Bundesweit fehlen 40.000 Plätze. Auch in Frechen müssen die Kraftfahrer oft verkehrsgefährdend parken und finden nicht genügend Ruhe.
Raststätte Frechen NordSo gefährlich ist der Mangel an Lkw-Stellplätzen an Autobahnen

Klaus-Dieter Oleksin, zweiter Vorsitzender des ACE in Köln, hat die Parkplatznot für Lkw an der Raststätte Frechen-Nord untersucht.
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Der junge Lkw-Fahrer Dimitar von einer Hamburger Spedition hat es geschafft – er klettert an einem frühen Herbstabend mühsam aus der Fahrerkabine, streckt sich und seine müden Augen strahlen: Auf der Raststätte Frechen Nord an der A4 hat er einen sicheren Parkplatz für seinen Lkw gefunden und kann nun Pause machen. Das ist allerdings nicht selbstverständlich.
Der gravierende Mangel an Lkw-Stellplätzen entlang der deutschen Autobahnen führt zu einem gefährlichen Risiko für alle Verkehrsteilnehmer – zu diesem alarmierenden Ergebnis kam eine landesweite Erhebung des Auto Club Europa (ACE). Die Rastanlage Frechen Nord fiel dabei besonders negativ auf.
Wer hier nachts beim Einfahren die kleine Warnweste am letzten Lkw in der Einfahrspur nicht sieht, riskiert einen schweren Verkehrsunfall
Die Ehrenamtlichen zählten dort am frühen Abend 85 geparkte Lkw, obwohl es nur 51 Lkw-Stellplätze gebe. Dies sei eine Belegung von 167 Prozent. Zudem seien an der Frechener Raststätte auffallend viele Fahrzeuge verkehrsgefährdend abgestellt worden: Durch die Lkw seien die Einfahrten und Fahrspuren verengt sowie Hinweisschilder verdeckt und zahlreiche Pkw-Parkplätze durch Lkw zugeparkt worden.
„Wer hier nachts beim Einfahren die kleine Warnweste am letzten Lkw in der Einfahrspur nicht sieht, riskiert einen schweren Verkehrsunfall“, schildert Klaus-Dieter Oleksin, zweiter Vorsitzender des ACE Köln. „In der Not werden die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer erfinderisch, so dass sie sogar Wege finden, auf die eigentlich für Lkw nicht zugänglichen Pkw-Parkplätze zu gelangen“, berichtet er weiter. „Leider können wir die Parkplatznot auf dieser Raststätte nicht als Ausnamezustand bezeichnen, denn auf vielen weiteren Raststätten und Rastplätzen sieht es ähnlich aus“, so der Ehrenamtliche.
Frechen: Gefährliche Situationen und hohes Unfallrisiko
„Die Ergebnisse verdeutlichen nicht nur die prekären Arbeitsbedingungen, denen Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer täglich ausgesetzt sind, sondern zeigen auch das erhebliche Risiko für alle Verkehrsteilnehmer auf, es ist ein schwerwiegendes Problem“, merkt Tolga Kaya, Regionalbeauftragter des ACE in Nordrhein-Westfalen, an. „Der Mangel an Lkw-Stellplätzen zwingt Fahrerinnen und Fahrer dazu, ihre Fahrzeuge in Bereichen abzustellen, die weder geeignet noch sicher sind. Dies führt unweigerlich zu gefährlichen Situationen, erhöht das Unfallrisiko und belastet das gesamte Verkehrssystem.“
Parkplätze an Raststätten unterstehen der Verwaltung der bundeseigenen Autobahn GmbH, die auch für die Planung, den Bau und den Betrieb von Stellplätzen verantwortlich ist. Dies gilt auch für die Parkflächen der Rastanlage Frechen Nord.
Frechen ist „eine Fahrerschicht“ von den großen Frachtzentren entfernt
Ein Sprecher Autobahn GmbH Niederlassung Rheinland bestätigt, dass diese Rastanlage zwar bis 2021 erweitert worden, sie inzwischen aber wegen der Zunahme des Lkw-Verkehrs wieder überlastet sei. „Die unzureichende Anzahl an Lkw-Parkständen betrachten wir generell als wichtige Aufgabe. Auch, weil die betroffenen Fahrer jederzeit damit konfrontiert sind, gefährliche oder ungeeignete Abstellorte verlassen zu müssen, häufig zulasten ihrer Pausenzeiten“, teilt das Unternehmen mit.
Das Defizit an Lkw-Parkständen, das der ACE nenne, decke sich mit den eigenen Zählungen, die zuletzt 2023 stattfanden. Es sei in Frechen eine Nutzung von 155 Prozent, vor der Erweiterung von 192 Prozent festgestellt worden. Frechen sei eine „Fahrer-Schicht“ von den großen Frachtzentren, den Nordseehäfen, entfernt und daher wie die Raststätte Aachener Land besonders frequentiert.
„Der Neubau von Rastanlagen, bzw. die Erweiterung bestehender sind im Blick und werden verfolgt. Jedoch sind neue Flächen knapp oder stehen nicht dort zur Verfügung, wo sie benötigt werden. Dies betrifft insbesondere die untersuchte Region“, so die Autobahn GmbH.
Die allabendliche, oftmals vergebliche Suche nach einem freien Parkplatz ist für zehntausende Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer „Stress pur“. Nur ausgeruhte Lkw-Fahrer sind sichere Lkw-Fahrer.
Der Fokus werde daher auf eine bessere Nutzung der vorhandenen Plätze gelegt, auch mit Hilfe von IT-gestützten Verfahren, die die Lkws sortieren und steuern. Ein weiterer Lösungsvorschlag: Die nachts weniger frequentierten Pkw-Parkplätze könnten von 18 bis 6 Uhr temporär für Lkw freigegeben werden. Ein Lkw passe längs auf sechs nebeneinanderliegende Pkw-Plätze, bislang sei dies unzulässig.
Ein klares Statement hat auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) – er geht von aktuell 40.000 fehlenden Lkw-Stellplätzen entlang der deutschen Autobahnen aus: „Die allabendliche, oftmals vergebliche Suche nach einem freien Parkplatz ist für zehntausende Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer „Stress pur“. „Lkw-Parkplätze sind wichtige Einrichtungen zur Erholung des Fahrpersonals, denn nur ausgeruhte Lkw-Fahrer sind sichere Lkw-Fahrer“, teilt ein BGL-Sprecher mit. Überflüssiger Verkehr durch Parkplatzsuche sei zudem nicht nur unökonomisch, sondern auch unökologisch.

Seit vielen Jahren beklagen Logistikunternehmen und Verbände einen Mangel an Parkplätzen für Lastwagen. (Symbolbild)
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Der BGL habe 2021 die in Kraft getretene Förderrichtlinie für den Bau von Lkw Stellplätzen auf privatem Gelände in Autobahnnähe initiiert. Hierfür seien binnen vier Jahren 110 Millionen Euro vom Bundesverkehrsministerium zur Verfügung gestellt worden, mehr als 1.100 zusätzliche Stellplätze hätten realisiert werden können.
„Ursache für den schleppenden Ausbau oder gar Neubau von Lkw-Parkplätzen sind komplizierte Genehmigungsverfahren mit umfangreichen Einspruchsmöglichkeiten für Umweltverbände und Anwohner. Letztere haben vielfach Angst vor einem Wertverlust ihrer Immobilie, führen aber auch Argumente wie drohende Lärmbelästigung z.B. durch pausierende Bus-Reisegruppen oder die Furcht vor steigender Kriminalität (!) ins Feld“, so der BGL.
Verkleinerte Parkbuchten in Industriegebieten
Der Verband schlägt zudem vor, die vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen: „Viel zu viele Lkw-Stellplätze entlang der deutschen Autobahnen werden von Lkw aus osteuropäischen Niedriglohnländern blockiert und quasi als ausgelagerter Speditionshof genutzt, indem Lkw tage- und wochenlang dort parken und auf neue Aufträge warten. Deshalb sprechen wir uns für exorbitant hohe Parkgebühren ab einem Zeitraum von z.B. 24 oder 48 Stunden aus.“
Auch die Gewerkschaft Transport & Logistik (GTL) spricht von einer Verkehrsgefährdung: „Wir setzen uns seit mehreren Jahren dafür ein, dass mehr Parkplätze gebaut und bestehende umgebaut werden, damit die Berufskraftfahrenden einen erholsamen Schlaf finden. Die Parkplätze müssen so gebaut bzw. umgebaut werden, dass die Fahrzeuge mit der Kabine von der Fahrbahn weg geparkt werden können und Lärmschutzwände als zusätzlicher Schutz dienen“, fordert Matthias Huckebrink, der stellvertretende Bundesvorsitzende.
Ein Unternehmen darf sich ansiedeln, aber der Lkw, der die produzierten Dinge abholt oder Materialien anliefert, sollte möglichst nicht dort parken oder seine Ruhezeit dort verbringen
Ein weiteres Problem sei, dass in vielen Industriegebieten, in denen Berufskraftfahrende ausweichen könnten, die Parkbuchten verkleinert würden, damit ein LKW dort nicht hineinpasse. Es wäre Städten und Kommunen zu empfehlen, dieses wieder zuzulassen. „Ein Unternehmen darf sich ansiedeln, aber der Lkw, der die produzierten Dinge abholt oder Materialien anliefert, sollte möglichst nicht dort parken oder seine Ruhezeit dort verbringen. Hier wäre das Verursacherprinzip unserer Meinung gut angebracht“, so Huckebrink.
Für Dimitar nimmt der Abend eine noch glücklichere Wendung: Sein Freund Stefan hat auch einen Stellplatz in Frechen Nord ergattert, die beiden Männer werden nun gemeinsam kochen und danach mit ihren Familien telefonieren.

