In einer Sondersitzung des Rates räumt die Verwaltung einen Fehler ein und bittet die entrüsteten Politiker um Entschuldigung.
Aus für Geflüchteten-EinrichtungFrechener Verwaltungsspitze gibt zu: haben Rat falsch informiert

Zur Sondersitzung des Rates zur Absage der ZUE, die die Perspektive für Frechen, die FDP und das BSW beantragt hatten, kamen viele interessierte Bürger.
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Das Scheitern der geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes für bis zu 300 Geflüchtete in Frechen-Königsdorf hat am Dienstag (28. Oktober) weiter für hitzige Diskussionen im Ratssaal der Stadt gesorgt. Aufgrund gesunkener Flüchtlingszahlen und Verzögerungen durch nötige Artenschutzgutachten hatte das Land die Pläne für Frechen gestrichen. Das erfuhren weite Teile der Politik allerdings zunächst aus dieser Zeitung. Tage zuvor hatte Dezernent Andreas Pöttgen noch behauptet, es gebe keinen neuen Stand.
Die Folge: Wegen der „Relevanz und Brisanz der Angelegenheit als auch der nicht nachvollziehbaren und völlig unverständlichen Passivität der Verwaltung sowie nicht erfolgter Informationen“ hatten die Fraktionen der Perspektive für Frechen, der FDP und des BSW eine Sondersitzung des alten Rates beantragt.
Schon vorab gab es harsche Kritik der Politiker an der Verwaltung, insbesondere an Pöttgen. Er hatte in der Ratssitzung Ende September auf die Frage der damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Karla Palussek nach dem Stand der ZUE-Pläne geantwortet, dass die Verwaltung „keine neuen Erkenntnisse“ habe. Dies stellte sich jedoch als falsch heraus, da die Stadt zu dem Zeitpunkt bereits über die Absage der ZUE informiert war.
Frechen: Verwaltung räumt einen Fehler ein
Die geänderten Pläne der NRW-Regierung hatte der Frechener CDU-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Thomas Okos zwei Tage nach der Ratssitzung öffentlich gemacht. Er leitete gestern als Stellvertreter von Bürgermeisterin Susanne Stupp (CDU) die Sondersitzung, sie ließ sich aus terminlichen Gründen entschuldigen. Okos verabschiedete sich damit nach elfeinhalb Jahren aus dem Rat, er hatte bei der Kommunalwahl sein Mandat verloren.
Ich hätte das so nicht sagen dürfen, uns ist es ein Anliegen, um Entschuldigung zu bitten
In der Vorlage zur Sondersitzung räumte die Verwaltung ein, dass eine Information des Rates im nicht-öffentlichen Teil hätte erfolgen müssen und die von Pöttgen „getätigte Aussage nicht hätte erfolgen dürfen. Dieses Vorgehen hat zu einer vermeidbaren Vertrauenslücke geführt. Eine Information wäre angezeigt gewesen, für diesen Fehler bittet der Verwaltungsvorstand den Rat um Entschuldigung.“

Andreas Pöttgen (SPD) ist seit 2023 Beigeordneter der Stadt Frechen.
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Als Grund nennt die Verwaltung eine Absprache mit dem Land, die Information erst weiterzugeben, wenn alle weiteren betroffenen Kommunen persönlich benachrichtigt worden wären. Auch in der Sondersitzung entschuldigte sich Pöttgen erneut: „Ich hätte das nicht so sagen dürfen, uns ist es ein Anliegen, um Entschuldigung zu bitten.“
Ich bin absolut fassungslos. Das war kein Fehler, sondern eine klare Lüge
Die Politiker ließen sich dadurch aber nicht wirklich besänftigen, zumal sich erst nach intensiven Nachfragen herausstellte, dass nicht nur Pöttgen, sondern der gesamte Verwaltungsvorstand von der Absage gewusst und in der betreffenden Ratssitzung geschwiegen hatte.
Dem Verwaltungsvorstand gehören neben Pöttgen Bürgermeisterin Stupp, die Kämmerin und Erste Beigeordnete Gudrun van Cleef sowie die Technische Beigeordnete Magdalena Pötschke an. „Das ist keine Privatangelegenheit von mir. Wir haben uns jederzeit vollumfänglich abgestimmt und haben das alles zusammen gemacht. Die Verwaltung hat sich mit meiner Auskunft an die Absprache mit der Bezirksregierung gehalten“, erläuterte Pöttgen.
So etwas habe ich in 20 Jahren Ratsarbeit noch nicht erlebt und möchte ich auch nicht wieder erleben
Entsetzt reagierte Peter Singer, BSW-Fraktionsvorsitzender: „Ich bin absolut fassungslos, das ist kein Fehler, sondern eine klare Lüge.“ Auch die FDP-Fraktionsvorsitzende Angela Lindemann-Berk bemängelte, dass es nur auf Anfrage eine Entschuldigung gegeben habe, die reine Sprachkosmetik sei. Es habe eine ganz gezielte Falschinformation gegeben, die keine Vertrauenslücke, sondern einen eklatanten Vertrauensverlust verursacht habe.

In den hinteren 90 Prozent des Geländes wollte die Stadt den Königsdorfer Forst erweitern und damit Ausgleichsflächen für Bauprojekte schaffen.
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Und Dieter Zander, Fraktionsvorsitzender der Prspektive für Frechen, konstatierte: „Das war ein Schuss ins Kontor, was vertrauensvolle Arbeit angeht. So etwas habe ich in 20 Jahren Ratsarbeit noch nicht erlebt und möchte ich auch nicht wieder erleben.“
Unterdeckung von 286 Geflüchteten
Angesichts der drängenden Probleme der Unterbringung Geflüchteter in Frechen, die durch die Absage der 300 Landesplätze nun erheblich verschärft wird, zeigten sich die Ratspolitiker trotz aller Kritik aber auch kompromissbereit : „Wir strecken unsere Hand aus“, so Zander.
Pöttgen erläuterte, die Verwaltung habe keinen Plan B und arbeite nun mit Hochdruck an neuen Lösungen, die Anfang Dezember dem Hauptausschuss vorgestellt werden sollen: „Wir haben aus verschiedenen Gründen ein Umsetzungsdefizit und heute eine Unterdeckung von 286 Plätzen.“ Als Kompensation der Absage hat das Land NRW der Stadt einen Zuweisungsstopp bis Ende des Jahres sowie danach eine gedrosselte Zuweisung auf drei Geflüchtete pro Woche zugesagt. Der Zeitrahmen dafür muss noch verhandelt werden.
Bislang kamen bis zu zehn Schutzsuchende pro Woche nach Frechen. „Wir werden Frechen in der Situation unterstützen, damit Sie wirklich etwas Luft bekommen“, sicherte in der Sondersitzung Carola Holzberg zu. Sie leitet im NRW-Ministerium die Abteilung Flucht.

