupten, er hätte von nichts gewusst.“

Mit einem farbenfrohen und lauten Protestmarsch zog es die Menschen zum Sülztalplatz. Pünktlich um 11.55 Uhr verkündeten die Kirchenglocken die Ankunft. Mitch Lambrecht, einer der Organisatoren, begrüßte die Menge mit den Worten: „Es ist fünf vor zwölf und ich bin überwältigt von dem bürgerschaftlichen Engagement!“

Menge schweigt und gedenkt der sechs Millionen Opfer des Holoaust

In nur zehn Tagen hatte er zusammen mit Müllhäuser, Bebensee und 175 weiteren Personen die Demonstration und die Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz auf die Beine gestellt. Es war ein bewegender Moment, als die Menge gemeinsam schwieg und der sechs Millionen Opfer des Holocausts gedachte.

Nicole Bernstein und Marina Wittka, Mitglieder des Geschichtsvereins, verstehen den Verein als „Gedächtnis der Stadt“. Sie stellten die Fakten aus der Nazizeit klar dar und forderten: „Verbrechen müssen laut benannt werden“.

Die Atmosphäre wurde noch intensiver, als die Sopranistin Ruth Fiedler das Lied „Wiegala“ von Ilse Weber anstimmte. Weber hatte die Kinder, die sie betreute, freiwillig in die Gaskammer im KZ Auschwitz begleitet und mit ihnen auf dem Weg dorthin gesungen.

Ich bin total überwältigt.
Bondina Schulze, Bürgermeisterin von Rösrath

Rösraths Bürgermeisterin Bondina Schulze gestand: „Ich bin total überwältigt.“ Sie betonte, dass es unsere Pflicht sei, an die Menschen zu erinnern, die in dieser dunklen Zeit ihr Leben verloren haben.

Pastor Franz Gerards erzählte eine persönliche Geschichte, wie seine Mutter mit ihren vier Kindern fliehen musste, weil sie denunziert wurde. Pfarrer Thomas Rusch erinnerte an den Theologen Martin Niemöller und gab den Ratschlag: „Wenn Sie mit Menschen am Tisch sitzen, die mit rechten Parolen kommen, reden Sie, schweigen Sie nicht“.

Fortsetzung jeden dritten Samstag im Monat um fünf vor zwölf auf dem Sülztalplatz

Nach der Veranstaltung macht Lambrecht weiter: Jeden dritten Samstag im Monat um fünf vor zwölf lädt er Bürger ein, auf dem Sülztalplatz zu diskutieren. Er schlägt vor, sich jeden Tag drei Minuten Zeit zu nehmen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Ein Button oder drei Finger auf das Herz gelegt, sollen die Bereitschaft zum Gespräch signalisieren. Geplant ist zudem ein Picknick der Kulturen, bei dem sich man sich näher kennenlernen könnte. Termin: 21.09.2024.

Zum Abschluss wurde gemeinsam das Lied „Hejo, spann den Wagen an“ gesungen, mit dem modifizierten Text: „Wehrt Euch, leistet Widerstand gegen rechts und Hetze hier im Land“.

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