Zwei Jahre späterMucher Tierschützer können nach Brand in den Neubau einziehen

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Ein Einfamilienhaus auf einem Baugrundstück. Das vordere Haus ist fertig, an zwei weiteren im Hintergrund wird noch gebaut.

Der Neubau fällt kleiner aus als das alte Fachwerkhaus, ist dafür aus ökologischen Materialien erbaut worden.

Vor genau zwei Jahren ging nach einem Kurzschluss ein Wohnhaus auf Hof Huppenhardt in Flammen auf. Nun ist der Neubau bezugsfertig.

Poldi lebt nicht mehr: Der Gigant von einem Ochsen musste eingeschläfert werden. Das ist nicht die einzige Veränderung auf Hof Huppenhardt, wo der Verein „Einsatz für Tiere in Not“ (ETN) seinen Sitz hat. Am Dienstag ist es auf den Tag genau zwei Jahre her, dass ein Wohnhaus auf dem Gelände in Flammen aufging.

Die Tierpflegerinnen und -pfleger, die dort lebten, mussten anderweitig untergebracht werden. Kommende Woche aber ist der Neubau bezugsfertig. „Wir sind stolz und glücklich“, sagt Rita Tondorf, Geschäftsführerin des ETN.

Personal in Much schlief im Aufenthaltsraum

Der lange Zustand des Provisoriums – die Mitarbeitenden lebten zum Teil im Aufenthaltsraum des Haupthauses – ist fast vorüber. Das Haus sei auf die erdenkbar ökologischste Art errichtet worden, und zwar ausschließlich von Firmen aus dem näheren Umfeld.

Eine Frau und ein Mann vor einem Neubau. Beide lachen.

Rita Tondorf, Geschäftsführerin des ETN, und Architekt Christian Brauner.

Das Feuer, ausgelöst durch einen Kurzschluss, hatte an jenem Samstagmorgen ein altes Fachwerkhaus zerstört, der vordere Teil war nicht mehr zu retten gewesen. Der hintere Teil wurde kernsaniert, vorn wurde ein neues Haus errichtet.

„Da wir ein gemeinnütziger Verein sind, mussten wir schauen, dass wir so günstig wie möglich bauen. Gleichzeitig sollte es so ökologisch wie möglich werden“, erläutert Tondorf. Ihr sei es als Bauherrin wichtig gewesen, möglichst viel Licht in die Innenräume zu lassen. „Deswegen gibt es insbesondere Richtung Süden viele Fenster.“

Die Architektin hat geguckt, was noch vorhanden war und was nicht.
Dr. Rita Tondorf, Vereinsgeschäftsführerin

Im ersten Schritt wurde der Neubau kleiner geplant, Nutzungsflächen im erhaltenen Teil wurden zusammengestrichen. „Die Architektin hat geguckt, was noch vorhanden war und was nicht.“ Außer morschen Dachbalken hätten zahlreiche Betonschichten den Bauarbeitern das Leben erschwert.

In zwei riesigen Tanks, die beide noch vergraben werden müssen, soll Regenwasser gesammelt werden. Sie fassen je 10.000 Liter. „Damit wollen wir nicht nur den Trinkwasserverbrauch im Haus, sondern auch in der Futterküche und den Stallungen reduzieren, vor allem im Winter“, schildert Tondorf.

Feuerwehrleute löschen ein brennendes Gebäude. Es steigen Rauch und Dampf auf.

Vor zwei Jahren brannte es auf dem Hof Huppenhardt.

Alle Handwerksbetriebe, von der Tiefbau- über die Elektronik- bis zur Dachdeckerfirma, kommen aus dem Umkreis von 30 Kilometern. Tondorf legte Wert darauf, dass die Wege kurz waren. „Das hat sich unglaublich bewährt. Dieses Gefühl, etwas für die Region zu tun, hat auch die Betriebe beflügelt. Und teurer war's auch nicht.“

Da die Firmen sich teilweise untereinander kannten, hätten sie Absprachen getroffen und flexibel arbeiten können. „Wir wussten ihre Qualität zu schätzen und bekamen genau das auch zurück“, sagt Tondorf.

Mucher Bauherren profitierten von der Nähe zu Fachkräften

Durch die Nähe sei es in Zeiten rarer Rohstoffe und Fachkräftemangel überhaupt erst möglich gewesen, zu bauen. „An anderen Baustellen wartet man Monate oder Jahre, bis jemand kommt“, ergänzt Architekt Christian Brauner, der das Gebäude mit seiner Frau Anja entworfen und gebaut hat. „Wenn wir das Projekt europaweit ausgeschrieben hätten, wäre es nicht besser gelaufen.“

Das Fundament bestehe aus Glasschaumschotter; kleine, poröse, federleichte Kiesel. „Das ist recyceltes Glas und besonders wärmedämmend“, erläutert der Architekt. „Normalerweise würde man Styropor verwenden, aber das ist nicht gerade umweltfreundlich. In den Wänden etwa haben wir Holz, also gebundenes CO₂.“

Der Gedanke ist, dass man bei einem Abriss in 100 bis 150 Jahren alle Stoffe wiederverwenden kann.
Architekt Christian Brauner

Der Gips bestehe aus Industrieabfällen, die Dämmung aus Holzfaser. „Der Gedanke ist, dass man bei einem Abriss in 100 bis 150 Jahren alle Stoffe wiederverwenden kann. Denn viele Abfälle bei Abrissen können nur noch verbrannt werden“, sagt Brauner. Nachfolgenden Generationen spare man damit eine Menge Geld. „Das Haus besteht zu 99 Prozent aus ökologischem Material.“

Die Wände seien aus Holz, ebenso die Zwischendecke. „Die fanden wir als Boden so schön, dass wir nichts mehr aufgetragen haben.“ 16 Zentimeter Holz trennten Ober- und Untergeschoss. Wo es möglich war, wurden Fenster eingebaut, die sich nicht öffnen lassen. So dringt weniger Wärme nach außen. Beheizt wird das Haus durch eine Erdwärmepumpe.

Gesamtkosten liegen bei 900.000 Euro

Es soll ab kommender Woche bezugsfertig sein, das sanierte Fachwerkhaus folgt einige Wochen später. 90 Quadratmeter beträgt die Wohnfläche im Haus. „Wir haben langfristig geplant: Wenn die beiden Mitarbeiter, die hier leben, einmal Kinder haben sollten, kann man immer noch leicht eine Zwischenwand ziehen“, berichtet die Geschäftsführerin.

900.000 Euro seien als Gesamtkosten veranschlagt. Eine riesige Summe für den kleinen Verein, der nach wie vor auf Spenden angewiesen ist. Wird noch das Außengelände erschlossen, erinnert nichts mehr an den Brand, der einen so tiefen Einschnitt in das Leben auf dem Hof hinterlassen hat.

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