Brühl, Wesseling und Erftstadt wollen auf die Jagd nach Temposündern gehen. Eine interkommunale Zusammenarbeit kann das ermöglichen.
GeschwindigkeitsmessungDiese Städte in Rhein-Erft könnten bald selbst blitzen

Blitzer wie dieser könnten in Brühl, Wesseling und Erftstadt eingesetzt werden. (Symbolbild)
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Der Arbeitstitel klingt unverdächtig bis freundlich. Für Autofahrer, die sich nicht an die Regeln halten, könnte die „Interkommunale Zusammenarbeit“ – so die Überschrift eines Vorhabens der Städte Brühl, Wesseling und Erftstadt – jedoch zu einer unangenehmen Angelegenheit werden. Schließlich ist es das erklärte Ziel, eine eigenständige Verkehrsüberwachung vorzubereiten, kurz, einen mobilen Blitzer anzuschaffen.
Bislang kümmern sich Polizei und Rhein-Erft-Kreis um die Kontrolle der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten. Städtische Kräfte haben nur den ruhenden Verkehr, also vorrangig die Parksünder, im Blick.
Brühl soll nach jetzigem Stand die Geschwindigkeitsmessungen durchführen
In Zukunft könnte die Verkehrsüberwachung breiter aufgestellt sein. Federführend soll nach jetzigem Stand Brühl sein. „In Absprache mit den Städten Wesseling und Erftstadt ist eine mögliche Konstellation einer IKZ, dass die Stadt Brühl für die Beteiligten die Geschwindigkeitsmessungen übernimmt“, heißt es in einer Brühler Verwaltungsvorlage.
In der Schlossstadt würde dann auch die Stelle sitzen, die die Koordinierung des Prüfverfahrens der Messstellen, die Einsatzplanung der mobilen Blitzerfahrzeuge und die Prüfung der Verwertbarkeit der Messdaten übernimmt. Die anschließende Bearbeitung der Verfahren, also Anhörung, Bußgeld und Vollstreckung, würde von beteiligten Kommunen bearbeitet.
Gezielte Messungen sollen abschreckend wirken
Bisher war es für Städte wie Brühl oder seine beiden Nachbarn Wesseling und Erftstadt nicht möglich, die Geschwindigkeitsüberwachung in Eigenregie durchzuführen. Dies war Kreisen, kreisfreien Städten und Städten mit mehr als 60.000 Einwohnern vorbehalten. Der Städte- und Gemeindebund NRW machte sich nun jedoch erfolgreich stark für die Forderung kleinerer Kommunen, mehr Handlungsspielraum zu erhalten.
„Laut Schnellbrief des Städte- und Gemeindebundes NRW ist nunmehr die Möglichkeit gegeben, im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) mit benachbarten Kommunen den additiven Schwellenwert zu überschreiten“, so die Brühler Verwaltung, die sich daher mit Wesseling und Erftstadt ausgetauscht hat. Ziel einer IKZ sei die Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Verkehrserziehung. So sollen gezielte Messungen abschreckend wirken, das Geschwindigkeitsniveau senken und Unfälle reduzieren.
Das ist nach Ansicht der Verwaltung nötig, immerhin gingen zunehmend Beschwerden über Geschwindigkeitsüberschreitungen insbesondere in verkehrsberuhigten Bereichen und Tempo-30-Zonen ein. Zusätzliche Kontrollen hätten bisher jedoch weder durch den Rhein-Erft-Kreis, noch durch die Polizei umgesetzt werden können. Ohnehin dürfe man nur an „Orten mit Verkehrssicherheitsrelevanz“ tätig werden. Also wo eine erhöhte Unfallgefahr oder ein besonderer Schutzbedarf besteht, etwa entlang beliebter Schulwege oder vor Seniorenheimen. Derzeit sind 24 Messstellen für Brühl ausgewiesen, die vom Kreis unter Beteiligung der Polizei geprüft und festgelegt wurden.
Der vermeintliche Griff in die Bußgeldkasse ist eine Milchmädchenrechnung
Während die politische Konkurrenz in Brühl die Idee weitgehend gutheißt, ist die FDP nicht überzeugt. „Wir stemmen uns mit Recht gegen jede neue Aufgabe – und dann beschließen wir im nächsten Atemzug, neue Fahrzeuge, Technik und Personal für eine zusätzliche Aufgabe anzuschaffen? Das ist schlichtweg widersprüchlich“, meint der FDP-Fraktionsvorsitzende Jochem Pitz. Schließlich räume die Verwaltung ein, dass zusätzliches Personal eingestellt werden müsste. Angesichts der angespannten Haushaltslage sei das ein Unding.
Pitz sieht noch einen Haken: „Was die Stadt Brühl dem Kreis an Einnahmen wegnimmt, bekommen wir über die Kreisumlage ohnehin wieder draufgerechnet. Der vermeintliche Griff in die Bußgeldkasse ist eine Milchmädchenrechnung.“ Jan Freynick, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion, macht einen Gegenvorschlag: „Wenn es wirklich um Sicherheit geht, dann sollten wir endlich mehr digitale Geschwindigkeitsanzeigetafeln einsetzen. Die sensibilisieren Autofahrer nachweislich – ohne Verwaltungsaufwand und ohne zusätzliche Bürokratie.“
Brühl: Überwachung könnte mit Anhänger erfolgen
Die Überwachung könnte mit einem entsprechend ausgerüsteten Anhänger erfolgen – ohne personelle Besetzung, so die Stadt. Alternativ könne auch ein Auto eingesetzt werden. Dann wiederum mit größerem personellem Aufwand. Auch die Kosten für die Ausrüstung hat man schon ansatzweise ermittelt: Für einen Anhänger mit Blitzer würden demnach zwischen 5900 und 6900 Euro Miete monatlich fällig, ein gemieteter Wagen wäre rund 1000 Euro günstiger. Wird ein Auto gekauft, würden je nach Ausbau zwischen 110.000 und 190.000 Euro fällig. In Brühl soll sich der Verkehrsausschuss Anfang Juli nochmals mit der Thematik beschäftigen.
Die Stadt Erftstadt habe in der Tat Interesse an einer kommunalen Zusammenarbeit mit Brühl und Wesseling bekundet, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilt. Die Verwaltung will zunächst im zuständigen Ausschuss für öffentliche Sicherheit und Ordnung am 10. Juni informieren und das Thema dort zur Diskussion stellen.
Die Stadt Wesseling habe einer Zusammenarbeit zugestimmt, wie es auf Anfrage aus dem Rathaus heißt. Aufgrund der Haushaltssperre könne das Thema in Wesseling allerdings zurzeit nicht weiter verfolgt werden. Es stünden keine Mittel dafür zur Verfügung.
Der Rhein-Erft-Kreis überwacht den fließenden Verkehr mithilfe von zehn stationären Anlagen und zwei Fahrzeuge mit Kameras.