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Zwei Gleisarbeiter starbenZwei Jahre nach tödlichem Zugunglück in Hürth beginnt der Prozess

Lesezeit 3 Minuten
Das Bild zeigt einen Personenzug und mehrere Einsatzkräfte an der Unglücksstelle.

Im Mai 2023 waren zwei Gleisarbeiter in Hürth-Kalscheuren von einem Personenzug erfasst und getötet worden.

Zwei Arbeiter wurden im Mai 2023 vom Intercity erfasst und getötet, fünf weitere konnten sich in letzter Sekunde retten. Am 1. Juli beginnt der Prozess.

Mehr als zwei Jahre nach dem Zugunglück in Hürth-Kalscheuren, bei dem zwei Gleisarbeiter starben, beginnt am 1. Juli der Prozess vor dem Amtsgericht Brühl. Angeklagt ist ein 54 Jahre alter Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens, dem die Staatsanwaltschaft Köln die fahrlässige Tötung von zwei Menschen vorwirft. Das teilte die Direktorin des Amtsgerichts auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

Was war passiert? Am Donnerstag, 4. Mai 2023, sollten sogenannte Handstopfarbeiten an der Bahnstrecke im Bereich Hürth-Kalscheuren (Höhe Marktweg) durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um manuelle Arbeiten an Gleisen, um die richtige Spurweite und die Höhe der Schienen sicherzustellen.

Das Bild zeigt mehrere Rettungskräfte an der Einsatzstelle.

Zahlreiche Rettungskräfte waren im Einsatz, darunter auch Notfallseelsorger, die sich um die Arbeiter kümmerten, die sich in letzter Sekunde retten konnten.

Ein Tiefbauunternehmen war laut Anklage mit den Gleisbauarbeiten beauftragt, der Auftrag zur Absicherung der Baustelle war an eine Sicherungsgesellschaft vergeben. Für diese Sicherungsgesellschaft soll der nun Angeklagte im Einsatz gewesen sein und die Verantwortung getragen haben.

Um 11.18 Uhr näherte sich an diesem Tag der Intercity 2005, der auf dem Weg von Emden über Köln nach Koblenz war, mit Tempo 160 dem Bautrupp. Der Zugführer leitete eine Schnellbremsung ein, als er die Personen auf der Strecke erkannte. Von den insgesamt sieben Arbeitern konnten sich fünf buchstäblich in letzter Sekunde durch einen Sprung zur Seite retten. Die beiden damals 27 und 31 Jahren Männer, die im Gleis standen, wurden vom Triebwagen des IC 2005 erfasst und getötet. Der Intercity hatte laut Aktenlage einen Bremsweg von 608 Meter.

Monatelange Ermittlungsarbeit

Monatelang arbeiteten Staatsanwaltschaft und Polizei an dem Fall. Dokumente mussten ausgewertet, Anweisungen überprüft und Zeugen befragt werden. Ursprünglich war gegen zwei Personen als Beschuldigte ermittelt worden. Doch gegen einen der beiden Männer stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts wieder ein.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer erklärte seinerzeit: „Gegen ihn stand der Vorwurf im Raum, als sogenannte ‚Technischer Berechtigter‘ pflichtwidrig die vermeintliche Sperrung der betreffenden Gleise zur Durchführung notwendiger Arbeiten kommuniziert zu haben mit der Folge, dass sich die betreffenden Arbeiter in den – tatsächlich nicht gesperrten – Gleisabschnitt begaben und zwei Personen von einem heranfahrenden Intercity tödlich erfasst wurden. Nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen hat sich ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß jedoch nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit belegen lassen.“ Im Dezember 2024, also etwa eineinhalb Jahre nach dem Unglück, reichte die Staatsanwaltschaft Köln die Anklage beim Amtsgericht Brühl gegen den zweiten Mann ein.

Automatisches Warnsystem lag im Kofferraum

Darin wird erläutert, dass es eine Anweisung über Verantwortlichkeiten und Abläufe der Arbeiten in Form einer Betriebs- und Bauanweisung von der Auftraggeberin gab. Auf Grundlage dieser Anweisung durften die Arbeiten erst beginnen, wenn alle betrieblichen Voraussetzungen für den Beginn der Arbeiten erfüllte waren, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen eingeführt waren und der zuständige Fahrdienstleiter dem Technischen Berechtigten die Zustimmung erteilt hatte.

Nach dem Sicherungsplan war unter anderem das Gleis an der Arbeitsstelle zu sperren. Zudem war für das nicht zu sperrenden Nachbargleis ein Sicherungsposten vorgesehen. Beim Herannahen eines Zuges wären die Arbeiter durch akustische Signale mittels einer sogenannten ATWS-Anlage gewarnt worden. ATWS steht für Automatic Track Warning Systems und ist ein spezielles Sicherungssystem, das bei Bauarbeiten an Gleisen eingesetzt wird.

Wie das Amtsgericht weiter mitteilt, soll „entgegen dieses Sicherheitsplans der Angeklagte den am Gleis befindlichen Gleisbauarbeitern die Sperrung des Gleisabschnitts mitgeteilt und die Freigabe der Arbeiten erklärt haben, obwohl die Sperrung des Gleises nicht bestätigt worden war. Ferner soll der Angeklagte die Sicherungsposten nicht vorschriftsgemäß eingewiesen und positioniert sowie nicht mit der ATWS-Anlage ausgestattet haben. Die Anlage soll bei dem Angeklagten im Kofferraum gelegen haben.