Vater gestorbenEnkel will in Hennef die Glasfirma von seinem 83 Jahre alten Opa übernehmen

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Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19). Hier stehen die beide vor den Öfen, mit denen Glas gebogen oder gewölbt werden kann.

Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19).

Max Bongarz hat schon mit acht Jahren seinem Großvater Karl-Heinz Decker gesagt, dass er die Nachfolge antreten will.

Ein Drehbuchautor hätte sich diese Geschichte kaum besser ausdenken könne. Elf Jahre ist es her, da starb Max Bongarz' Vater an Krebs. Er arbeitete mit bei Glas Decker, hatte als Nicht-Fachmann mit einer einfachen Idee entscheidenden Anteil an einer Spezialität der Firma: gebogene und gewölbte Scheiben. Doch nun gab es keine Betriebsnachfolge mehr für den Chef Karl-Heinz Decker.

Der damals acht Jahre alte Max sprach auf einer Baustelle mit seinem Großvater. „Du willst doch die Firma nicht verkaufen?“ fragte er ihn. Decker nahm sich das zu Herzen und versprach ihm, so lange weiterzuarbeiten, bis er übernehmen könne. „Zwischendurch hatte ich Bedenken, ob das das Richtige ist. Aber am 1. August habe ich nach dem Abitur eine Lehre hier angefangen“, erklärt Max Bongarz.

Ich habe keine Wehwehchen, jeden Tag arbeite ich zwölf Stunden.
Karl-Heinz Decker (83), Firmenchef

Inzwischen ist er 19, Großvater Karl-Heinz Decker 83 Jahre alt. Im Dezember haben sie im Abstand von zwei Tagen Geburtstag.  Die Ausbildung zum Glaser dauert zwei Jahre, direkt im Anschluss kann der junge Mann seine Meisterprüfung machen. So lange muss Decker noch durchhalten: „Ich habe keine Wehwehchen. Jeden Tag arbeite ich zwölf Stunden, morgens die Einteilung meiner fünf Mitarbeiter, am Nachmittag bis in den Abend fahre ich zu den Kunden und messe auf.“ 

Seit gut 60 Jahren führt er das Unternehmen. Ursprünglich war es ein Malerbetrieb, den sein Urgroßvater Carl Decker etwa 1873 in Bonn-Poppelsdorf gegründet hatte. Sein Großvater kam 1900 von Bonn nach Hennef, 1936 übernahm Karl-Heinz Deckers Vater. 1960 legte der heutige Chef seine Malermeisterprüfung ab und stieg ein, zwischen 14 und 16 Leute waren beschäftigt. Nebenbei verkaufte die Firma Glas.

Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19). In der Halle lagern Glasscheiben unterschiedlicher Größen und Qualitäten, die auf dem großen Zuschnitt-Tisch (rechts im Bild) bearbeitet werden können.

Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19). In der Halle lagern Glasscheiben unterschiedlicher Größen und Qualitäten, die auf dem großen Zuschnitt-Tisch bearbeitet werden können.

Das habe sich immer weiter durchgesetzt, erinnert sich Decker. Er begann, Scheiben in größeren Mengen beim Großhandel einzukaufen und konnte so bessere Preise als die Konkurrenz anbieten. In Geistingen schnappte er sich den Auftrag für die Leichenhalle. Wegen Fehlern des Mitbewerbers konnte er sich bei der Stadt als Glaser etablieren. Anfang der 70er-Jahre stellte er komplett um, ließ den Malerbetrieb sein und machte parallel dazu den Glasermeister.

„Mein Opa war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und das ganz oft hintereinander“, lobt Bongarz. So kaufte Decker nicht nur früh schon in größeren Chargen ein, sondern schaffte sich auch schnell den ersten Ofen an, um gewölbte und gebogene Scheiben herzustellen. Das war schon in den 80er-Jahren. Weitere, immer größere Öfen folgten.

Weit und breit gibt es keine weitere Firma, die dazu in der Lage ist

In langen Testreihen fand Decker heraus, welche Temperaturen notwendig sind, der Schwiegersohn, Max Bongarz' Vater, lieferte die Idee für den Formenbau, ein Firmengeheimnis. Heute ist Decker Spezialist, weit und breit gibt es keine weitere Firma, die dazu in der Lage ist, auch wenn die Zahl der Aufträge rückläufig ist. Doch immer wieder gibt es Anfragen.

Genauso hat er aber auch früh angefangen, Duschabtrennungen individuell herzustellen. Aus drei bis vier im Jahr sind 150 bis 200 geworden. „Weil ich das Glas direkt beim Hersteller beziehe, kann ich günstiger und schneller liefern“, schildert Decker. „Eine Dusche auf Maß beim Großhandel dauert im Schnitt acht Wochen, wir machen es in zwei Wochen.“

Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19). Der Betrieb macht auch Geschirr aus Glas, die hier in einer Vitrine im Firmeneingang gezeigt werden.

Karl-Heinz Decker (83) übergibt seinen Betrieb für Glasarbeiten an seinen Enkel Max (19). Der Betrieb macht auch Geschirr aus Glas.

Enkel Max Bongarz ist jetzt bei vielen Aufträgen dabei, egal ob Balkon- und Treppengeländer aus Glas, Reparaturen, Haustüren, Spiegel, Glasmöbel oder Schnelldienst. „Täglich bin ich woanders, das ist sehr abwechslungsreich“, berichtet er begeistert. 

Die Mitarbeiter des Familienunternehmens kennt er seit Jahren, auch Ishaq Rezaie. Der heute 23 Jahre alte Afghane kam 2015 nach Deutschland. Karl-Heinz Decker ermöglichte ihm erst Praktikum, dann Ausbildung.  „Im ersten Lehrjahr war der super, hatte dann ein Durchhänger, schaffte aber die Prüfung“, erinnert er sich. Der Junge hörte auf, nach einem Jahr suchte die Firma dringend Arbeitskräfte. Mit der Auflage, dieselbe Einstellung wie im ersten Lehrjahr zu liefern, stellte Decker ihn ein. „Der gehört bei mir zu den Besten.“

Der neue Firmenchef tritt auch als Stadtsoldat in die Fußstapfen seines Großvaters

Und noch an anderer Stelle tritt der 19-Jährige in die Fußstapfen seines Großvaters: als Stadtsoldat. Decker hatte sie gegründet und war lange Jahre der Vorsitzende, der „Baas“. Als Kind schon ist Max Bongarz eingestiegen, heute ist er der „Fürwitz“, weil er bei allem so früh und so neugierig dabei ist. Passt gut zum neuen Firmenchef.

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