André Bach musste mit ansehen, wie eine Mutter und ihre Tochter in ihrem Auto verbrannten. Der Unfall hat den Feuerwehrchef aus der Bahn geworfen.
Tödlicher Unfall auf A555Schreckliche Bilder lassen Feuerwehrchef aus Wesseling nicht los

Der Wagen brannte völlig aus, die Feuerwehr konnte die Insassen nicht mehr retten.
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Es war der 1. Dezember 2023, der Freitag vor dem Adventswochenende. In der Feuerwache Wesseling hatte André Bach Dienst – 24 Stunden lang. Der erfahrene Feuerwehrchef hat in über 30 Dienstjahren schon viel gesehen – Brände, schwere Unfälle, Tragödien. Dass ihm ein Einsatz aber so zusetzen könnte, dass er nicht mehr arbeiten kann – für Bach war das damals undenkbar. Heute kann er über den Unfall, die Zeit danach und über seine Krankheit reden – auch wenn ihm dabei immer auch noch die Seele blutet.
„Die Feuerwehr war und ist für mich doch wie eine zweite Familie“, sagt der 58-Jährige. Mit ihr sei er groß geworden, und bei der Feuerwehr habe er auch alt werden und sich irgendwann einmal in den Ruhestand verabschieden wollen. Doch dann kam alles anders. Dieser Abend veränderte sein Leben.
Wesseling: Für eine 49-jährige Mutter und ihre 23-jährige Tochter kam jede Hilfe zu spät
„VU mit eingeklemmter Person“ – so lautete die Alarmierung. Auf der Autobahn 555, kurz hinter dem Zubringer Wesseling in Fahrtrichtung Bonn, hatte es einen Unfall gegeben. „Ich fuhr im Einsatzleitwagen zur Unfallstelle“, erinnert sich Bach. „Auf der linken Seite stand schräg auf der Fahrbahn ein brennendes Fahrzeug.“ Der erste Trupp sei schon vor Ort gewesen und habe begonnen zu löschen.
Auf dem Seitenstreifen erkannte Bach mehrere Autos und eine größere Gruppe von Menschen. „Gott sei Dank“, ging ihm durch den Kopf. Er glaubte, dass es alle Insassen rechtzeitig aus dem Wagen geschafft hätten. Doch das Gefühl der Erleichterung verschwand schlagartig, als er in dem brennenden Wagen einen Menschen auf der Fahrerseite und wenig später auch einen auf der Beifahrerseite erkannte.
„Der Wagen stand im Vollbrand“, sagt Bach. Ihm sei sofort klar gewesen, dass die Menschen nicht mehr gerettet werden konnten. Heute weiß er: Es waren eine 49-jährige Mutter und ihre 23-jährige Tochter, für die jede Hilfe zu spät kam.

André Bach zu Hause in seinem Garten, die Trauben hat er schon geerntet. Er braucht viel Zeit, um wieder gesund zu werden.
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Wie programmiert, leitete er die weiteren Maßnahmen ein. Die Abläufe kannte er in- und auswendig, sie waren für den Feuerwehrchef Routine. Noch an der Unfallstelle forderte er auch das PSU-Team – die psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte – an, um die Nachbesprechung des fordernden Einsatzes auf der Wache vorzubereiten. Außerdem ordnete er noch an, dass keine weiteren Feuerwehrleute mehr an die Einsatzstelle fahren sollten.
Gemeinsam mit dem Rettungsdienst kümmerte sich Bach anschließend noch um einen leicht verletzten jungen Autofahrer, der mit seinem Wagen ebenfalls in den Unfall verwickelt war. Ein weiterer Beteiligter wurde wenig später in der Nähe der Abfahrt Bornheim gefunden – auch er war verletzt, sein Auto beschädigt. Über Funk wurden ein weiterer Notarzt und der Rettungsdienst dorthin geschickt.
Zwei Nachwuchsspieler des 1. FC Köln sollen sich ein illegales Rennen geliefert haben
Nach der notärztlichen Versorgung kümmerte sich die Polizei um die beiden Fahrer und ihre Fahrzeuge. Später erfuhr Bach dann, dass es sich bei den beiden Autofahrern um zwei erst 20 Jahre alte Nachwuchsspieler des 1. FC Köln handelte. Offenbar hatten sie sich auf der A555 ein illegales Rennen geliefert.
Es war weit nach Mitternacht, als Bach und seine Kollegen zurück zur Wache fuhren. Das PSU-Team begann sofort mit der Nachsorge. Trotzdem fiel es ihm schwer, nach dem Einsatz nach Hause zu fahren. „Wir haben deswegen auch sofort weitere Sitzungen mit dem PSU-Team terminiert“, sagt Bach. Ziel sei es gewesen, den Einsatz zu verarbeiten. „Das geht in Gesprächen, die alleine, aber auch in der Gruppe stattfinden“, erklärt Bach. Sollte das nicht ausreichen, weiß auch Bach, wo es weitere Hilfe gibt – etwa bei einem Psychologen.
Als er an diesem Samstagmorgen nach der Abschlussbesprechung nach Hause fuhr, ahnte Bach noch nicht, dass er noch lange auf Hilfe angewiesen sein würde. Zunächst kamen die Symptome schleichend. Schon während des Einsatzes sei ihm abwechselnd heiß und kalt gewesen. „Normal, bei dieser Einsatzlage“, dachte er zunächst.
Ich war noch nie in meinem Leben so traurig, wie in den vergangenen eineinhalb Jahren
Doch auch in den kommenden Nächten wachte er schweißgebadet auf. Noch immer tat er diese Zwischenfälle ab. Doch dann begannen die Flashbacks. Immer und immer wieder sah er die Menschen in dem brennenden Wagen. Seine Gedanken begannen zu kreisen. Fachärzte erklärten ihm später, dass dieser Unfall auf der A555 nach mehr als drei Jahrzehnten im Beruf wohl einer zu viel gewesen sei. Posttraumatische Belastungsstörung, lautete die Diagnose der Mediziner. Das sei wie ein Knochenbruch, erklärte man ihm. Nur, dass eben die Seele gebrochen sei. Es brauche sehr viel Zeit zur Heilung.
„Ich war noch nie in meinem Leben so traurig, wie in den vergangenen eineinhalb Jahren“, sagt Bach. Er habe diesen Unfall und die schrecklichen Bilder einfach nicht mehr aus seinem Kopf bekommen. Inzwischen kann er damit umgehen, doch Bach ist immer noch arbeitsunfähig. Viele Wochen und Monate war er nach dem Unfall in der Klinik – musste komplett herunterfahren. Nie im Leben hätte er es vor diesem ersten Dezember 2023 für möglich gehalten, einmal so aus der Bahn zu geraten. Das zu akzeptieren, falle ihm bis heute schwer.
Bach ist weiterhin in Behandlung. Immer noch reichen bestimmte Gerüche und Geräusche aus, um die schrecklichen Bilder des brennenden Kleinwagens auf der Autobahn wieder zurück ins Gedächtnis zu rufen. Dann spüre er teils sogar die Hitze des Feuers und höre es knistern. Inzwischen lasse er die Gedanken über den Unfall zu. André Bach hat akzeptiert, dass der Unfall nun Teil seines Lebens ist.
Hilfe für die Helfer
PSU steht für Psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte. Speziell geschulte Helfer unterstützen Feuerwehrleute und Polizisten nach belastenden Einsätzen. Ziel ist, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Das geht in Einzel- und Gruppengesprächen. Mitunter sind auch Beratungen möglich. Bei Bedarf verweisen die PSUler die Einsatzkräfte an Fachärzte.