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InterviewSo wird Familien mit krebskranken Eltern in Rhein-Erft geholfen

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Auf dem Bild ist ein Kolleginnenteam aus vier Frauen zu sehen.

Das Team der Krebsberatung Rhein-Erft mit Katja Scheer, Charotte Lion, Julia Groß und Vera Kramkowski (v.l.) hilft Familien, die von der Krebserkrankung eines Elternteils betroffen sind.

Die Krebsberatung Rhein-Erft in Frechen-Königsdorf unterstützt besonders Kinder und Jugendliche, deren Welt durch die Erkrankung aus den Fugen gerät.

Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts erleben jährlich rund 50.000 Kinder in Deutschland, dass ihre Mutter oder ihr Vater an Krebs erkrankt. Oft gerät dadurch das gesamte Familienleben aus dem Gleichgewicht – und ist besonders für Kinder und Jugendliche eine enorme Belastung. Viele von ihnen verstehen nicht, was passiert, weil Erwachsene aus Sorge oder Überforderung nicht offen mit ihnen sprechen.

Das Team der ausgebildeten Psychoonkologinnen der Krebsberatung Rhein-Erft mit Sitz in Frechen-Königsdorf hält für betroffenen Familien professionelle Unterstützung bereit. Sie bieten auch im Marienhospital Brühl, im Dreifaltigkeits-Krankenhaus Wesseling und seit November auch im Lotsenpunkt Hürth Außensprechstunden an. 

Die Beratungsfachkräfte Julia Groß, Vera Kramkwowski und Charlotte Lion sowie die Assistentin der Beratungsstelle, Katja Scheer, sprechen mit Alexa Jansen über ihre Hilfsangebote, ihre Herausforderungen und Ziele. Zum Team gehört auch die Therapiehündin Fanny. 

Was bedeutet die Krebserkrankung eines Elternteils für Kinder und Jugendliche?

Vera Kramkowski: Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, betrifft dies das gesamte Familiensystem. Wir vergleichen dies mit einem Mobile, das ins Wanken gerät. Denn die Diagnose berührt nahezu alle Lebensbereiche der Betroffenen und kann das Gefüge der ganzen Familie verändern. Familien durchleben oft eine sehr emotionale und herausfordernde Zeit. Existenzielle Gefühle wie Verzweiflung, Hilflosigkeit und Überforderung können diese Zeit prägen.

Zunächst bleibt unklar, ob die Erkrankung vorübergehend, für einen längeren Zeitraum oder für immer sein wird. Es können viele Fragen entstehen. Kinder und Jugendliche reagieren besonders empfindlich auf solche, für sie existenziellen Veränderungen. Eltern sind häufig unsicher, wie sie mit ihren Kindern angemessen umgehen können, zumal sie durch Diagnose und Therapie zeitlich wie emotional stark in Anspruch genommen und belastet sind. Die Gefahr, dass mitbetroffene Kinder in dieser Situation mit ihren Sorgen allein bleiben, ist daher groß.

Was sind die besonderen Bedürfnisse der betroffenen Kinder und Jugendlichen? 

Charlotte Lion: Kinder und Jugendliche können dieses Erleben oft nur schwer in Worte fassen. Sie haben je nach Entwicklungs- und Altersstufe unterschiedliche Fähigkeiten, um diese Belastungssituation zu bewältigen. Sie sehen sich oft mit Nöten und existenziellen Gefühlen konfrontiert, fühlen sich überfordert, allein oder möchten die Eltern nicht belasten. Kinder können somit unterschiedlich reagieren, einige ziehen sich zurück und versuchen, die eigenen Ängste und Sorgen von den Eltern fernzuhalten, andere suchen gezielt nach Antworten. Daher ist es wichtig, einen äußeren Rahmen zu schaffen, um der inneren Welt Raum zu geben.

Gibt es Altersgruppen, für die die Situation besonders schwer ist?

Vera Kramkowski: Unserer Erfahrung nach ist dies individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise der Entwicklung der Kinder und Jugendliche oder der familiären Situation.

Welchen Umgang mit der Erkrankung empfehlen Sie Familien?

Julia Groß: Kindern und Jugendlichen hilft eine offene und entwicklungsgerechte Kommunikation, die es möglich macht, über Ängste, Sorgen, Unsicherheiten sowie über auftauchende Emotionen zu sprechen. Kinder stellen oftmals erst Fragen, wenn es die ausgesprochene Erlaubnis der Eltern oder nahen Bezugsperson gibt.

Wie kann den Betroffenen innerhalb der Familie am besten geholfen werden?

Charlotte Lion: Aus unserer Sicht ist dies sehr individuell. Grundsätzlich empfehlen wir, wenn Familienmitglieder Fragen haben, Unsicherheiten verspüren oder sich von der Situation überfordert fühlen, eine psychoonkologische Beratung und Begleitung in Anspruch zu nehmen. Denn diese wird als sehr hilfreich empfunden. Aus diesem Grund bietet die Krebsgesellschaft NRW in ihren Krebsberatungsstellen Familienberatung und insbesondere auch Beratung für Kinder und Jugendliche an.

Sowohl Eltern als auch Kinder finden hier einen sicheren Raum, in dem sie Unterstützung erhalten und individuelle Strategien entwickeln können, um besser mit der belastenden Situation umgehen zu können. Die Beratungsfachkräfte unterstützen Familien individuell und an dem jeweiligen Bedarf orientiert. Eine offene Kommunikation bedeutet eben auch zu schauen, was das Kind braucht und wie viel es wissen will.

Wie sieht die gezielte Unterstützung der Krebsberatung Rhein-Erft aus?

Charlotte Lion: Das Erstgespräch findet in der Regel nur mit den Eltern oder einem Elternteil ohne die Kinder statt. Im weiteren Beratungsverlauf kann die Beratung der Kinder, mit dem Einverständnis der Eltern, einzeln oder als Familie in Anspruch genommen werden.

Um Kindern und Jugendlichen einen Raum zu geben, ihre Gefühle auszudrücken, nutzen wir sehr gerne unterschiedliche Methoden. Neben Gesprächen können Spiele, Handpuppen oder kreative Tätigkeiten in die Beratung eingebunden werden. Mithilfe von kindgerechten Materialien werden sie unterstützt, ihre Belastungen, Anliegen, Gedanken, Ängste und Sorgen auszudrücken sowie Gefühle auszuhalten und diese zu kommunizieren.

Sowohl Eltern als auch Kinder finden hier einen sicheren Raum, in dem sie Unterstützung erhalten und individuelle Strategien entwickeln können, um besser mit der belastenden Situation umgehen zu können. Gemeinsam können Perspektiven entwickelt werden. Das Angebot fördert die Fähigkeit, Sinne und Gefühle wahrzunehmen, zu begreifen und mitzugestalten.

Es können Kräfte erfahren werden, die Realität wahrgenommen und innere und äußere Potenziale erschlossen werden. Es bietet sich die Möglichkeit, Erlebtes zu verarbeiten, sich während des kreativen Prozesses zu erholen und Anspannung abzubauen. Wir arbeiten immer bedarfsorientiert sowie kindgerecht und entwicklungsgerecht.

Ziel der Familienberatung ist das Zurückgewinnen der familiären Selbstwirksamkeit trotz Krebserkrankung. Im Sinne der Kinder bedeutet dies, dass das schwankende Familienmobile in einer neuen Ordnung wieder zur Ruhe kommen kann.

Wie hat sich der Bedarf an Beratungen im Rhein-Erft-Kreis entwickelt? 

Katja Scheer: Wir beraten häufig Eltern im Umgang mit den Kindern. Dabei bemerken wir einen erhöhten Bedarf bei der Unterstützung der Kinder und Jugendlichen. Diesen Bedarf möchten wir zukünftig vermehrt nachkommen.


Die Krebsberatung Rhein-Erft

Trägerin der Krebsberatung Rhein-Erft ist die Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Die Beratung ist für Ratsuchende kostenfrei. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) gewähren der Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen Mittel zur Förderung von ambulanten Krebsberatungsstellen.

Das Land NRW stellt darüber hinaus eine anteilige Förderung zur Verfügung. Die Krebsberatung Rhein-Erft wird zudem durch die Sozialstiftung der Kreissparkasse Köln gefördert. Da die Finanzierung trotz Förderungen nicht vollumfänglich ist, müssen die restlichen Kosten weiterhin durch die Krebsgesellschaft NRW gedeckt werden. Der Verein ist auf Spenden angewiesen.

Krebsberatung Rhein-Erft, Augustinusstraße 11b, 02234/2508160, beratung-rheinerft@kgnrw.de, www. kgnrw.de