Vor zehn Jahren startete der Kinderschutzbund Hennef das Angebot für Eltern: Ehrenamtliche Kräfte übernehmen für drei Stunden in der Woche die Kinder.
Projekt des KinderschutzbundesFamilienpaten entstressen in Hennef den Alltag von Eltern

Zwillinge stellen Eltern vor besondere Herausforderungen, Familienpatinnen können sie stundenweise entlasten.
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Wenn Dagmar Arens mit den Zwillingen oder einem einzelnen Kind unterwegs ist, wird sie üblicherweise für die Großmutter gehalten. Was aber nicht stimmt. Für manche ist auch irritierend, dass die Kleinen im Laufe der Zeit wechseln. „Sind das denn die Gleichen?“ wurde sie schon einmal nach einem Blick in den Zwillingskinderwagen gefragt. „Nein, das sind jetzt andere“, lautete ihre Antwort. Die Lösung: Arens engagiert sich als ehrenamtliche Familienpatin.
Hennefer Erfolgsprojekt entstresst den Alltag von Eltern
„Wir entstressen den Alltag“ heißt das Projekt des Kinderschutzbundes Hennef in Kooperation mit dem Jugendamt der Stadt. Es bietet Eltern an, dass eine Patin oder ein Pate an einem Tag in der Woche für drei Stunden die Kinder übernimmt. „Ein Erfolgsprojekt“, wie Koordinatorin Gerlinde Kummer zehn Jahre nach dem Start feststellt. 89 Familien hätten seit 2015 von dem Angebot profitiert.

Zwillingsmutter Sabine Montag, Familienpatin Dagmar Arens und Koordinatorin Gerlinde Kummer (v.l.) berichten über das Projekt „Wir entstressen den Alltag“.
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Zurzeit sind zehn Patinnen und ein Pate im Alter von Anfang 20 bis Mitte 60 im Einsatz. Dagmar Arens gehört zu den erfahrensten Kräften. „Ich hatte eine Zeitungsannonce des Kinderschutzbundes gesehen, eine Woche später hatte ich Zwillinge“, erinnert sich die 63-Jährige an ihren Start als „Leihoma“, wie sie sich gern bezeichnet. Mittlerweile hat die beruflich Selbstständige 14 Familien geholfen. In sechs Fällen betreute sie Zwillinge.
Darunter waren die beiden Mädchen von Sabine Montag. Die 39-Jährige und ihr Mann haben nicht die Möglichkeit, ihre Eltern als Kinderbetreuer einzusetzen, denn die wohnen nicht in Hennef, sondern in Aachen beziehungsweise Dortmund. Sabine Montag berichtet von der anfänglichen Scheu, die unentgeltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die allgemeine Erwartung: „Eltern müssen das doch selbst schaffen“, ein schlechtes Gewissen, weil man die eigenen Kinder anderen überlasse, und sogar die Befürchtung, das Jugendamt könne einschreiten, weil man als überfordert gelte, spielten eine Rolle.
Picknick im Kurpark und eine Runde durch den Baumarkt
„Das ist bescheuert“, sagt die Mutter heute in dem Wissen, dass gerade bei nicht zeitgleich schlafenden Zwillingen eine Überforderung normal sei. Die Montags hatten Glück. Beim Kennenlerntermin, den Gerlinde Kummer zwischen Patin und Familie vermittelte, fremdelten die Mädchen nicht. Dass Dagmar Arens schon zwillingserfahren war, half außerdem. „Ich weiß sie bei ihr in guten Händen“, sagt die berufstätige Mutter. Sporadisch kümmert sich Arens immer noch um die Zwillinge, zuletzt etwa bei einem Augenarzttermin. Früher holte die „Leihoma“ die Mädchen regelmäßig donnerstagnachmittags ab.

In der Gartenstraße 24 hat der Kinderschutzbund Hennef nebst Kleiderladen „Kinderklamotte“ sein Domizil.
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„Ich schnappe mir die Kinder und bin mit ihnen immer unterwegs, damit die Eltern wirklich Ruhe haben“, berichtet die Familienpatin. Es gehe auf Spielplätze und in den Kurpark, „wir machen Picknick“. Besonders beliebt bei den Kleinen seien aber auch die Feuerwehr, Bahnhof, Busbahnhof und nicht zuletzt eine Runde durch den Baumarkt oder ein Gartencenter. Letztgenannte sind natürlich bei Regen angesagte Ziele. „Und alle Kinder mögen Baustellen.“
Man glaubt gar nicht, wie sehr einem die drei Stunden helfen
Das Konzept, den Alltag von Eltern zu entstressen, geht auf. „Man freute sich so auf den Donnerstag und man glaubt gar, wie sehr einem die drei Stunden helfen“, sagt Sabine Montag. Sie habe sich aber auch selbst ermahnen müssen, die Zeit ohne die Kinder nicht fürs Fensterputzen oder andere Arbeiten zu nutzen. „Mach etwas für dich, leg’ dich hin, ruh’ dich aus“, habe sie sich gesagt.
Der Kinderschutzbund bereitet die Familienpatinnen und -paten auf ihre Aufgabe vor. Ein Kursus für Erste Hilfe am Kind ist dabei, und einmal im Monat gibt es einen Gesprächsabend. Die Stadt finanziert im Zuge der „Frühen Hilfen“ die Koordinationsarbeit von Gerlinde Kummer, die hauptamtlich beim Kinderschutzbund tätig ist. Die Sozialarbeiterin schaut, wer zu welcher Familie passt, und stellt den Kontakt her. Alles Weitere, wie zum Beispiel die Frage, ob bei den Ausflügen Fotos von den Kindern gemacht werden sollen, um sie den Eltern zu schicken, oder ob die Kleinen etwas zu essen bekommen sollen, ist Sache von Absprachen.
Manchmal, so Kummer, erstrecke sich eine Patenschaft auch nur über ein paar Monate. Wichtig sei: „Die Familien müssen sich von sich aus bei uns melden.“ Und die Patinnen und Paten sollten nicht ungefragt Erziehungstipps geben, „das ist nicht ihre Aufgabe“. Dass die Ehrenamtlichen auch selbst etwas von den drei Stunden mit Kindern haben, sehe sie immer wieder. „Es macht Spaß“, bestätigt Arens.
An einer Familienpatenschaft Interessierte, als Eltern oder als betreuende Kraft, finden auf der Internetseite des Kinderschutzbunds nähere Informationen.