Abo

Kommentar zu AbrissplänenAltes Rathaus in Bedburg – Frisst das Geld die Moral?

2 min
Auf dem Foto ist das alte Rathaus in Bedburg zu sehen.

Das alte Rathaus in Bedburg ist in einem schlechten Zustand. Die Stadtverwaltung und Teile der Politik erwägen einen Abriss.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Es stellt sich nur die Frage, wie weit eine Kommune dabei gehen darf.

Neu ist diese Erkenntnis nicht: Der Rhein-Erft-Kreis ist kein einheitliches Gebilde, das ist der Historie jeder der zehn Städte geschuldet, der Großflächigkeit des Kreisgebiets und auch unterschiedlicher politischer Weichenstellungen in den vergangenen Jahrzehnten. Und dann gibt es noch den Faktor, der da Zufall heißt. Gemeint ist die Lage, in dem Fall die Nähe zu Köln.

Dieser Faktor wirkt sich, wie diese Woche erneut gezeigt hat, auf politische und wirtschaftliche Entscheidungen aus. Während auf der einen Seite in Hürth ein millionenschweres Paket für den Bau einer Stadtbahnverbindung ins Stadtzentrum beschlossen worden ist, greift Bedburg nach jedem noch so kurzen Strohhalm, um die klammen Finanzen halbwegs im Gleichgewicht zu halten – um handlungsfähig zu bleiben, ohne ein von der Bezirksregierung Köln kontrolliertes Haushaltssicherungskonzept. In diesem Bemühen lässt die Stadtverwaltung nichts unversucht, schreckt auch vor vermeintlichen Tabus nicht zurück.

Ein solches Tabu ist das alte Rathaus in Bedburg. Da eine wie auch immer geartete neue Nutzung Millionen erfordern würde, könne man es auch abreißen, hieß es. Zumindest bei der SPD schien dieser Gedanke auf fruchtbaren Boden zu fallen. Unmittelbarer Widerspruch anderer Fraktionen blieb aus. Immerhin meldete sich die CDU nach zwei Tagen und fordert den Erhalt des historisch wertvollen Gebäudes.

Moral spielte dabei keine Rolle

Seinen Wert bezieht es daraus, dass es einst der jüdischen Kaufmannsfamilie Franken gehörte, die das Haus im Barockstil für einen Spottpreis an die Nazis verkaufen musste. Moral spielte dabei keine Rolle. Aber wie ist es darum heute bestellt?

Und wie halten es die Verantwortlichen in Bedburg mit dem Grundgesetz? Eigentum verpflichtet, heißt es darin. Gilt dies nur für Privatleute, denen die Verwaltung Bußgelder auferlegt, wenn sie ihre Immobilie vor sich hingammeln lassen? Müssen politisch verantwortungsbewusst Handelnde in Rathaus und in der Politik nicht gerade höchste Ansprüche an ihr eigenes Handeln stellen?

Das Foto zeigt Fahrgäste, die am Bahnsteig stehend, auf eine einfahrende Bahn warten.

Auch die Stadtbahnlinie 18soll künftig aus dem Stadtsäckel finanziert werden.

Bedburg erfährt gerade eine Abkehr davon, was seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gesellschaftlicher Konsens war und gerade in den vergangenen Jahren zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses gerückt war: der verantwortungsbewusste Umgang mit dem eigenen Erbe, auch dem jüdischen Erbe. Nur derjenige, der aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit gelernt hat und sich ihnen stellt, wird die Zukunft positiv gestalten können.

Bedburg hat sich einen Namen als innovative Stadt gemacht, nicht zuletzt durch den konsequenten Einsatz neuer Energiequellen wie der Windenergie. Mit einer Debatte um den Abriss des alten Rathauses rückt die Stadt sich selbst nun in ein fragwürdiges Licht.