PilotprojektWas die Feuerwehr Rhein-Erft gegen den Personalnotstand tut

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Das Foto zeigt die angehenden Feuerwehrleute beim Betreten eines verrauchten Gebäudes.

Eine Übungseinheit war auch der Löschangriff bei einem Gebäudebrand.

Der Bedarf an Feuerwehrleuten ist kreisweit enorm hoch. Die Bezirksregierung hat einem neuen Ausbildungsweg zugestimmt.

Es ist ein Albtraum: Der Raum ist völlig verraucht. Man sieht die Hand vor Augen nicht. „Bloß raus hier“, sagt der Instinkt. Und doch gibt es Menschen, die sich freiwillig in solche Situationen begeben, um Leben zu retten: Feuerwehrleute.

Das geht allerdings nicht ohne eine fundierte Ausbildung. Und genau darauf hat sich die Feuerwehr Bergheim spezialisiert. Schon seit sieben Jahren werden dort unter anderem junge Leute zu Brandmeistern ausgebildet. „Die reguläre Ausbildung dauert eineinhalb Jahre“, sagt Ausbildungsleiter Thomas Junggeburth. Voraussetzung sei eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Doch der Bedarf an Feuerwehrleuten sei kreisweit enorm hoch. Um den zu decken, hat die Feuerwehr Bergheim ein Pilotprojekt gestartet. Ausgebildete Notfallsanitäter wird ermöglicht, in nur einem Jahr die feuerwehrtechnische Zusatzausbildung zu absolvieren. „Das klappt auch deswegen problemlos, weil die Ausbildungseinheiten Rettungssanitäter und Sprechfunk ja bereits in der vorausgegangenen Ausbildung zum Notfallsanitäter geleistet wurden“, erläutert Junggeburth.

In der Zwischenprüfung wurde auch das Wissen über technische Einrichtungen abgefragt. Das Foto zeigt ein Feuerwehrfahrzeug.

Zur Prüfung gehörte auch feuerwehrtechnisches Wissen.

Bedenken, dass die Sanitäter dann nicht mehr für ihre originären Aufgaben zur Verfügung stünden, zerstört er. Sie würden ja unverändert als Notfallsanitäter arbeiten, könnten aber im Bedarfsfall dank ihrer Zusatzausbildung die Feuerwehr unterstützen. Das sei auch deshalb unproblematisch, weil beide Einheiten in den meisten Städten im selben Gebäude untergebracht seie.

Schon im vergangenen Frühjahr hat die Bergheimer Feuerwehr ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet und bei der Bezirksregierung Köln eingereicht. „Wir bekamen relativ schnell grünes Licht“, berichtet Sebastian Draxl, der ebenfalls zum Ausbildungsteam zählt. Der erste Lehrgang mit 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Bergheim, Wesseling, Frechen, Euskirchen und Siegburg habe so bereits im Oktober 2022 beginnen können.

Den Absolventen wurden Schutzbrillen blickdicht zugeklebt

Nach sechs Monaten stand jetzt die Zwischenprüfung an. Dabei galt es, das Gelernte unter Beweis zu stellen. In Zweierteams mussten unter Atemschutz zwei „vermisste Personen“ aus einem völlig verrauchten Raum gerettet werden. Dazu wurde ihnen, nachdem sie gegenseitig ihre Atemschutzmasken kontrolliert hatten, die Schutzbrille mit einer undurchsichtigen Folie zugeklebt. Auf allen vieren, den Löschlauch hinter sich herziehend suchten sie die „Vermissten“.

„Dabei zählt jede Minute“, betont Draxl. Sollten die Menschen im Ernstfall nicht binnen 13 Minuten gefunden und aus dem Gebäude gebracht worden sein, werde es kritisch – dann bestehe akute Lebensgefahr. Doch 13 Minuten brauchte kein Zweierteam, um die Dummys zu finden und aus dem Gerätehaus zu schaffen.

Der technische Ausbildungsteil ist mit dem nötigen Interesse auch ohne Vorkenntnisse zu schaffen
Tabea Bender

Angst vor Feuer oder gefährlichen Situationen hat auch Lehrgangssprecherin Tabea Bender (22) aus Bergheim nicht. Schon während ihrer Ausbildung zur Notfallsanitäterin lernte sie die Arbeit der Feuerwehr kennen. „Das hat mein Interesse geweckt.“ Als sie von dem Lehrgang zur Brandmeisterin erfuhr, habe sie sich sofort angemeldet. „Der technische Ausbildungsteil ist mit dem nötigen Interesse auch ohne Vorkenntnisse zu schaffen“, sagt sie.

Außerdem seien da ja auch noch die Lehrgangsleiter Benjamin Giesen und Jan Risse sowie der Ausbilder Sebastian Draxl, die auch außerhalb der regulären Unterrichtszeit – acht Stunden täglich von montags bis freitags – für Fragen rund um die Ausbildung zur Verfügung stünden.

Das Foto zeigt zwei angehende Feuerwehrleute bei der Suche nach Vermissten. Sie bewegen sich auf Knien rutschend durch den Raum fort.

In Teams mussten die Feuerwehrlehrlinge mit zugeklebten Masken den Raum nach Vermissten absuchen.

Bei der Zwischenprüfung waren die Teilnehmer in Theorie und Praxis jedoch auf sich gestellt. Akribisch machten sich die Prüfer Notizen. Sie dokumentierten unter anderem Teamwork, Schnelligkeit, Schlauchmanagement und die Suchstrategie.

„Wichtig bei Einsätzen in verrauchten und unbekannten Räumen ist, als Team zusammenzubleiben, sich beim Vortasten immer rechts an der Wand zu halten und links weit in den Raum hineingreifen, um möglichst viel Fläche erfassen zu können“, erklärt Draxl.

Am Ende freuten sich alle über 15 bestandene Zwischenprüfungen. Die Abschlussprüfung steht am 30. September an. Junggeburth geht davon aus, dass die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst als Beamte auf Probe in ihren Kommunen übernommen werden. „Für uns hier in Bergheim wären das gleich sieben neue Brandmeister“, sagt er.

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