Thallium-ProzessHürther schickte jede Woche ein Foto vom Grab an die Schwiegereltern

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Der Angeklagte im Thallium-Prozess schweigt bislang.

Hürth/Köln – Vierter Verhandlungstag im Thallium Prozess vor dem Kölner Landgericht: Ein 42-jähriger Hürther soll seine Ehefrau sowie seine schwangere Freundin und deren Großmutter mit dem Schwermetall vergiftet haben.

Er sitzt seit dem 19. September wegen zweifachen Mordes und versuchtem Mord auf der Anklagebank und hüllt sich seitdem in Schweigen. Deshalb werden Zeugen aus seinem Umfeld gehört. „Sie war so glücklich mit ihm“, sagte die Mutter der einzig Überlebenden der Giftanschläge im Zeugenstand über den Angeklagten.

Hürther: „Das ist wie ein Sechser im Lotto, nur in schlimm“

Ihre Tochter, Lehrerin an einer Hürther Schule, hatte nach wochenlangem Kampf auf der Intensivstation überlebt. Der Angeklagte sei der Tochter „immer ausgesprochen hilfsbereit, liebevoll und zuvorkommend begegnet“, so die Mutter.

Irritierend sei seine Antwort gewesen, als sie ihn darauf ansprach, nun bereits das zweite Mal das Leid mit ansehen zu müssen, der von Schmerz geplagten Partnerin im Krankenhaus nicht helfen zu können, da seine Ehefrau qualvoll an den gleichen Symptomen im Mai 2020 in derselben Klinik gestorben war. „Das ist wie ein Sechser im Lotto, nur in schlimm“, habe er gesagt, als er am Krankenbett seiner schwangeren Lebensgefährtin weinend zusammenbrach.

Auch die Eltern der zuvor verstorbenen Ehefrau des Angeklagten, die auch Lehrerin war, wurden als Zeugen gehört. Sie reisten aus Hamburg an. Ihre Tochter hatte den jetzt Angeklagten 2015 ihren Eltern zum ersten Mal vorgestellt. Vier Wochen später saß der zukünftige Schwiegersohn bereits bei den Hamburgern unterm Weihnachtsbaum.

„Er sagte gleich Mama und Papa zu uns“

„Er sagte gleich Mama und Papa zu uns“, wunderte sich das Ehepaar noch heute über das „befremdliche Gebaren“ des Angeklagten. „Meine Tochter war aktive Sportlehrerin und stets gesund. Als sie den nun Angeklagten damals kennenlernte, fingen die Beschwerden an“, erinnerte sich der Vater. Regelmäßig habe der Krankenpfleger (Angeklagter) die Tochter bekocht, eingekauft und dafür gesorgt, dass sie frisch gekochtes Essen vorgesetzt bekam.

Was bereits bei der Hochzeit 2017 mit angeblicher Lebensmittelunverträglichkeit begann, entwickelte sich Anfang Mai 2020 zum tödlichen Krankheitsverlauf. Aus dem Krankenhaus hatte die Lehrerin dem Vater an Christi Himmelfahrt am Telefon zum Vatertag gratuliert, dabei auf massive Schmerzen am ganzen Körper hingewiesen und mit schleppender Stimme gesagt: „Papa, ich kann meine Augen nicht mehr öffnen“.

Die anwesende Ärztin, die zu diesem Zeitpunkt noch von einer schweren Nervenentzündung ausging, habe ihm versichert: „Einen derart massiv sich verschlechternden Krankheitsverlauf habe ich so noch nie erlebt.“

Angeklagter wehrte sich gegen Obduktion seiner Frau

Nach ihrem Tod habe sich der Angeklagte vergeblich gegen eine Obduktion gewehrt. Angeblich, weil seine Frau das so gewollt habe. Die Staatsanwaltschaft setzte sich aber durch.

Schon drei Monate nach dem Tod der Ehefrau sprach der Angeklagte gegenüber den Schwiegereltern von seiner neuen Partnerin. „Wir fanden das früh, haben es aber toleriert“, so die Mutter. Immerhin habe er jede Woche ein Bild vom Grab geschickt und so gezeigt, wie sehr er noch an der Verstorbenen hing. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

Rundschau abonnieren