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InterviewKatrin Göring-Eckardt spricht in Frechen über ihr neues Buch

4 min
Auf dem Bild ist die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zu sehen.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt liest in Frechen aus ihrem neuen Buch.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt hat Menschen im ganzen Land getroffen und mit ihnen über Probleme und Herausforderungen gesprochen.

„Deutschland, lass uns reden - eine Reise durch die Seele der Republik“ heißt das neue Buch der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Über ihr Anliegen, ihre Begegnungen und ihre Erkenntnisse aus den Gesprächen hat sie mit Alexa Jansen gesprochen. Am Freitag, 17. Oktober, kommt sie zu einer Lesung und Diskussion nach Frechen. 

Was war der Impuls für die Idee zu Ihrem neuen Buch?

Im Sommer 2023 war ich auf einer Tour zu Orten der Demokratie durch Ostdeutschland. Ich wollte mit Menschen ins Gespräch kommen, die etwas bewegen, sich engagieren. Auf der Station in Dessau demonstrierten einige sehr wütende Menschen auf meiner Route und warteten auf mich. Mehr als „Wir sind hier an der Elbe“ konnte ich nicht sagen. Sie haben mich sofort angeschrien. Es war gar kein Gespräch möglich, noch nicht einmal ein lautes. Diese Begegnung war Auslöser dieses Buchs und des Gedankens, der Wut auf den Grund zu gehen.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Gesprächspartner ausgewählt?

Ich wollte Menschen im ganzen Land treffen. In Ost und West, in Nord und Süd, aus den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft. Vor allem außerhalb der eigenen Blase. Das war mir wichtig, um einen möglichst authentischen und vielfältigen Eindruck zu gewinnen. Mir ging es darum, von den Problemen und Herausforderungen zu hören, die die Menschen ganz individuell, aber auch, welche sie für die ganze Gesellschaft sehen.

Wie liefen die Gespräche ab?

Ich habe mir sehr viel Zeit für die Gespräche genommen. Mir war bewusst, dass wenn ich der Stimmung der Menschen auf den Grund kommen will, braucht es Zeit, eine gemeinsame Ebene zu finden. Natürlich hatte ich mir einige Fragen überlegt, aber wenn nicht sofort eine Antwort kam, habe ich diese Momente des Schweigens ausgehalten. Das Wesen von Politikerinnen und Politikern ist es leider, immer für alles eine Antwort parat haben zu wollen. Aber genau darum sollte es nicht gehen.

Was sind die drei wichtigsten Erkenntnisse, die Sie bei den Gesprächen gewinnen konnten?

Zuerst ist da die Erkenntnis: Wir können noch miteinander reden, trotz allen Frusts und aller Meinungsverschiedenheiten. Aber dieses miteinander Reden, das ist die zweite Erkenntnis, braucht Zeit, Ruhe. Das sollten wir uns wieder viel mehr vornehmen, ja gönnen. Und die dritte Erkenntnis ist: Bei manchen Menschen in unserem Land scheint die Erwartungshaltung an Politik verrutscht zu sein. Sie wollen ihre individuellen Probleme von „denen da oben“ in Berlin gelöst bekommen. Das ist ein falsches Verständnis von Politik, dem Politikerinnen und Politiker nicht nach dem Mund reden sollten.

Was hat Sie bei den Begegnungen überrascht?

Eine große Sorge gab es, als wir die Termine für die Gespräche organisiert haben: Was ist, wenn niemand zusagt? Das Gegenteil war der Fall: Alle, die wir angefragt haben, waren sofort dazu bereit. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und auch bei denen, die mir vielleicht gedanklich am weitesten entfernt waren, kam es im Laufe des Gesprächs fast immer zu konstruktiven Gedanken.

Welches Gespräch hat Sie am meisten beeindruckt?

In diesen Tagen rund um den 7. Oktober denke ich besonders an das Gespräch mit Charlotte Knobloch zurück. Ich habe sie im Oktober 2024 in München besucht, ein Jahr nach dem unbeschreiblichen Angriff der Hamas auf Israel. Sie sagte mir damals: „Ich verspüre eine gewisse Zurückhaltung uns gegenüber, auch von Menschen, die uns positiv gesinnt sind.“ Diese Zurückhaltung, die sie beschrieb, die macht mich fassungslos: Es darf nicht sein, dass sich Jüdinnen und Juden in unserem Land nicht mehr sicher fühlen.

Was sehen Sie als das dringendste Problem der aktuellen Gesellschaft, das sich auch in Ihrem Buch widerspiegelt?

Wir leben in Zeiten, die zwingende Veränderungen von uns verlangen, um die Lebensgrundlagen für die Generationen nach uns zu erhalten. Diese Veränderungen funktionieren nur mit einer Gesellschaft, die bereit ist, diese Veränderungen anzugehen, und die weiß, warum es sie benötigt. Dabei muss es und das ist die Aufgabe von Politik, gerecht zu gehen. Das wird noch ein weiter und anstrengender Weg.

Welche Wünsche haben Sie an die gesellschaftliche Stimmung im Land?

Dass wir bei aller berechtigter Sorge öfter mal einen Schritt zurücktreten, kurz durchatmen und uns dann fragen, ob es an dieser Stelle gerade die Aufregung braucht. Dass wir mehr ans Miteinander, statt ans Gegeneinander denken.

Was ist Ihr ganz persönlicher Tipp für ein besseres Miteinander?

Offen für andere Haltungen und Meinungen bleiben. Der oder die andere könnte ja auch recht haben


Über ihre Erfahrungen rund um ihr neues Buch spricht Katrin Göring-Eckardt im Rahme des Grünen Forum in Frechen. Der Abend mit Diskussion findet am Freitag, 17. Oktober, 20 Uhr, im Saal St. Audomar, Kölner Straße 3, statt. Der Eintritt ist frei, um eine Anmeldung unter silvia.maul@gruene-frechen.de wird gebeten.


Zur Person:

Katrin Göring-Eckardt, geboren 1966 in Friedrichroda (Thüringen), ist Politikerin bei Bündnis 90/Die Grünen. Politisch sozialisiert ist sie durch die Zeit der Friedlichen Revolution in der DDR. Seit 1998 sitzt sie für ihre Partei im Deutschen Bundestag. Sie war langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Bei den Bundestagswahlen 2013 und 2017 zog sie als Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen in den Wahlkampf. Sie war Präsidentin des Deutschen Kirchentages in Dresden. Seit 2009 ist sie Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und leitete diese als Präses.