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Bäckerei GladbachDer letzte Königskuchen

Lesezeit 3 Minuten

Fast täglich in der Backstube steht Willi Gladbach seit 51 Jahren. Zum Monatsende schließt der Familienbetrieb. (Foto: Fratz)

Bergheim-Rheidt-Hüchelhoven – 51 Jahre lang haben Willi und Johanna Gladbach keinen Urlaub gemacht, täglich in Backstube und Laden gestanden und die letzte Einkaufsmöglichkeit in Rheidt-Hüchelhoven aufrecht erhalten. Jetzt schließt die Bäckerei mit kleinem Lebensmittelsortiment zum Monatsende für immer die Ladentür.

Willi Gladbachs Großvater Matthias Kames kam 1924 aus Korschenbroich nach Rheidt und kaufte den kleinen Laden an der Düsseldorfer Straße. „Ein kleines Geschäft mit zwei Fensterchen und einer Tür“, erzählt Gladbach aus der Firmengeschichte.

Nach und nach wurde an- und ausgebaut, in den 40er Jahren übernahm Vater Heinrich den Betrieb. Willi Gladbach begann dort 1963 im Alter von 14 Jahren seine Lehre. 1971 wurde der Betrieb als erster im Landkreis vollelektrifiziert, viele Kollegen kamen nach Rheidt, um sich die Technik anzuschauen. 1978 übernahm Willi Gladbach mit seiner Frau Johanna, geborene Netten aus Elsdorf, die Bäckerei.

25 Lehrlinge hat Willi Gladbach ausgebildet, vor zwei Jahren war einer von ihnen gar Innungsbester. Die letzten beiden Lehrlinge sind seit Sommer Gesellen.

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang klingelte der Wecker in aller Herrgottsfrühe. Willi Gladbach stand täglich, viele Jahre lang auch sonntags, um 2.30 Uhr in der Backstube, seine Frau ab 5.30 Uhr im Laden. Bis 10 Uhr wurden Brot, Brötchen und Kuchen gebacken, und um 15.30 wurden noch einmal frische Abendbrötchen in den Ofen geschoben. „15 bis 16 Stunden haben wir jeden Tag gearbeitet“, sagt Gladbach. Und damit nicht genug: Samstags fuhr Gladbach mit einem Verkaufswagen nach Büsdorf und Hüchelhoven, um seine Backwaren bis vor die Tür zu liefern.

„Mein Hobby ist die Weihnachtsbäckerei“, sagt Gladbach. Alles habe er selbst gebacken. Dominosteine, Spekulatius, Spitzkuchen und jährlich 400 bis 500 seiner legendären Christstollen. Auch an St. Martin war Hochbetrieb im „Backes“. Rund 3000 Weckmänner formten Gladbach und sein Team. „Alle mit der Hand gemacht. Die ausgestanzten sind zu platt“, findet der Meister.

Viel zu tun gab es früher auch stets zur Kirmes. „Da haben wir oft 300 vorbestellte Torten hergestellt und in Rheidt ausgeliefert“, erinnert sich der 65-Jährige.

Mit all dem ist am Monatsende endgültig Schluss. „Die beiden Söhne wollten nicht übernehmen“, sagt Gladbach. „Besonders für die älteren Rheidter ist das schade. Der Entschluss ist uns nicht leicht gefallen“, versichert Johanna Gladbach. Es habe schöne Zeiten gegeben, der ständige Kontakt mit der Stammkundschaft, die 90 Prozent ausmache, werde ihr sicher sehr fehlen.

Willi Gladbach verschweigt aber auch nicht, dass wegen der Einkaufsmöglichkeiten in den Nachbarorten der Umsatz der Bäckerei zurückgegangen sei, „aber das ist nicht der Grund“, betont er.

„Ich will an die Zeit danach noch gar nicht denken“, sagt Johanna Gladbach. Das Ladengeschäft und auch die Wohnung wollen die Geschäftsleute jetzt verkaufen. „Das ist uns für zwei Personen viel zu groß“, sagt Gladbach. „Schön wäre, wenn wieder ein Lebensmittelladen oder ein Bäcker ins Haus käme“, sagt Johanna Gladbach. Wichtig sei, dass die Rheidter und Hüchelhovener weiterhin eine Einkaufsmöglichkeit hätten.

Am Freitag will der Bäcker zur Kirmes, die am kommenden Wochenende stattfindet, zum letzten Mal seine im Ort und darüber hinaus beliebten Königskuchen, sein Lieblingsrezept mit gefülltem Blätterteig, backen. Und nach der Kirmes will das Ehepaar Urlaubspläne schmieden.