Ein Hobbyfilmer aus Hennef möchte mit dem Film insbesondere Jugendliche ansprechen. Er zeigt den Terror des NS-Regimes in der direkten Nachbarschaft.
ErinnerungskulturFilm „Die Hennefer Stolpersteine“ lässt Holocaust-Opfer aus der Nachbarschaft sprechen

Auf der Leinwand des Hennefer Kurtheaters wurden die Geschichten von Opfern des NS-Regimes greifbar.
Copyright: Lilian von Storch
Vor zwei Jahren kam Michael Schenk die Idee für einen Kurzfilm, der die Geschichten von Holocaust-Opfern aus Hennef lebendig macht. Der Hobbyfilmer lebt unweit des jüdischen Friedhofs in Geistingen und nahm am jährlichen Gang des Gedenkens teil, der dort immer am 10. November, dem Jahrestag der Zerstörung der Hennefer Synagoge, stattfindet. „Mir fehlte etwas an diesem Tag, und das war die Jugend. Heute ist sie hier, und das berührt mich besonders.“
Diese Worte sagte Schenk nach der Premiere des Films „Die Hennefer Stolpersteine – ein Film gegen das Vergessen“. Am Sonntag, 9. November, wurde er zweimal im Hennefer Kurtheater gezeigt, beide Vorstellungen waren ausverkauft mit langer Warteliste. Wegen der hohen Nachfrage sollten weitere Vorstellungen folgen, kündigte Schenk an, die Termine stünden noch nicht fest.
Schülerinnen und Schüler eines Hennefer Gymnasiums informieren im Film über die Schicksale der ermordeten Jüdinnen und Juden
In einer der ersten Szenen zündet eine junge Frau eine Kerze auf dem jüdischen Friedhof in Geistingen an, als sie von einem älteren Herrn angesprochen wird. Im Laufe des Films stellt sich heraus, dass er David Dornbusch ist, einer der ermordeten Juden aus Hennef. Später sieht man die junge Frau beim Putzen von Stolpersteinen in den Straßen der Stadt. Eine Gruppe von Jugendlichen beobachtet sie. Zuerst verstehen sie nicht, was sie da tut und was genau Stolpersteine eigentlich sind; später beschließt die Gruppe, in einem Schulprojekt über die Menschen hinter den Namen zu informieren.

Im Gespräch nach der Filmvorführung: Sophie Tull (Schülerin und Darstellerin), Michael Schenk (Prduzent), Michael Pikelj (Filmeditor und Kameramann) und Enno Seekamp (Schüler und Darsteller).
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Durch Zeitsprünge werden immer wieder diese Menschen selbst gezeigt: Familien mit Kindern, alte und junge Leute. Man sieht sie gemeinsam feiern und Spaß haben, einfach ihren Alltag leben. Dann, wie sie gezwungen werden, in die Hennefer „Judenhäuser“ umzuziehen, wo sie auf engstem Raum zusammenleben müssen, während sie mehr und mehr Diskriminierung durch das nationalsozialistische Regime, ihre ehemaligen Freunde und Nachbarn erfahren. Teilweise drehte das Team diese Szenen in den Häusern, wo die später Ermordeten tatsächlich gelebt haben.
Ich sehe jetzt viel mehr Stolpersteine, an denen ich früher immer vorbeigelaufen bin.
Der Film macht auf eindrucksvolle Weise deutlich, wie die Ereignisse des Nationalsozialismus sich in der unmittelbaren Umgebung abspielten. „Ich sehe jetzt viel mehr Stolpersteine, an denen ich früher immer vorbeigelaufen bin“, sagte Benedikt Vogt, der in dem Film als Schauspieler in einer Doppelrolle zu sehen ist. „Dann schaut man sich das Haus an und fragt sich: Was genau ist da wohl passiert?“

Stolperstein-Künstler Gunter Demnig kam persönlich zur Filmvorführung ins Hennefer Kurtheater.
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So geht es auch Cora Wirthwein, die eine der Hauptrollen spielt: „Ich lese einen Namen, und ich weiß, diese Person hat hier mal gewohnt und wurde gegen ihren Willen weggebracht.“ Sie wünsche sich, dass der Film die Besucherinnen und Besucher ehrlich zum Nachdenken anrege, sagte die 22-Jährige. Die Jugendlichen, die im Film auftreten, sind Schülerinnen und Schüler des Städtischen Gymnasiums Hennef. Dazu gehören Sophie Tull und Enno Seekamp, die die Filmvorführung moderierten.
Neuer Förderverein möchte weitere Geschichten von Holocaust-Opfern greifbar machen
„Filmemachen, das habe ich schnell gelernt, ist sehr kompliziert und eine hohe Kunst“, sagte Michael Schenk, der vor allem nach einer Idee gesucht hatte, das Gedenken an den Holocaust auch bei jungen Menschen in Erinnerung zu rufen. Professionelle Unterstützung kam durch den Filmemacher Michael Pikelj, den Schenk beim Skifahren kennengelernt hatte. Die Idee habe Pikelj sofort begeistert, als Schenk ihm in einer Hütte davon erzählte.
Herausfordernd war, dass es kein Budget hab. „Da wir auch auf die Zeitkapazitäten und Spontaneität der Schauspieler angewiesen waren, haben wir uns entschieden, kein Equipment zu mieten – alles mit dem Handy gedreht“, erzählte Michael Pikelj. Von dem Ergebnis sei er selbst mehr als überrascht.

Die Schauspieler Benedikt Vogt (55) und Cora Wirthwein (22) hat der Filmdreh zum Nachdenken angeregt.
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Sich intensiv mit den Geschichten der Menschen hinter den Namen auf den Stolpersteinen zu befassen, habe ihn sehr berührt, sagte Pikelj, „und solche Geschichten gibt es von acht Millionen Menschen“. Ziel des neu gegründeten Fördervereins „Jugend und Erinnerungskultur“ sei es, auch die Schicksale von Opfern des Nationalsozialismus aus anderen Städten auf ähnliche Art und Weise greifbar zu machen.
Wenn die jungen Leute das begriffen haben, dass das nie wieder passieren darf, dann haben wir vieles geschafft.
Gunter Demnig, der das Projekt Stolpersteine in den 1990er Jahren startete und sie bis heute selbst verlegt, erschien zur Filmvorführung. Für das Projekt sei der Film eine große Ehrung, es sei ihm wichtig gewesen, persönlich dabei zu sein, betonte der 78-Jährige. „Wenn die jungen Leute das begriffen haben, dass das nie wieder passieren darf, dann haben wir vieles geschafft“, sagte Demnig. „Alle acht Millionen Namen werden wir nie zurückbringen können, aber die Symbolik zieht sich jetzt schon durch ganz Europa.“
Es freue ihn, dass die Fälle beschädigter oder herausgerissener Stolpersteine zurückgingen, sagteDemnig. Gleichzeitig seien die Anfragen in die Höhe gegangen – beispielsweise unmittelbar im Anschluss an die Wahlen in Thüringen, bei denen die gesichert rechtsextreme AfD erneut starken Zulauf bekam. „Wir können uns gerade vor Anfragen nicht retten. Das ganze nächste Jahr ist im Grunde schon verplant.“

