Fehlende Schulbegleitung13-Jährige aus Kerpen darf nicht zur Schule gehen

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Schulbegleitungen sollen etwa Kindern mit Behinderung den Schulbesuch ermöglichen, ohne ist er oft kaum möglich,

Kerpen – Das neue Schuljahr ist schon fast drei Wochen alt. Doch eine 13-jährige Schülerin aus Kerpen muss immer noch zu Hause bleiben und kann die Schule nicht besuchen. Denn für das Mädchen, das eine Autismus-Spektrum-Störung hat, ist immer noch keine Schulbegleitung gefunden worden – also jemand, der oder die ihr beim Schulbesuch hilft.

Eine solche Begleitung aber ist notwendig, damit das Mädchen weiterhin die Gesamtschule in Kerpen besuchen kann. Schulbegleitungen sollen im Rahmen der Inklusion Kindern mit körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen den Besuch einer Regelschule und die Teilhabe am Unterricht ermöglichen.

Der grüne Kreistagsabgeordnete Ahmet Özdemir macht auf den Fall aufmerksam, der sich in seinem persönlichen Umfeld abspielt. Wie der Grünen-Politiker, der auch als Autor von Kinderbüchern bekannt ist, berichtet, hat das Mädchen in den vergangenen Jahren schon die verschiedensten Schulbegleiter gehabt. Alle seien irgendwann wieder abgesprungen – etwa, weil die Bezahlung sich an dem gesetzlichen Mindestlohn orientiere und die Begleiter einen besser bezahlten Job hätten finden können.

Kreisverwaltung war wochenlang nicht erreichbar

Da auch die bislang letzte Schulbegleiterin des Mädchens zum Ende des Schuljahres 2021/22 gekündigt hatte, hätten sich die Eltern der 13-Jährigen schon im Juni an die Verwaltung des Rhein-Erft-Kreises gewandt, der für die Anstellung einer neuen Schulbegleitung einen entsprechenden Bewilligungsschein verlängern musste. Doch bei der Kreisverwaltung habe man wochenlang weder per E-Mail noch per Telefonanruf die dafür zuständigen Mitarbeiter erreichen können. „Alle Anfragen wurden nicht beantwortet – man verwies auf Corona und die dadurch liegen gebliebenen Arbeiten . . .“, schildert Özdemir.

Erst als er sich persönlich als Kreistagsabgeordneter an den zuständigen Dezernenten im Kreishaus gewandt habe, sei „Bewegung in die Sache“ gekommen. Nach einigem Hin und Her sei die Bewilligung schließlich ausgesprochen worden. „Sechs Tage nach Schulstart“, sagt Özdemir. Doch das Problem sei damit immer noch nicht gelöst worden. Zwar konnten die Eltern, nachdem die Bewilligung vorlag, aktiv werden und alle Träger anrufen, die im Kreis Schulbegleitungen anbieten. Doch diese hätten alle abgelehnt, auf mangelndes Personal und auf eine „Wartezeit“ verwiesen.

Unterschiedliche Bezahlung

Wie Özdemir vermutet, liege das auch daran, dass es für die Schulbegleitung unterschiedliche Bezahlung gebe, je nachdem, ob diese vom Sozialamt des Kreises oder von den Jugendämtern der einzelnen Kommunen geleistet werden. Für Kinder mit einem Intelligenzquotienten (IQ) unter 70 sei das Sozialamt des Kreises zuständig. Das aber zahle an die Anbieter von Schulbegleitung weniger als die Jugendämter, die für Kinder mit einem IQ über 70 zuständig sind.

Deshalb reservierten die Anbieter ihr knappes Personal vorzugsweise für Kinder mit einem IQ von über 70. Özdemir: „Das Sozialamt wird von einigen Trägern abgelehnt, da es nicht ähnlich zahlt wie das Jugendamt.“ In dem ihm vorliegenden Fall sei es nun so, dass sich die Kreisverwaltung bei den Eltern des Mädchens schon für die wochenlange Verzögerung bei der Bewilligung entschuldigt habe. Auch habe die Behörde zugesagt, ihre Arbeitsabläufe überprüfen zu wollen, damit so etwas nicht noch einmal vorkomme.

Schwierige Situation für Eltern

Das Problem sei damit aber nicht gelöst, findet Özdemir: Das Mädchen nämlich müsse trotz Schulpflicht weiterhin zu Hause bleiben, weil es immer noch keine Begleitperson gebe.

Für Özdemir zeigt der Fall zudem, dass beim Thema Schulbegleitung im Rhein-Erft Kreis grundsätzlich noch einiges im Argem liegt: Wenn für das Mädchen selbst ein Kreistagsabgeordneter keine schnelle Hilfe erreichen könne, wie schwierig müsse dies erst für Eltern sein, die über weniger gute Beziehungen ins Kreishaus verfügten?

Kreis hat 288 Schulbegleitungen bewilligt

In einer Stellungnahme des Kreises wird nun darauf verwiesen, dass der Bewilligungszeitraum und die Bearbeitungsdauer für eine Schulbegleitung „je nach Fall“ individuell sehr unterschiedlich seien. Dabei müssten etwa auch ärztliche Gutachten berücksichtigt werden. Der Bewilligungszeitraum dauere so in der Regel zwischen drei und sechs Wochen.

Landeseinheitliche Vergütungssätze seien dabei nicht vorgeschrieben. Der Kreis zahle an die Institutionen, die Schulbegleitung anbieten für Nichtfachkräfte zurzeit einen Stundensatz von rund 25 Euro und für Fachkräfte von 32 Euro. Wie viel davon bei den Schulbegleitern auch ankommt, ist offen.

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Wie viele Schulbegleitungen die Jugendämter der Kommunen im Kreis bewilligt haben, ist offen. Der Kreis hat über sein Sozialamt selbst aktuell 288 Anträge auf Schulbegleitung bewilligt. Rund vier Millionen Euro pro Jahr wendet der Rhein-Kreis Kreis dafür auf.

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