Jörn Tüffers über die bemerkenswerten Bündnisse, die die Liberalen mit anderen politischen Gruppen schließen
WochenkommentarEin Bild sagt mehr als 1000 Worte?

Thomas Jurczyk (SPD) ist der neue Bürgermeister von Kerpen. Hier gratuliert ihm der Kandidat der FDP, Dr. Christian Pohlmann (r.).
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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte? Dass die FDP sich unlängst bei der Bürgermeister-Stichwahl in Kerpen gegen den CDU-Kandidaten Harald Stingl ausgesprochen und stattdessen – wie das übrige politische Lager auch – Thomas Jurczyk (SPD) unterstützt hatte, mag bei den Christdemokraten im Kreis noch ein bemitleidendes Achselzucken verursacht haben. Schließlich waren sie sich sicher, dass das Rathaus in der Kolpingstadt in CDU-Hand bleiben würde, hatte Stingl im ersten Wahlgang doch klar vor dem SPD-Mann gelegen.
Am Abend des 28. September zuckte aber niemand mehr mit den Schultern. Wenn doch, dann allein aus Ratlosigkeit: Jurczyk gewann, Stingl ging leer aus . . . und bleibt Kerpens Pressesprecher? Schwer vorzustellen. Was führenden CDU-Leuten neben dem verlorenen Chefsessel im Rathaus aber die Zornesröte ins Gesicht trieb, war ein Foto, das im Augenblick von Jurczyks Triumph im Rathaus entstanden war und veröffentlicht wurde.
Darauf zu sehen: der Wahlsieger in inniger Umarmung mit dem FDP-Kreisvorsitzenden Dr. Christian Pohlmann. Der war 14 Tage zuvor noch einer von Jurczyks Mitbewerbern um das höchste Amt in der Stadt. Wobei sich der Betrachter des Fotos fragt, welcher der beiden Männer die Wahl gewonnen hat – denn Pohlmann scheint sich noch mehr zu freuen als der Stichwahl-Sieger.
Möglicherweise war Jurczyk in dem Augenblick erst richtig bewusst geworden, was in seinem neuen Job alles auf ihn zukommt. Was führende CDU-Köpfe ziemlich irritierte: Derselbe überschwängliche Gratulant Pohlmann musste 14 Tage zuvor noch ziemlich kleine Brötchen backen angesichts der herben Verluste bei der Kreistagswahl und dem enttäuschenden Ergebnis für die FDP-Landratskandidatin Christina Caruana-Rinkewitz. Natürlich war allen klar, dass die Pulheimerin nur Zählkandidatin sein würde, aber aus ihrem Umfeld war im Nachgang Kritik zu vernehmen, dass die Unterstützung vonseiten der Parteispitze doch recht dürftig ausgefallen sei.
Dürftig war auch das Resultat für die Liberalen. Sie verloren gegenüber 2020 knapp 3000 Stimmen und 1,7 Prozentpunkte – landeten schließlich bei 3,5 Prozent. Und sind mit drei Mandaten künftig nur noch fünftstärkste Kraft im Kreistag. Allein dem Umstand geschuldet, dass CDU, Grüne und FDP sich vorher zugesagt haben, die seit 1999 bestehende Jamaika-Koalition fortzusetzen, und der hauchzarten Mehrheit von CDU und Grünen verdanken es die Liberalen, dass sie im Kreis weiter mitgestalten dürfen.
Zwar hätten CDU und Grüne nebst der Stimme von Landrat Frank Rock 43 der 84 Stimmen im Kreistag. Aber auf solche Rechenspiele will sich bei CDU und Grünen vermutlich keiner einlassen. Fakt ist: Die FDP ringt darum, nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken und aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden. Das hat in dieser Woche zu erstaunlichen Bündnissen geführt.
In Pulheim bilden die gerupften Liberalen eine Fraktion mit dem ebenfalls von den Wählern ignorierten „Wir für Pulheim“. Und in Brühl gehen sie mit Volt zusammen. Vor allem in der Schlossstadt braucht es einige Kreativität und Vorstellungskraft, um da von vorneherein Schnittmengen zu erkennen. Aber mitunter ist die Wahl auch banal einfach: Zu Partnern werden oftmalig die, die in der Skala der Prozentanteile ziemlich weit unten stehen. Ihr Fraktionsstatus ermöglicht es ihnen, Personal fürs Büro einzustellen und aktiver am politischen Geschehen teilzuhaben. So ist Demokratie.