Seit Monaten krankgeschriebenKerpener Stadtrat will Beigeordneten abwählen

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Dunkle Wolken über dem Rathaus in Kerpen 

Dunkle Wolken über dem Rathaus in Kerpen 

Kerpen – Es ist ein stiller Vorgang von unerhörter Tragweite. Am Dienstag tagt der Stadtrat um 17 Uhr in einer Sondersitzung zu nur einem einzigen Thema: der Abberufung des seit Monaten krankgeschriebenen Technischen Beigeordneten Joachim Schwister und der Neubesetzung der Stelle.

Ohne Aussprache, weil das die Gemeindeordnung so vorsieht. Bemerkenswert: Von Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) und vom kurz zuvor verstorbenen CDU-Ratsherrn Charly Giesen abgesehen, haben alle 45 Ratsmitglieder den Antrag auf Abwahl unterschrieben.

Abwahl von Joachim Schwister teuer für den Steuerzahler

Mehr als 350.000 Euro wird es den Steuerzahler kosten, wenn der Stadtrat Schwister abwählt. Diese Summe steht dem Wahlbeamten gesetzlich zu. Grundlage bildet sein Grundgehalt von 8421,98 Euro im Monat. Davon erhält er 71,5 Prozent und somit 6021,72 Euro als Ruhegehalt im einstweiligen Ruhestand – dies für die Dauer von fünf Jahren.

Der Bund der Steuerzahler NRW bezeichnet solche Trennungen von Beigeordneten als „unglücklich, weil teuer“. Oftmals würden politische Gründe hinter solchen Entscheidungen stehen, zumeist nach Neuwahlen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse in den Stadträten änderten.

Joachim Schwister liegt an der oberen Grenze der Bezüge

Einen Beigeordneten in seinem Amt zu belassen, wenn das Verhältnis zwischen ihm und der Politik zerrüttet ist, sei wiederum möglicherweise kontraproduktiv, sagte Markus Berkenkopf, Referent für Haushalts- und Finanzpolitik. Je nach Amtszeit steht hohen Beamten eine Mindestversorgung von 35 Prozent der letzten Bezüge zu. Schwister liegt an der oberen Grenze, weil er seit 2013 mit zur Führungsspitze der Kerpener Stadtverwaltung zählt.

Der Steuerzahlerbund fordert in diesem Zusammenhang, die Zahl der Beigeordneten möglichst gering zu halten. Es sei durchaus denkbar, primär mit Laufbahnbeamten beziehungsweise Angestellten als Dezernenten zu arbeiten. „Es gibt Kommunen, die auf Beigeordnete verzichten“, sagt Berkenkopf. „In aller Regel sind das kleinere Städte oder Gemeinden.“ Kerpen hingegen ist mit rund 68.000 Einwohnern die größte Stadt im Rhein-Erft-Kreis.

Kerpen: Joachim Schwister sollte aus Rathaus gedrängt werden

Schon vor einem Jahr hatte die CDU versucht, Schwister aus dem Rathaus zu drängen. Als dessen Wiederwahl im Januar 2021 anstand, beantragte die CDU, die im Rat mit den Grünen zusammenarbeitet, einen Antrag auf Neuausschreibung der Stelle. Jedoch: Abweichler verhinderten in geheimer Abstimmung die Trennung von Schwister, der 2012 als parteiloser Kandidat auf SPD-Ticket ins Amt gekommen war. Stattdessen wurde der Technische Beigeordnete auf acht Jahre wiedergewählt.

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Nun also soll die Trennung doch erfolgen. Nicht nur in der Sitzung am heutigen Dienstag wird es leise zugehen, auch abseits des Rathauses geben sich die Politiker wortkarg und verweisen auf den Antrag und die dortigen Formulierungen. „Die Ziele der Kolpingstadt Kerpen waren Gegenstand mehrerer Gespräche der Fraktionsvorsitzenden und fraktionslosen Mitglieder des Rates mit dem Technischen Beigeordneten“, heißt es dort. Wegen unterschiedlicher Sichtweisen seien sich alle einig, dass eine weitere Zusammenarbeit „nicht zielführend“ sei. Die Abwahl Schwisters sei der beste Weg, „damit klare Verhältnisse bestehen bleiben und der Weg für eine neue Wahl ohne Verzögerungen eingeschlagen werden kann“. Schwister selbst war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die Querelen stellen ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte dar. Nach wie vor unbesetzt ist die Stelle des Ersten Beigeordneten: 2019 wurde die Stelle vakant, Spürck weigerte sich 2020, den vom Rat gewählten Bergheimer SPD-Mann Mahmoud al-Khatib zu ernennen – mit Erfolg. Die Stelle ist kürzlich erneut ausgeschrieben worden. Dem Vernehmen nach ist das Interesse überschaubar.

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