Reise nach IrlandWarum Andreas Wengel seinen Job für eine Traktorreise gekündigt hat

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Job und Wohnung sind gekündigt, auf geht’s mit dem Trecker nach Irland: Andreas Wengel, der in Leichlingen Am Rothenberg groß geworden ist, macht sich auf zu einem Abenteuer, von dem er noch nicht weiß, wie lange es dauern wird.

Job und Wohnung sind gekündigt, auf geht’s mit dem Trecker nach Irland: Andreas Wengel, der in Leichlingen Am Rothenberg groß geworden ist, macht sich auf zu einem Abenteuer, von dem er noch nicht weiß, wie lange es dauern wird.

  • Andreas Wengel ist in besonderer Mission unterwegs: Er sammelt Geschichten. Und freut sich deshalb über jeden, den er auf seiner Reise trifft.
  • Einen richtigen Plan gibt es nicht – Wengel hofft, dass er im spätestens im Juli in Irland ist.

Leichlingen – Bäume, Felder und Landschaften ziehen vorbei. Genauer gesagt mit 16 Kilometern pro Stunde. Andreas Wengel weiß das, obwohl er keinen Tacho hat. Vielleicht wäre der Ausblick noch viel wunderbarer, wäre da nicht dieses ohrenbetäubende Dröhnen, das – kein Wunder – vom Blechdach kaum abgedämpft wird. Nach drei Stunden ist erst einmal wieder Schluss. Motor aus, Ruhe und Stille an.

So oder so ähnlich muss es Andreas Wengel seit etwa neun Tagen gehen. „Von Leichlingen up to Ireland“, das steht hinten auf diesem ratternden Ding, mit dem er auch mit Vollgas noch ein lächelndes Smiley von sämtlichen Tempo-Displays an Grundschulen erhält: Es ist ein Traktor aus 1975, an den Wengel ein Wohnmobil gehängt hat. Nachdem er Job und Wohnung gekündigt hat. Und mit dem er nach Irland fahren will. Nach sieben Tagen Fahrt auf dem Traktor ist er bereits in den Niederlanden angekommen, sitzt an der Maas, schaut aufs Wasser. Wann er sein Ziel, Irland, erreicht? Keine Ahnung. Ist doch auch egal, oder?

Nach sieben Tagen ist Wengel an der niederländischen Maas.

Nach sieben Tagen ist Wengel an der niederländischen Maas.

Arbeit und Überstunden adé

Die Art, von seinem Abenteuer erzählen, hat etwas Cowboy-artiges. Es liegt Mut in seiner Stimme, vielleicht ein wenig Gleichgültigkeit, aber eine gesunde Art davon. „Man darf nicht immer nur an andere denken. Man muss auch mal etwas für sich tun. Wenn du merkst, du arbeitest viel mehr, als dass du dich um dich selbst kümmerst, läuft etwas schief, Baby.“

Mit seiner Traktor-Tour beweist Andreas Wengel, dass er seinen eigenen Appell ernst nimmt. Unzählige Überstunden hatten sich auf seinem Konto angesammelt, bevor er die Kündigung einreichte. Mit 15 Jahren hat er die Lehre zum Koch gemacht, war zuletzt Restaurantleiter einer Kölner Gastronomie. Nach vielen Jahren als Küchenmeister wollte er zurück an die Menschen, selbst Kontakt zum Kunden. „Ich habe den Job immer gerne gemacht. Aber vielleicht war ich schon zu perfekt darin, ich wollte mir nichts mehr beweisen.“

Eine Wohnungsübergabe und zahlreiche Kündigungen bei Stromanbietern und Versicherungen später hat sich Andreas von allen Verpflichtungen frei gemacht. „Die meisten könnten das gar nicht machen, so wie ich. Wenn du dir einen Zettel nimmst und aufschreibst, woran du alles gebunden bist, ist das in der Regel eine ganze Menge.“ Warum ausgerechnet der Traktor sein Weggefährte nach Irland sein muss? Andreas lacht. „Naja. Ein bisschen cool muss es ja auch irgendwie sein.“ Und dabei geht es ihm selbst weniger darum, sich als verrückter Weltenbummler zu profilieren. Aber: „Die Leute halten mich alle für bekloppt. Halten an, wenn sie mich auf der Straße sehen, müssen zumindest lächeln, wenn sie meine Konstruktion aus Traktor und Wohnwagen sehen. Und so kommt man ins Gespräch.“

Alleine, aber nicht einsam

Hinten auf seinem Wohnmobil sammelt Andreas Unterschriften. Jeder, der ihm begegnet, soll sich darauf verewigen. In den Tagen, in denen er schon unterwegs ist, ist etwa der Schriftzug eines begeisterten Sammlers von Deutz-Motoren hinzugekommen. Der hat Andreas sogar zum Kaffeetrinken zu sich nach Hause eingeladen. Jüngste Unterschrift: die eines ADAC-Mitarbeiters, der Andreas half, als die Batterie des Traktors streikte. „Ich sammle Geschichten. Mehr mache ich eigentlich nicht“, sagt Andreas. Und fühlt sich genau wegen solcher Begegnungen nicht einsam, so allein in seinem Wohnmobil.

Oft ein Hindernis: Auf vielen Straßen sind Trecker verboten.

Oft ein Hindernis: Auf vielen Straßen sind Trecker verboten.

Andreas ist jetzt 54 Jahre alt. Die meisten Männer sind in seinem Alter wohl verheiratet, haben Kinder, vielleicht ein Haus. Andreas hat sogar schon ein eigenes gebaut. Ist inzwischen geschieden von seiner damaligen Frau. Wieder zurück in so ein Leben? In einer Wohnung „herumhocken“? Für Andreas scheint es gar keine Worte zu geben, die solch ein Leben als dauerhaft positiv beschreiben würden. Alleine an der Art, wie er spricht, merkt jeder, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. „Wenn du dich selber dabei erwischt, dass du lächelst und Gänsehaut bekommst, braucht man nichts bereuen. Das ist nur ein ganz kurzer Moment, aber den zu spüren: Absolut fett.“

Namenloses Gefährt

Schon jetzt nicht mehr arbeiten zu gehen wird nicht für die Rente reichen. Das weiß Andreas selber. Wann er wieder zurückkehrt, weiß er trotzdem noch nicht. Einen Plan wird die Zeit von allein mit sich bringen. Was als nächstes ansteht? Der Traktor soll einen Namen bekommen. „Selbst wenn er einmal mit Unterschriften vollgeschrieben ist: Ich würde ihn nicht einfach weggeben können. Das wächst einem schon ans Herz.“

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