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Awo Bad Honnef sammelt SpendenKrankenkasse finanziert keinen Assistenzhund für Gewaltopfer

4 min
Sabrina mit ihrem ersten, mittlerweile gestorbenen Assistenzhund. Die Krankenkasse lehnt die Kostenübernahme für einen neuen Hund ab.

Sabrina mit ihrem ersten, mittlerweile gestorbenen Assistenzhund. Die Krankenkasse lehnt die Kostenübernahme für einen neuen Hund ab.

Sie wurde Opfer sexueller Gewalt, ein Assistenzhund könnte Sabrina helfen, ins Leben zurückzukehren. Die Krankenkasse lehnt die Kostenübernahme ab.   

Ein paar Schritte zurück ins normale Leben, die hatte Sabrina schon geschafft. Dank ihres Assistenzhundes konnte sie ein Studium beginnen, von einer Arbeitsstelle träumen; trotz ihrer schweren, komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, hervorgerufen durch sexuelle Gewalt. Doch dann wurde ihr Dackel alt und starb. Die 31-Jährige hoffte auf einen neuen Hund, doch die Krankenkasse lehnt die Kostenübernahme ab.

Eineinhalb Jahre dauern die Bemühungen nun schon an, auch die Atteste des Neurologen und der Psychologin brachten nichts. Sie bescheinigen, dass Sabrina, deren Nachname hier nicht genannt werden soll, dringend auf die Hilfe eines speziell ausgebildeten Vierbeiners angewiesen ist. 

Laut AOK sind nur Blindenführhunde als Assistenzhunde anerkannt

Nur Blindenführhunde seien als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt, auch ein Zuschuss sei nicht möglich, heißt es in der Absage der Gesundheitskasse AOK, Abteilung Hilfsmittel. Für andere Arten von Assistenzhunden dürfe die gesetzliche Krankenversicherung derzeit keine Kosten übernehmen, da hierfür die rechtliche Grundlage in § 33 Sozialgesetzbuch (SGB) V fehlte, teilte die AOK-Pressestelle mit.

Der Anspruch auf ein Hilfsmittel bestehe im Einzelfall, um eine Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine bestehende Behinderung auszugleichen. Im Unterschied zu einem Blindenführhund, welcher die körperliche Sehbeeinträchtigung unmittelbar ausgleicht, erfüllten andere Assistenzhunde diese Kriterien nicht, so die AOK. „Soweit Assistenzhunde zur Sicherung einer Behandlung eingesetzt werden – wie etwa bei PTB - fehlt es bislang an der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten Methodenbewertung und damit an der Anerkennung als Leistung.“

Betroffene lebt in Rhöndorf und steht unter Betreuung

Diese Regelung sei bedauerlich, sagt Annette Stegger von der Arbeiterwohlfahrt Bad Honnef, die die Betroffene unterstützt und eine Spendensammlung gestartet hat. Sabrina lebt in Rhöndorf in einer Wohngruppe für psychisch Erkrankte. Sie hat einen Schwerbehindertenausweis, steht unter Betreuung.

Etwa 40.000 Euro würde eine Assistenzhund-Ausbildung in Deutschland kosten, in Österreich weniger. Dort wartet bereits James auf sie, ein junger Großpudel. Die junge Frau hat ihr Erspartes eingebracht, die Familie stelle mithilfe von Freunden und Bekannten ebenfalls einen erklecklichen Betrag bereit, erzählt die Mutter im Gespräch mit der Redaktion. Übrig bleiben 5000 Euro. Im Gottvertrauen, dass das Geld zusammenkommt, habe der Trainer bereits mit der Grundausbildung des gelehrigen Pudels begonnen.         

James wartet schon. Die  Ausbildung ist aber noch nicht komplett bezahlt, der Rest soll durch die Spendensammlung der Awo Bad Honnef finanziert werden.

James wartet schon. Die Ausbildung ist aber noch nicht komplett bezahlt, der Rest soll durch die Spendensammlung der Awo Bad Honnef finanziert werden.

Sabrinas Krankheit verursacht Dissoziationen, ein Zustand, in dem sie immer mehr den Kontakt zum eigenen Körper verliere, so beschreibt es die Betroffene: „Am Anfang fühle es sich an, als wäre man in Watte gepackt, später gibt es Probleme, einzelne Körperteile zu bewegen, Lähmungen.“

Und manchmal mache der Körper Dinge, die sie nicht mehr steuern könne. Auch zeitweiser Sprachverlust sei eine Folge. Während dieser Schübe verletzte sie sich selbst, habe mehrfach stationär behandelt werden müssen, heißt es in dem Attest der Psychologin. 

Dass ein Hund ihre Seele stabilisieren kann, habe Sabrina mehr als ein Jahrzehnt mit ihrem Dackel erlebt, schildert Annette Stegger. Damals sei sie noch in der Lage gewesen, ihn selbst mit auszubilden. So blieben die Kosten im Rahmen. Die Krankenkasse – sie ist bei der AOK Bayern familienversichert – nahm sie nicht in Anspruch.

Doch ohne die Hilfe des Hundes gehe es der 31-Jährigen zusehends schlechter, würden die Dissoziationen häufiger und schwerer. Das bedeute auch im Alltag extreme Einschränkungen, so wird es in dem Attest des Neurologen beschrieben. Schon allein hinauszugehen, auf die Straße, könne gefährlich werden.

Annette Stegger betrachtet die Situation mit großer Sorge. Sie kam durch eine Anfrage an die Bürgerstiftung Bad Honnef mit ins Boot, doch übersteige der Finanzbedarf die Möglichkeiten der Stiftung. Sie schrieb andere Stellen an, wie den Weißen Ring. Vergeblich. Die Opferorganisation habe lediglich eine Klage empfohlen, „doch das ist für Sabrina seelisch nicht zu stemmen“.

Das ärztliche Attest des Neurologen bescheinigt die Erforderlichkeit eines Assistenzhundes

Das ärztliche Attest des Neurologen bescheinigt die Erforderlichkeit eines Assistenzhundes.

Auch die Ansprechpartner beim Fonds Sexueller Missbrauch des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hätten abgewinkt: „keine ausreichenden Mittel im Haushalt“. Stegger, Mitglied bei der Arbeiterwohlfahrt, hofft nun, dass die Spendensammlung unter dem Awo-Dach den Restbetrag zusammenbringt, ein Sonderkonto wurde bereits eingerichtet.

Sie wolle zuversichtlich sein, sagt Sabrinas Mutter, jeder kleine Betrag helfe schon. Ihre Tochter habe James schon kennengelernt. Er müsse noch eine Gesundheitsprüfung absolvieren, „dann wird er unserer“.