Im Kerpener Stadtrat meldeten sich erneut Bürger zu Wort. Die Unterkunft verhindern können sie nicht mehr.
MigrationGeplante Flüchtlingsunterkunft in Kerpen sorgt noch immer für Ärger
Die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Humboldtstraße beschäftigt die Menschen im Kerpener Westen aktuell wie kaum ein anderes Thema. Am Dienstag hat der Stadtrat über den Pachtvertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen gesprochen, allerdings im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung. Die Bürger aber forderten eine öffentliche Debatte - und nahmen mehr als die Hälfte der etwa zweieinhalbstündigen Sitzung für Fragen in Anspruch.
Die Fragen der Bürger betrafen vor allem den Standort der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE). Eine Kerpenerin etwa wollte wissen, warum die Stadt mögliche Standorte in Manheim und Horrem abgelehnt habe. Das Europaviertel in der Nähe der geplanten ZUE sei schließlich ein Problemviertel. Ein anderer Bürger sorgte sich ebenfalls um die Lage im angrenzenden Europaviertel. Dort gebe es Angsträume und viel Kriminalität. Das Maß sei voll, sagte er. „Ich überlege sogar, mein Haus in Kerpen zu verkaufen.“ Eine Bürgerin stellte die Frage, ob es ausreichend Müllcontainer an der ZUE gebe.
Standorte in Manheim und Horrem sind nicht geeignet
Bürgermeister Dieter Sprück antwortete den Bürgern, wies aber darauf hin, dass die Fragestunde keine Diskussionsrunde sei. „An beiden alternativen Standorten ist keine längerfristige Nutzung möglich“, sagte Spürck. In Horrem sei außerdem der Bahnhof ein Hindernis für die sichere Unterbringung von Geflüchteten.
„Unserer Ansicht nach ist der Standort an der Humboldtstraße gut und verträgt sich auch mit dem Konzept für das Europaviertel“, sagte Spürck. Die Stadt Kerpen wolle außerdem auf die Bezirksregierung Köln als Vertragspartner einwirken, dass diese für ausreichend Müllcontainer sorge.
Bürger sorgen sich um Schulkinder und Größe der Unterkunft
Themen waren auch die Größe der Unterkunft und die Tatsache, dass ein Schulweg an der ZUE vorbeiführt. Laut Verwaltung besteht keine Gefahr für Schulkinder. Die künftigen Bewohner der ZUE sollen durch Ansprachen für das Thema sensibiliert werden, das Ordnungsamt Schulwege überprüfen. Am Europagymnasium selbst macht man sich keine Sorgen: Schulleiter Wendel Hennen, selbst Kölner, sagte gegenüber der Redaktion, dass er ein „gutes nachbarschaftliches Verhältnis“ schaffen wolle. Die Menschen seien aus guten Gründen aus ihrer Heimat geflohen und würden deshalb Mitgefühl statt Misstrauen verdienen.
In puncto Größe und Lage der Unterkunft kommt die Stadt den Bürgern entgegen. Ursprünglich sollte sie auf einem Grundstück entstehen, das bis zum Neffelbachumfluter reicht. Nun ist nur noch der Grundstücksteil unmittelbar an der Humboldtstraße im Gespräch. Das ist der Teil, der am weitesten von den Häusern der Anwohner entfernt ist.
Die Geflüchteten kämen ohnehin nach Kerpen, erläuterte der Bürgermeister. Nur sei der Unterschied, dass für die ZUE das Land verantwortlich sei. „Ansonsten müssten wir die 700 Menschen andernorts unterbringen.“ Aktuell werden Neuankömmlinge in den städtischen Gemeinschaftsunterkünften an der Humboldtstraße in Kerpen und an der Bruchhöhe in Sindorf untergebracht.
Auch die Unterkunft in Sindorf soll größer werden
Die Stadt rechnet aktuell damit, dass ihr das Land 15 Flüchtlinge pro Woche zuweist. Das wären etwa 720 Menschen im Jahr. „Wie sich die Zuweisungszahlen in den nächsten Jahren entwickeln, wissen wir nicht. Aber eins ist klar: Die Menschen, die wir zugewiesen kriegen, müssen wir unterbringen“, sagte Spürck. Er sei sich aber sicher, dass die Migration nicht abreißen werde. Fast beiläufig erwähnte Spürck, dass auch die Kapazitäten der städtischen Unterkunft zwischen Sindorf und Horrem erhöht werden sollen. Auch dort könnten in Zukunft 700 Menschen leben.
In Kerpen gab es bereits eine ZUE auf dem Gelände der Boelcke-Kaserne. Stadt und Land haben dort bis zu 500 Menschen untergebracht. Eine Unterkunft von der Größe, wie sie nun geplant ist, gibt es etwa in Sankt Augustin im Rhein-Sieg-Kreis. Dort leben 600 Menschen, die Hälfte davon sind alleinreisende Männer. Wie der dortige Bürgermeister gegenüber dieser Zeitung mitgeteilt hat, beschweren sich Anwohner häufig über Lärm und Dreck in der Nähe der Unterkunft.
Protest gegen die geplante ZUE in Kerpen formiert sich seit April auch im Internet. Eine entsprechende Petition hat 745 Unterstützer gefunden. Die Verantwortlichen sammeln noch mehr als zwei Monate lang Stimmen gegen die Unterkunft.