Alle freiwilligen Ausgaben der Stadt kommen nun auf den Prüfstand, Festival Brühler Markt ist nicht betroffen.
Gewaltiges Loch im StadtsäckelKämmerer verhängt für Brühl ab sofort eine Haushaltssperre

In Brühl wurde eine Haushaltssperre verhängt, weil sich die Stadt in finanzieller Schieflage befindet.
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Die Schieflage der städtischen Finanzen ist bereits seit geraumer Zeit bekannt. Im Hauptausschuss Anfang Juni wartete der Brühler Kämmerer Rolf Radermacher mit Zahlen auf, die die Sorge vor der Pflicht zur Aufstellung eines Haushaltsicherungskonzepts (HSK) schürte.
Insbesondere die Gewerbesteuereinnahmen hatten sich ungünstig entwickelt. Die Stadt steuere auf ein Defizit im Jahresabschluss 2025 von 25,07 Millionen Euro zu, hieß es damals. Hinzu komme, dass das Erreichen eines eingeplanten globalen Minderaufwands von 3,8 Millionen Euro nicht vollständig zu erkennen sei. Ein Defizit von dann über 28,8 Millionen Euro hätte die HSK-Pflicht zur Folge. Nun hat der Kämmerer die Reißleine gezogen und eine Haushaltssperre verhängt.
Veranstaltungen und Vergünstigungen könnten gestrichen werden
Darüber wurden alle Dienststellen der Verwaltung informiert. Konkret bedeutet dies, dass freiwillige Leistungen hinterfragt und möglicherweise gestrichen werden, es sei denn, die Stadt hat sich bereits vertraglich dazu verpflichtet. Das laufende Kulturfestival Brühler Markt steht somit nicht in Frage. Die Verträge mit den Künstlern sind längst geschlossen. Andere Veranstaltungen und Vergünstigungen könnten aber gestrichen werden.
Möglich wäre es auch, Beförderungen und Einstellungen zu verschieben. Kritiker dürften beispielsweise den Innovationsfond für Schulen erneut in Frage stellen. Auch manche nicht dringende Reparatur könnte später erfolgen. Konkrete Angaben seitens der Verwaltung oder gar eine Streichliste gibt es offenbar noch nicht. Zumal auch nicht präzise gesagt werden kann, wie groß das zu stopfende Loch tatsächlich sein wird. Zuletzt war von rund 800.000 Euro die Rede.
Offenbar ging es Kämmerer Radermacher um ein Signal. „Ich habe keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als jetzt ein klares Zeichen zu setzen. Dabei habe ich bewusst auf eine mögliche, aber nicht eingeplante Entnahme von Gewinnen der Stadtwerke verzichtet“, erklärt er.
Ob und wann die Sperre wieder aufgehoben werden könne, hänge von der weiteren Entwicklung ab. Grundsätzlich könne auch der Stadtrat die Aufhebung erwirken, erläutert er. „Für die Bürgerschaft verändert sich zunächst konkret nichts. Alle Verträge werden eingehalten und auch bereits zugesagte Zuschüsse etwa an Sportvereine werden gezahlt“, betont Radermacher.
CDU beklagt fehlende Bereitschaft zu sparen
Die Brühler CDU erklärt, die Sperre sei aus haushaltsrechtlichen Gründen unabwendbar geworden, weil die Stadt über einen zu langen Zeitraum mehr Geld ausgegeben als eingenommen habe. Die Sparvorschläge der CDU seien zu oft ignoriert worden. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Holger Köllejan, sagt: „Es gab keinen Sparwillen. Unsere Warnungen wurden ignoriert. Die heute verhängte Sperre ist nunmehr die logische und vorhersehbare Folge einer in Teilen verschwenderischen Ausgabenpolitik von Rot-Grün.“
Sein Pendant von der SPD, Marcus Venghaus, erklärt: „Es war klar, dass es eng werden würde. Bund und Land übertragen den Kommunen immer mehr Pflichtaufgaben, ohne für die nötige Finanzierung zu sorgen. Aber wer die Musik bestellt, muss auch für die Bezahlung sorgen.“ Dennoch will auch die SPD ihren Beitrag leisten. Am 9. Juli wollen die Fraktionen miteinander sprechen. „Es ist gut, dass wir im geschützten Raum zusammenkommen und gemeinsam schauen, was wir tun können“, so Venghaus.
Man muss mit Maß sparen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen
Grünen-Fraktionschefin Simone Holderried kritisiert den Informationsfluss. Bis zum Mittwochvormittag (2. Juli) habe sie nur informell von der Haushaltssperre gehört. „Ohne Unterlagen und Zahlen fehlt die Grundlage für eine seriöse Bewertung“, meint sie. Die chronische Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden könne man nicht auf kommunaler Ebene beenden. Wohl aber kleine Schritte leisten. „Meines Erachtens braucht es kein Dienstauto für den Bürgermeister“, so Holderried, die sich im September um das Amt bemühen wird.
FDP-Fraktionschef Jochem Pitz betont, man müsse mit Maß sparen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen und die Attraktivität der Innenstadt nicht zu schädigen.
In Wesseling gilt bereits seit April eine Haushaltssperre
In Wesseling wurde bereits im April eine Haushaltssperre verhängt. Dort finden städtische Veranstaltungen wie die Seniorenschifffahrt, das Oldtimertreffen und der Jahresempfang des Bürgermeisters nicht statt. Dies gilt auch für interne städtische Veranstaltungen wie den Team-Tag und die Weihnachtsfeier. Auch die Förderung von Vereinen und von Schulprojekten wird ausgesetzt.
Düster sind die Aussichten auch in Kerpen: Das jährliche Defizit könnte bis 2028 auf 60 Millionen im Jahr steigen, falls die Stadt nicht gegenlenkt, hatte Kämmerer Thomas Schaaf im Herbst 2024 gewarnt.